Testamentsaffäre: Dritter Prozesstag zu Ende

Nach dem dritten Prozesstag rund um die Testamentsfälschungen am Bezirksgericht Dornbirn sind alle Angeklagten - bis auf Richterin Kornelia Ratz - befragt worden. Mehrere bekannten sich schuldig, während ein pensionierter Justizarbeiter die Vorwürfe bestritt.

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Video: Beitrag von Gernot Hämmerle, Reinhard Fuchs, Norbert Mühlbacher

Beleuchtet wurde am Mittwoch im Landesgericht Salzburg unter anderem die Rolle eines pensionierten Rechtspflegers. Der 73-Jährige war vor seiner Pensionierung Grundbuch-Rechtspfleger am Bezirksgericht Dornbirn. Er wurde vom geständigen Hauptangeklagten Jürgen H. als eine Art Lehrmeister im Fälschersystem bezeichnet. Vor dem Landesgericht Salzburg gab er am Mittwoch an, dass er über mindestens eineinhalb Jahrzehnte Winkelschreiberei betrieben, also schwarz Verträge gefertigt habe. Dafür wurde er bereits zweimal verurteilt.

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Audio: ORF-Redakteur Bernhard Stadler mit einer Bilanz zum dritten Prozesstag am Landesgericht Salzburg

Vorwürfe „erstunken und erlogen“

Alle anderen Vorwürfe in Richtung Testamentsfälschungen seien aber ungeheuerlich und falsch, so der Angeklagte. Die Vorwürfe von Staatsanwalt Bolter und vor allem die Aussagen des Hauptangeklagten Jürgen H. seien „erstunken und erlogen“, erklärte der Pensionist. Dass er die Sache gelenkt hätte, bezeichnete er als „vollkommen irrsinnig, da kann man nur perplex sein“.

Angeklagter: „Winkeln“ in einigen Abteilungen normal

Bei der Einvernahme des 73-Jährigen wurde es zum ersten Mal laut im Gerichtssaal. Die Verteidiger wollten nicht einsehen, dass Richter und Staatsanwalt die Winkelschreiberei mehrfach thematisierten. Das habe nichts mit Testamentsfälschungen zu tun, so die Verteidiger.

Die Schilderungen des Angeklagten sorgten im Verhandlungssaal aber für Kopfschütteln. Gewisse Abteilungen am Bezirksgericht Dornbirn - nicht alle - hätten „gewinkelt“, das sei normal und wenn auch verboten, so doch geduldet gewesen.

„Vielleicht 15 bis 20 Jahre gewinkelt“

Der Pensionist gab zu, dass es Monate gegeben habe, in denen er mit „schwarz Verträge machen“ mehr verdient habe als mit seinem Gerichtsgehalt. Er habe in einem Zeitraum von „vielleicht 15 bis 20 Jahren“ gewinkelt, das sei wie Schwarzarbeit. Als „Motiv“ nannte er das damals geringe Gehalt bei Gericht, man habe nicht einmal eine Familie ernähren können.

Die (illegale) Vorbereitung eines Kaufvertrages für Anwaltskanzleien sei das bessere Geschäft gewesen, für einen Vertrag habe man 300 bis 500 Schilling verlangen können. Manchmal sei auch in Naturalien wie etwa Schnaps bezahlt worden.

Angehörige gaben zu, profitiert zu haben

Auch Angehörige des Hauptangeklagten wurden einvernommen. Diese zeigten sich geständig, von den Testamentsfälschungen von Jürgen H. jeweils einmal profitiert zu haben. Einer der Angehörigen sagte, er sei von einer Einzeltäterschaft des Jürgen H. ausgegangen: „Ich habe von anderen Beteiligten nichts gewusst.“ Es sei nicht richtig, was er gemacht habe, gestand der Mann ein.

„Sauerei, was ich getan habe“

Auch der jüngere Bruder des Hauptangeklagten, der einmal von einer Erbschaft profitierte, stand am dritten Prozesstag vor Gericht.: „Es war schon eine Sauerei, was ich getan habe“, zeigte er sich geständig. Der 40-Jährige schilderte, wie er als Altenpfleger in einem Seniorenheim schwer kranke, vermögende und meist demente Pensionisten zwecks „Umleitung von Testamenten“ ausgekundschaftet hatte.

Jürgen H. habe ihm angeboten, da mitzumachen. Er habe sich in mehreren Fällen Reisepässe und Personalausweise der Auserwählten unter den Nagel gerissen, um mit den Daten Testamente zu manipulieren. Die dementen Seniorenheimbewohner wurden als „Zwischenstation“ eingesetzt, damit der Schwindel nicht zu offensichtlich war - mehr dazu in Testamente: Fälschungen meist nach einem Schema. Als Motiv nannte er „den Reiz, es auszuprobieren, aber eher Geldgier“.

Angehörige über Fälschungen im Unklaren gelassen

Am Nachmittag des dritten Prozesstages rund um die Testamentsaffäre wurden zwei weibliche Angehörige des Hauptbeschuldigten Jürgen H. im Landesgericht Salzburg vernommen. Sie sind offenbar über die Fälschungen, die sie betrafen, im Unklaren gelassen worden. „Ich war in der Annahme, dass mein Vater erben würde“, sagte eine 47-jährige nahe Verwandte von Jürgen H.

Eine Schwägerin eines 49-jährigen Angehörigen von Jürgen H. erklärte wiederum, sie sei angelogen worden. Beiden Frauen wurden in jeweils einem manipulierten Verlassenschaftsfall als Scheinerbinnen eingesetzt. Sie bekannten sich schuldig.

Kein Verdacht über weitere Fälschungen geschöpft

Sie habe einmal von Jürgen H. wissen wollen, warum es ihm psychisch schlecht gehe. „Er hat mich im Glauben gelassen, es war wegen der Schwarzarbeit. Er sagte, er habe das Gefühl, dass man deswegen recherchiere“, erzählte die nahe Verwandte. Der im Jahr 2008 verstorbene Rechtsanwalt habe in ihrem Fall das Testament abgewickelt, sie habe sich als Erbin eintragen lassen. Verdacht geschöpft, dass das nicht die einzige Fälschung sei, habe sie nicht. „Ich habe auch nicht gehört, dass auch andere Personen daran beteiligt sind.“

Schwägerin: Durch Gutgläubigkeit hineingeschlittert

Die Schwägerin des 49-jährigen Angehörigen von Jürgen H. verbarg ihre Enttäuschung nicht: Hineingeschlittert in die Causa sei sie durch ihre Gutgläubigkeit, so die Angestellte. „Ich bin belogen worden.“ Sie sei ein Mensch, der zu wenig denke, „oder zu viel mit dem Herzen“. Vor Auffliegen des Skandals habe sie nichts über mögliche andere Beteiligte gewusst.

158 Geschädigte sind bekannt

Im „Testamentsfälscher“-Prozess sind insgesamt zehn Personen angeklagt, darunter fünf Justizbedienstete. Sie sollen von 2001 bis 2008 in 18 Verlassenschaftsverfahren 16 Testamente und zwei Schenkungsverträge manipuliert oder dazu beigetragen haben, sich und Angehörige zu bereichern. Der Gesamtschaden beträgt mindestens zehn Millionen Euro, 158 Geschädigte sind bekannt. Im Falle eines Schuldspruchs drohen bis zu 15 Jahre Haft.

Am Montag, 24. April, geht der Prozess am Landesgericht Salzburg weiter, dann soll Einzelfall um Einzelfall aufgerollt werden.

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