Lins: Kaum große, konstruktive Erfolge

Die Möglichkeiten der Naturschutzanwaltschaft in Behördenverfahren sind begrenzt. Ihre Aufgabe lasse daher nur wenige Erfolgserlebnisse zu, sagt Naturschutzanwältin Katharina Lins im Samstagsinterview.

Frau Lins, Sie sind seit mehr als 20 Jahren Naturschutzanwältin in Vorarlberg und damit die längstdienende Naturschutzanwältin in ganz Österreich. Gibt es in dieser Zeit einen Fall, über den Sie sagen: Es ist gelungen, die Interessen des Naturschutzes besonders effektiv und gut zu vertreten?

Lins: Mein Job ist eigentlich nicht so konstruiert, dass man große, konstruktive Erfolge feiern kann. Es ist manchmal schon ein Gewinn, wenn man zu einer kleinen, besseren Lösung beitragen kann oder dazu beitragen kann, dass eine schlechte Lösung nicht kommt.

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Audio: Katharina Lins im Gespräch mit Peter Metzler

Gibt es ein positives Beispiel, das sie nennen könnten in diesem Zusammenhang - wo es vielleicht gelungen ist, doch eine gewisse Änderung zu erreichen?

Lins: Zum Beispiel wollte man bei der Skigebietsverbindung Mellau-Damüls auch noch einen Berghang abtragen und eine Deponie in einem Moorgebiet machen - also dieses Material dort ablagern. Dann ist mir zum Glück eingefallen, dass ich im Abfallrecht Parteistellung habe, im Naturschutzgesetz ja nicht. Und ich habe eine Beschwerde gemacht und die Gesellschaft hat eine andere Lösung gefunden - mit diesem Tunnel, dass es doch wesentlich weniger Geländeeingriffe gab. Und rückblickend sind sie mir wahrscheinlich sogar dankbar, weil sich herausgestellt hat, das wäre geologisch extrem schwierig geworden und extrem teuer, diese ursprüngliche Lösung.

Katharina Lins Naturschutzanwältin

Naturschutzanwaltschaft Vorarlberg

Naturschutzanwältin Katharina Lins

Die Gegensätze von Naturschutz und Wirtschaft werden besonders deutlich im Tourismus. Vor 20 Jahren gab es keine Skigebietsverbindung Mellau-Damüls, es gab keine Skigebietsverbindung Warth-Lech oder Lech-St. Anton. Müssen Sie diese Entscheidung als Naturschutzanwältin dann einfach so zur Kenntnis nehmen und sich denken: Ich habe das Beste versucht?

Lins: Formal muss ich es zur Kenntnis nehmen, weil diese Entscheidungen gefallen sind. Aber natürlich versucht man daran zu arbeiten, dass es vielleicht langfristig besser wird. Es hat ja ein Tourismuskonzept gegeben 1992, dass man nicht erweitern möchte, und das hat relativ lange auch so gehalten. Ab Mellau-Damüls war dann so ein bisschen die Tür offen und es sind auch andere Projekte dazugekommen. Aber ich denke, es ist nicht nur ein Gegensatz. Gerade der Tourismus weiß, dass er die schöne Landschaft braucht, dass die Landschaft eigentlich das Kapital ist. Und ich denke, man kann immer noch langfristig daran arbeiten, dass das auch in den einzelnen Entscheidungen bewusst wird, dass man hier besser aufpasst, dass man sich sein Kapital nicht verschleudert mit solchen Baumaßnahmen.

Das jüngste sehr umstrittene Tourismusprojekt ist der Speichersee Schwarzköpfle, ein Projekt der Silvretta Montafon. Da haben die Betreiber schon mit Bauarbeiten angefangen, bevor es überhaupt einen Bescheid gegeben hat. Was sagt uns so etwas allgemein über die Situation: Will da die Behörde nicht hinsehen, wollen die Behörden nicht hinsehen oder wollen beide nicht hinsehen?

Lins: Das könnte alles so sein. Wobei es in diesem Fall ein bisschen anders war. Es hat vorab schon eine Bewilligung für einen Teil der Beschneiungsanlage gegeben. Und dort hat man, nachdem zu erwarten war, dass es positiv (der Bescheid, Anm.) wird, früher begonnen.

Das Projekt wurde dann mit 130 Auflagen genehmigt. Können die Auswirkungen eines Projektes dadurch verhindert oder verringert werden?

Lins: Nein, natürlich nicht. Aber man kann immer etwas besser oder schlechter machen. Auch einen Speicherteich kann man tatsächlich relativ schön begrünen. Man kann ihn nie unsichtbar machen, aber man kann es relativ gut machen oder man kann sehr schlampig arbeiten. Gerade beim Schwarzköpfle hat man das immer so verkauft: Das ist jetzt besonders umweltfreundlich, wegen diesen vielen Auflagen. Das ist eigentlich normal, andere Speicherteiche haben in etwa die gleichen Auflagen.

Was würden Sie sagen: Was hat sich in den Gebieten - Mellau-Damüls oder im Auenfeld in Warth - durch den Bau dieser Lifttrassen, durch den Bau dieser Verbindungen geändert?

Lins: Es ist quantitativ schwer festzumachen. Was man klar sieht, ist, dass sich der Charakter, das Bild der Landschaft verändert hat. Also gerade das Auenfeld war noch eine relativ unverbaute Landschaftskammer - von zwei Liften in Richtung Lech abgesehen. Und dort ändert sich natürlich der Charakter, wenn man durch die Landschaft wandert und man immer diese technischen Anlagen vor der Nase hat.

Ein heißes Thema ist derzeit in Österreich allgemein und auch in Vorarlberg die Beteiligung der Öffentlichkeit an Genehmigungsverfahren. Beim Bescheid für den Schwarzköpfle-Speichersee wurde die sogenannte Aarhus-Konvention zum ersten Mal offensichtlich angewendet, jedenfalls formal. Bedeutet diese Konvention, dass in Zukunft einige wenige Bürger auch ein großes Projekt verhindern können?

Lins: Es bedeute sicher, dass mehr Bürger mitsprechen können als jetzt. Und es ist eigentlich längst klar, dass das umgesetzt werden muss. Österreich hat sich hier sehr viel Zeit gelassen mit der Umsetzung - und die Bundesländer sowieso. Aber sie wissen schon, man kommt nicht daran vorbei, die Öffentlichkeit muss beteiligt werden. Das geht aber nicht so weit, dass jeder überall Mitspracherecht hat, sondern die Konvention sieht gewisse Spielregeln vor. Und das muss national noch ausdefiniert werden.

Drohen dadurch aus Sicht der Wirtschaft die Verfahren verlängert zu werden?

Lins: Ja. Man könnte auch sagen: Sie versprechen, besser zu werden. Aber es besteht eine Möglichkeit. Ich würde es allerdings nicht überbewerten, weil schon jetzt schwierige Verfahren sehr lange dauern. Auch ohne Beschwerderecht der Naturschutzanwältin, ohne Beschwerderecht der Naturschutzorganisationen, ist es nun mal so, dass manche Projekte schwierig sind und sich sehr lange hinziehen.

Könnte diese Konvention dann auch ein neues S18-Verfahren möglicherweise noch weiter in die Länge ziehen, weil da eine breitere Öffentlichkeit einbezogen wird und möglicherweise auch Parteistellung hätte?

Lins: Ja. Gerade das S18-Verfahren wird sowieso sehr lange dauern, weil auch wir dort Parteistellung haben. Ich denke, oft macht das auch keinen Unterschied mehr.

Das Gespräch führte Peter Metzler, ORF Vorarlberg