Vorarlberg wurde vor 100 Jahren selbstständig

Fast genau vor 100 Jahren - am 3. November 1918 - erlangte Vorarlberg die volle Selbstständigkeit. Gleichzeitig wurde der Beitritt zum künftigen Staat Österreich erklärt. Wichtiger Fadenzieher auf dem Weg in die Selbständigkeit war Jodok Fink.

Vorarlberg wurde zwar in der Habsburger-Monarchie 1861 zum eigenständigen Land in seiner heutigen Form, verwaltungstechnisch bildete es aber noch bis 1918 eine Einheit mit Tirol. Der Kaiser bestimmte den Landeshauptmann, der aber in gesamtstaatlichen Angelegenheiten der k.k. Statthalterei in Innsbruck unterstellt blieb.

100 Jahre Vorarlberg

Als der Krieg vor 100 Jahren an der Südfront durch einen Waffenstillstand zwischen Österreich-Ungarn und Italien beendet wurde, wurde Vorarlberg zu einem selbstständigen Land.

„Land in bessere Zeit des Friedens“ leiten

Während die österreich-ungarische Monarchie zerfiel, trat am 3. November 1918 in Bregenz die nach dem Ergebnis der letzten Reichsratswahl von 1911 zusammengesetzte provisorische Landesversammlung (19 Christlichsoziale, sechs Deutschfreisinnige, fünf Sozialdemokraten) zusammen. Sie proklamierte unter Berufung auf das Selbstbestimmungsrecht die Unabhängigkeit Vorarlbergs von Tirol und bezeichnete Vorarlberg „als eigenes selbstständiges Land im Rahmen des deutsch-österreichischen Staates“. Die deutsch-österreichische Republik wurde freilich erst am 12. November ausgerufen.

100 Jahre Vorarlberg

ORF/Landesarchiv

Im Hotel „Österreichischer Hof“, seit 1914 das Landhaus in der Seestraße, fand am 3. November 1918 die konstituierende Sitzung des Landes Vorarlbeg statt

Als dringendste Aufgabe sah die Landesversammlung an, „das Volk Vorarlbergs in dieser Zeit schwerster wirtschaftlicher Not und raschester politischer Entwicklung in Ordnung und Ruhe in eine bessere Zeit des Friedens hinüberzuleiten“.

Jodok Fink leitete Landesgründung in die Wege

Zum ersten „Landespräsidenten“ wurde der Christlichsoziale Otto Ender gewählt, der zu Beginn der 1930er-Jahre Bundeskanzler werden sollte. Den Antrag dazu hatte sein Parteikollege Jodok Fink gestellt, der 1919/20 als Vizekanzler unter dem Sozialdemokraten Karl Renner agierte.

Ausstellung

Im Bregenzer - vorarlberg museum ist bis 18. November die Ausstellung „Otto Ender - Landeshauptmann, Bundeskanzler und Putschist?“ zu sehen.

Wie Historiker Ulrich Nachbaur vom Landesarchiv Bregenz erklärt, sei der gebürtige Andelsbucher Fink im Auftrag der deutsch-österreichischen Nationalversammlung nach Berlin, Dresden und München gereist, um um Lebensmittel zu betteln. 1918 habe er Bregenz erreicht und sei dort zum Parteiobmann Ender geeilt, um die Landesgründung effektiv in die Wege zu leiten.

Jodok Fink

ORF

Der Bregenzerwälder Jodok Fink stellte den Antrag für die Wahl von Otto Ender als Landespräsidenten. Fink agierte 1919/20 als Vizekanzler unter dem Sozialdemokraten Karl Renner in Wien

Wenig Beachtung in Zeitungen

Das Protokoll der Sitzung, in der Vorarlberg zum selbständigen Land erklärt wurde, sieht nicht nach epochalem Ereignis aus - und auch die Zeitungen berichteten zum Teil erst Tage später oder nur ganz am Rande darüber. Der Grund war das zeitgleiche Ende des Krieges, der Tausende im letzten Moment in Kriegsgefangenschaft brachte:

„Im Prinzip brach die ganze Welt zusammen“, erklärt Historiker Nachbaur. Die Landesgründung sei sicher ein wichtiger Moment gewesen - die Menschen aber hätten andere Sorgen gehabt.

80 Prozent für Beitrittsverhandlungen mit Schweiz

Ein knappes halbes Jahr später - am 27. April 1919 - gingen die Christlichsozialen (22 Mandate, fünf Sozialdemokraten, zwei Deutschfreisinnige, ein Bauernbund) als Sieger aus den ersten Wahlen zum Vorarlberger Landtag hervor. Otto Ender blieb Landeshauptmann.

Das Vertrauen in die Lebensfähigkeit eines Kleinstaates Österreich war jedoch - nicht nur, aber auch - in Vorarlberg gering. In einer Volksabstimmung am 11. Mai 1919 sprachen sich mehr als 80 Prozent der Vorarlberger Wahlberechtigten für Verhandlungen mit der Schweiz mit dem Ziel eines Beitritts zur Eidgenossenschaft aus. Daneben gab es in Vorarlberg aber auch Initiativen, die das Land mit den schwäbischen Landesteilen in Baden, Bayern und Württemberg zu einem neuen deutschen „Bundesland Schwaben“ vereinen wollten.

Allen diesen Bestrebungen bereitete der Friedensvertrag von Saint-Germain (10. September) ein Ende. Ein Anschluss Österreichs an Deutschland oder andere Staaten wurde verboten. Landeshauptmann Ender war zu den Verhandlungen nach Saint-Germain gereist (14. bis 31. Mai 1919), hatte die Frage eines Anschlusses Vorarlbergs an die Schweiz allerdings nicht zur Sprache bringen können. Damit waren die Weichen für die folgenden Jahre gestellt.

ORF-Redakteur Jürgen Peschina hat mit Historiker Ulrich Nachbaur über das Jahr 1918 gesprochen.

Link:

  • Jodok Fink (Vorarlberger Landesarchiv 2003 anlässlich des 150. Geburtstags von Jodok Fink)