„660 Familien von Obdachlosigkeit bedroht“

Sozialeinrichtungen üben heftige Kritik an der geplanten Mindestsicherung neu: Würde sie kommen, wären rund 660 Familien akut von Obdachlosigkeit bedroht, rechnet die Vorarlberger Wohnungslosen-Hilfe vor.

Die vorgesehenen Kürzungen liegen zwischen knapp 250 Euro für Allein-Erzieher mit einem Kind und fast 790 Euro für ein Ehepaar mit vier Kindern pro Monat. Gemeinsam machen jetzt die Caritas Vorarlberg, das Institut für Sozialdienste, das Kolpinghaus Götzis sowie die Einrichtungen Kaplan Bonetti und die Notschlafstelle Dowas gegen die Kürzungen mobil.

Wohnungslosigkeit bekämpfen

Die Bundesregierung plant eine Kürzung der Mindestsicherung. Die Folgen wären vor allem in Vorarlberg fatal. Rund 660 Familien wären dann von Obdachlosigkeit bedroht.

13.000 Betroffene in Vorarlberg

Im Vorjahr haben rund 13.000 Betroffene in Vorarlberg Mindestsicherung bezogen. Weil aber die Mietkosten seit Jahren extrem steigen, drohte vielen Mindestsicherung-Beziehern durch die Kürzung die Obdachlosigkeit, sagt Peter Brunner vom Verein Dowas. Er geht von 660 Familien in Vorarlberg aus, die dadurch über kurz oder lang ihre Wohnungen verlieren würden. Michael Natter von der Caritas kritisiert, dass die Kürzungen auch viele treffen, die gar nicht erwerbstätig sein können. 2017 waren laut Natter 42 Prozent der Betroffenen Kinder oder Personen, die über 60 waren.

Aktion mit lebensgroßen Figuren

Die Sozialeinrichtungen sind sich einig: Die Mindestsicherung neu würde die Wohnungslosigkeit verschärfen. Michael Hämmerle von der Kaplan Bonetti-Beratungsstelle fordert von der Bundesregierung eine Mindestsicherung, die Menschen auffängt, die gestrauchelt sind, und die auch wieder eine Perspektive zulässt. Die Sozialeinrichtungen starten eine Aktionswoche, in der sie auf verschiedenen Wochenmärkten mit lebensgroßen Figuren auf die Problematik aufmerksam machen.

Abgabe für leerstehende Wohnungen?

Gefordert werden von den heimischen Sozialeinrichtungen auch Maßnahmen gegen den Wohnungsleerstand. Laut Michael Hämmerle gibt es in anderen EU-Ländern bessere Unterstützung für Wohnungseigentümer bei der Vermietung, aber auch Abgaben bei Wohnungsleerstand. „Es muss da etwas getan werden. Es kann ja nicht sein, dass wir auf der einen Seite Baulandhortung haben und auf der anderen Seite leerstehende Wohnungen - und gleichzeitig bricht uns das System langsam zusammen“, so Hämmerle.

Grüne zeigen Verständnis

Soziallandesrätin Katharina Wiesflecker von den Grünen kann die Kritik der Sozialeinrichtungen an den geplanten Kürzungen der Mindestsicherung verstehen. Sie verweist auf die gute Zusammenarbeit mit den sozialen Einrichtungen und sieht sich in der politischen Arbeit bestätigt. „Die Mitarbeitenden in den sozialen Einrichtungen sind sehr nahe an den hilfesuchenden Menschen dran, es ist wichtig, dass auch sie die Bemühungen der Landesregierung um die laufenden Verhandlungen mit dem Bund rund um die Mindestsicherung Neu mitunterstützen“, so Wieflecker.

ÖVP-Frühstück versteht Kritik nicht

Klubobmann Roland Frühstück (ÖVP) zeigt kein Verständnis für die Kritik an der Mindestsicherung. Frühstück räumt zwar ein, dass die Einschnitte bei kinderreichen Familien am größten werden, diesen Strickfehler würde die Bundesregierung aber beheben. Die neue Mindestsicherung nur an den sinkenden Kinderrichtsätzen zu bewerten, sei falsch. Wichtig sei das netto zur Verfügung stehende Familieneinkommen, so Frühstück.