Gold-Plating: Kritik an „Sozialabbau“

Viele österreichische Bestimmungen, die über die EU-Mindeststandards hinausgehen - sogenanntes „Gold-Plating“ - sollen im Herbst abgeschafft werden. Bei der Wirtschaft überwiegt die Freude, die Arbeiterkammer fürchtet Sozialabbau.

Im Herbst will die Regierung den jetzt schon umstrittenen Gesetzesentwurf vorlegen. Viele österreichische Bestimmungen sollen dann auf die europäischen Mindestnormen zurückgestutzt werden, sogenanntes „Gold-Plating“ - die Übererfüllung von EU-Vorgaben - soll eingeschränkt werden. Welche Bestimmungen dafür in Frage kommen, sollen die Ministerien am 5. September benennen.

„Einseitige Nivellierung nach unten“

Weil die derzeit geprüften Vorschläge auch auf Mutterschutz, Arbeitnehmerschutz, Konsumentenschutz und andere soziale Errungenschaften abzielen, befürchtet Vorarlbergs Arbeiterkammerpräsident Hubert Hämmerle einen Sozialabbau. Anstatt nach unten zu nivellieren, schlägt Hämmerle den umgekehrten Weg vor: „Es muss ja das Ziel sein in einer EU, dass wir nicht das Niveau nach unten drücken, sondern dass wir versuchen, die anderen Staaten mit hinauf zu bringen. Also da müssten wir eigentlich das Vorbild sein.“

Er spricht von einer „einseitigen Nivellierung nach unten“: Es werde nur geschaut, wo die Arbeitnehmer nach den aktuellen Bestimmungen besser gestellt seien als der EU-Schnitt - und das wolle man dann nach unten nivellieren. Nicht geschaut werde, wo die Arbeitnehmer schlechter gestellt seien als der EU-Schnitt - was beispielsweise bei den zu entrichtenden Steuern der Fall wäre.

Anpassung ja - aber nicht zu Lasten der Arbeitnehmer

Bekanntlich sind es Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung - also die Arbeitnehmervertreter - gewesen, die dem Deregulierungs-Ministerium einen umstrittenen Katalog vorgelegt haben, der fast 500 Verordnungen und Gesetze umfasst. All diese Bestimmungen übererfüllen laut den beiden Institutionen die EU-Mindeststandards. Ein Beispiel: Die EU sieht im Insolvenzfall für betroffene Mitarbeiter einen weiteren Entgeltanspruch von nur drei Monaten vor, in Österreich hingegen sind es sechs Monate. Diesen „Gold-Plating“-Katalog prüft die Regierung jetzt zwecks Angleichung an EU-Normen.

Arbeiterkammer-Präsident Hämmerle will sich nicht gänzlich einer Anpassung von nationalem Recht an EU-Vorgaben verwehren. „Wenn hier geschaut wird, wo nivelliert wird, dann soll es bei Maßnahmen sein, die im Grunde genommen eine Erleichterung bedeuten für die Unternehmen“, so Hämmerle. Das dürfe aber nicht zum Nachteil der Arbeitnehmer geschehen: Arbeitnehmerschutz, Mutterschutz, Konsumentenschutz und vieles andere dürfen laut Hämmerle nicht angerührt werden.

Rüdisser fordert „Flexibilität“

Dieser Forderung kann sich auch Wirtschaftslandesrat Karlheinz Rüdisser (ÖVP) anschließen: „Ich teile die Auffassung, dass soziale Errungenschaften, die in der Vergangenheit im Wege der sozialpartnerschaftlichen Einigung erzielt worden sind, sicher nicht Gegenstand sein können im Rahmen eines Deregulierungsverfahrens.“ Aber: Überbordende Auflagen, Vorschriften und andere bürokratische Hürden für Wirtschaft und Industrie sollten laut Rüdisser zurückgenommen werden. Es müsse „auch eine gewisse Bereitschaft bestehen zur Flexibilität.“