EU-Wahldiskussion: Wohin geht’s?

Verschiedene Visionen von Europa sind am Mittwoch bei der Wahldiskussion von ORF und „Vorarlberger Nachrichten“ in Rankweil aufeinandergekracht. Vor allem die FPÖ mit ihrer Vorstellung vom „Europa der Vaterländer“ erntete Kritik.

Schon an der Frage, was man in der EU besser machen könnte, schieden sich am Mittwoch die Geister. Einiges, meinte etwa ÖVP-Spitzenkandidat Othmar Karas, der seit 1999 im Europäischen Parlament sitzt. Er verteidigte die Errungenschaften der vergangenen 70 Jahre - Stichworte: Frieden, liberale Demokratie, Binnenmarkt - gestand aber zu, dass die Zusammenarbeit der verschiedenen Ebenen - also Bürger, Regionen, Staaten und EU - verbessert werden könnten. Die ständigen Schuldzuweisungen müssten ein Ende haben.

Steger: Weniger EU, mehr Effizienz

Das rief Petra Steger von den Freiheitlichen auf den Plan, die zwar nicht Spitzenkandidatin ihrer Partei ist, am Mittwoch aber für ebendiesen einspringen musste - Harald Vilimsky hielt sich nämlich in den USA auf. Steger ortete einen Mangel an Selbstreflexion seitens der EU - ein mehr an Zentralismus sei etwa keine Antwort auf Kritik am Zentralismus. Ihr Rezept: Weniger EU, dafür eine effizientere Union. Und die müsse sich aus Bereichen heraushalten, in denen sie nichts zu suchen habe, etwa in der Sozialpolitik, wo ein „Gleichschalten“ nur zu einer Nivellierung nach unten führen könne.

Diskussion der Spitzenkandidaten

Zur Wahl organisierten der ORF Vorarlberg und die „Vorarlberger Nachrichten“ am 10. April eine Podiumsdiskussion mit den österreichischen Spitzenkandidaten.

Schieder: Mindeststandards als Lösung

Mitnichten, widersprach erwartungsgemäß Andreas Schieder von der SPÖ. Schuld an der EU-kritischen Stimmung sei, gerade im durch den Brexit heftig gebeutelten Großbritannien, nicht zu viel Zentralismus oder die Migrationsfrage, wie Steger ebenfalls argumentierte, sondern die auseinanderklaffende Schere zwischen Arm und Reich. Die Antwort könne nur sein, Steuerschlupflöcher zu schließen und europaweite soziale Mindeststandards einzuführen. So könne er sich etwa eine europäische Jugendgarantie vorstellen - also eine Garantie auf einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz -, um der Jugendarbeitslosigkeit entgegenzuwirken.

Gamon: Vereinigte Staaten von Europa

Claudia Gamon, mit 30 Jahren die jüngste Diskussionteilnehmerin, lehnte sich in ihrer Vision für Europa etwas weiter aus dem Fenster: Es gehe darum, europäische Freiheiten zu erhalten - was nicht gehe, wenn man sich in Europa „verzwerge“. Ihr ehrgeiziges Ziel: Die Vereinigten Staaten von Europa, mit einem direkt gewählten Kommissionspräsidenten und, ja, auch einer Europäischen Armee. Sie schlafe allemal besser, wenn sie wisse, dass die Experten im Verteidigungsbereich gemeinsam an die Probleme heranmachten. Schließlich würden Angriffe heutzutage nicht mit dem Panzer, sondern mit dem Laptop erfolgen.

Voggenhuber will starkes Parlament

Am anderen Ende der Altersskala: Das mittlerweile nicht mehr grüne Urgestein Johannes Voggenhuber, 68 Jahre alt, der bei der Wahl mit seiner Initiative 1 Europa antritt, aber von der Liste „Jetzt“ unterstützt wird - die ihres Zeichens von einem anderen grünen Urgestein gegründet wurde. In Zeiten der Not schlage die Stunde der Demagogen, erklärte Voggenhuber, und schoss sich zunächst auf Steger ein, der er vorwarf, nach 2.000 Jahren noch immer nicht begriffen zu haben, dass Parlamente Gesetze schaffen und nicht Regierungen. Er selbst sprach sich für ein starkes Parlament aus, das von den Bürgerinnen und Bürgern legitimiert ist.

Kogler mit grünem Evergreen

Für Voggenhubers ehemalige Partei, die Grünen, geht Werner Kogler ins Rennen, der umgehend Skepsis an der Idee der Vereinigten Staaten von Europa äußerte - da wisse man hinterher nicht, ob nicht vielleicht doch wieder Regierungschefs im Hinterzimmer die Entscheidungen fällen würden. Es brauche vielmehr eine weitere Vertiefung der Zusammenarbeit, etwa in Sachen Klimaschutz, soziale Absicherung oder Migration und Asyl. Er plädierte zudem dafür, die Wahl zu einer Klimaschutzwahl zu machen und borgte sich dafür einen Slogan aus den Anfangstagen der Grünen: „Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geborgt“.

„Europa der Vaterländer“

Neben Voggenhuber hatten es auch andere Diskussionsteilnehmer auf Steger abgesehen. Immer wieder wurde sie wegen der EU-kritischen Position ihrer Partei konfrontiert, gerade ÖVP-Mann Karas versuchte, sich von ihr abzugrenzen, indem er das Engagement der FPÖ im rechtpopulistischen Bündnis rund um den italienischen Vizepremier Matteo Salvini kritisierte. Daraufhin warf Schieder Karas vor, mit „gespaltener Zunge“ zu sprechen, wenn er die FPÖ attackiere, aber gleichzeitig im Bund mit ihr koaliere. Steger selbst sprach von unterschiedlichen Auffassungen zum Thema EU: Ihres sei das „Europa der Vaterländer“.

Unterschiedliche Ansichten zum Brexit

Unterschiedlich fielen die Antworten auch zum europapolitischen Thema der Stunde auf, dem bevorstehenden Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union. „Wir sind kein Basar“, sagte etwa Karas in Anspielung auf die sich ständig verändernden Positionen des Vereinigten Königreichs und die vielen gescheiterten Verhandlungsversuche. Ähnlich auch Schieder: „Der Ball liegt auf der britischen Halbinsel“, die Briten müssten endlich wissen, was sie wollten.

Vorsichtiger äußerte sich Steger, die das Thema wieder zum Anlass nahm, auf Fehler der EU hinzuweisen. Kogler meinte, eine Verlängerung könne es nur dann geben, wenn sie wirklich Sinn mache - er selbst wünsche sich eine zweite Volksabstimmung. Ein Wunsch, den auch Gamon teilte. Voggenhuber wiederum sprach sich für eine Verlängerung aus, wenn die Folgen eines ungeregelten Brexits nicht abschätzbar sein.

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