Rauch: „Habe überlegt, alles hinzuschmeißen“

Die Vorarlberger Grünen haben am Dienstag Stellung zur verheerenden Niederlage ihrer Partei in der Nationalratswahl genommen. Grünen-Landessprecher Johannes Rauch sagte, er habe am Sonntag „kurz überlegt, alles hinzuschmeißen“.

Auch wenn die Auszählung der Briefwahlkarten am Montag den Vorarlberger Grünen 0,8 Prozent Zuwachs brachte - mehr dazu in Briefwähler bringen Grünen 0,8 Prozent -, sind die Verluste landes- und bundesweit doch massiv. Und zwar derart, dass der Einzug in den Nationalrat wohl nicht gelingen wird. Der Schock über das Ergebnis saß bei den Grünen im Land so tief, dass sie erst einmal auf Tauchstation gingen - mehr dazu in Vorarlberger Grüne legen Sendepause ein.

Johannes Rauch

ORF

Rauch spricht von „Fundamentalschaden“

Dienstagvormittag nahmen die Grünen dann in einer Pressekonferenz Stellung. Rauch zeigte sich dabei sehr emotional. Er habe sich am Sonntag kurz überlegt, alles hinzuschmeißen. Denn er habe 30 Jahre seines Lebens in die Grünen investiert, und nun habe dieses Projekt einen Fundamentalschaden erlitten.

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Audio: Grünen-Landessprecher Johannes Rauch zur Wahlniederlage der Grünen

Er habe einen totalen Zorn gehabt, sei enttäuscht, frustriert und traurig gewesen, so Rauch. Auch Überlegungen wie „Warum hat Pilz, der Trottel, selber kandidieren müssen?“, seien in ihm hochgekommen. Diese Phase des „Angepisst-Seins“ sei aber nun vorbei.

Am Montag habe er nun gemerkt, er habe die Energie, etwas Neues daraus zu machen. Die Situation sei jetzt einfach so, und man müsse den Blick wieder nach vorne richten. Es werde aber extrem viel Aufwand sein, die Grünen neu aufzubauen, war sich Rauch bewusst.

Neuaufstellung aus Sicht von Rauch notwendig

„Wenn dir die Hütte einstürzt, kannst du nicht so tun, als könntest du noch darin wohnen“, machte Rauch die Notwendigkeit einer Neuaufstellung der Partei deutlich. Klar sei, dass das Ausscheiden aus dem Nationalrat eine Zäsur sei. Es werde bei den Grünen nichts mehr so sein, wie es gewesen sei. Um „den Laden neu aufzustellen“, brauche man Zeit.

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Nach dem Debakel bei der Nationalratswahl sind die Grünen in eine Art Schockstarre verfallen. Der Chef der Vorarlberger Grünen, Johannes Rauch, hat am Dienstag eine komplette Neuorganisation der Grünen angekündigt.

Selbstkritische Sichtweise

Die Ursachen für das Wahlfiasko sah Rauch in erster Linie bei den Grünen selbst und nannte neben dem Streit mit den Jungen Grünen den Abgang von Ex-Bundessprecherin Eva Glawischnig und die „Nichtwahl“ von Peter Pilz auf die Bundesliste der Partei. Es gebe aber andere strukturelle und inhaltliche Probleme innerhalb der Ökopartei, „die reichen weiter zurück“, stellte Rauch klar.

Da gelte es, schonungslos hinzuschauen und aufzuarbeiten, und zwar nicht nur im Bund, sondern auch in den Ländern. „Wenn es ein Erdbeben in dieser Größe gibt, müssen sich alle infrage stellen“, zeigte sich der Landessprecher überzeugt. Darüber könne ihn auch das Wahlergebnis in Vorarlberg nicht hinwegtrösten.

Neuorganisation angedacht

Wie es genau weitergehe, sei noch offen, Rauch sprach allerdings inhaltlich und strukturell von einer „De-facto-Neugründung“ der Partei. Vorstellungen habe er schon sehr konkrete. Einen Bundeskongress, Vorstand und erweiterten Vorstand werde es demgemäß in dieser Form nicht mehr geben. Auch die innerparteiliche Demokratie wird, wenn es nach ihm geht, „vollständig anders organisiert“.

„Wo bisher Funktionäre entschieden haben, werden weitgehend Bürger entscheiden“, führte Rauch seine Idee aus. Die Frage, ob eine Situation wie die Abwahl Pilz’ in Zukunft auch möglich sein wird, beantwortete Rauch mit einem klaren Nein.

„Entscheidungsfindungen über Länder“

In einer ersten Phase würden nun die Länder und Gemeinden den „allergrößten Teil“ der Verantwortung innerhalb der Grünen übernehmen. „Entscheidungsfindungen werden über die Länder laufen, ebenso wie politische Weichenstellungen“, präzisierte Rauch. Eine „One-Leader-Show“ werde es in absehbarer Zeit nicht geben.

Zugute käme der Partei, dass die Grünen in über 30 Jahren intakte Strukturen in den Ländern und Gemeinden aufgebaut hätten und auch vor allem die Landesorganisationen mit Regierungsparteien seit Jahren einen intensiven Austausch pflegten. Zunächst sei aber nun die Auflösung des Parlamentsklubs (bis zur Angelobung des neuen Nationalrats am 9. November) und der Bundespartei (bis zum Ende des Jahres) mit Anstand und Würde abzuwickeln.

„Ein Batzen Schulden“

Leicht werde das nicht, „die Grünen sitzen auf einem Batzen Schulden“. Allein aus dem Bundespräsidentschaftswahlkampf resultierten drei Mio. Euro. Auch die Vorarlberger Grünen würden ihren Beitrag leisten müssen, „man kann ja nicht davonlaufen, wie das Kind vor dem Dreck“, verdeutlichte Rauch. Allerdings gelte es, noch zahlreiche rechtliche Fragen zu klären. Man habe im Bund eine „Sanierungstruppe“ installiert, die sich um diese Fragen kümmere.

Rauch sieht Krise als Chance

In einer zweiten Phase werde man sich dann der Vorbereitung auf die Landtagswahlen in Niederösterreich, Salzburg, Kärnten und Tirol widmen. „Diese werden maßgeblich darüber entscheiden, ob die Neuaufstellung gelungen ist und die Grünen wieder zu ihrer Stärke zurückfinden“, prophezeite der Vorarlberger Grünen-Chef.

„Bei aller Katastrophe“ bezeichnete Rauch die derzeitige Situation auch als Chance, „jenen Erneuerungsprozess - zwar nicht ganz freiwillig - hinzubekommen, der längst angestanden ist“. Er sei optimistisch, was das anbelange, und überzeugt, dass die Grünen „aus der existenziellen Krise gestärkt hervorgehen und nicht von der Bildfläche verschwinden“. Der Weg werde aber ein harter und langer sein.

Felipe und Lunacek zurückgetreten

Zu möglichen personellen Konsequenzen meinte Rauch: „Wenn auf Bundesebene Personen und Verantwortungsträgerinnen zur Disposition stehen, dann wird das auch in den Ländern so sein.“ Da nehme er sich nicht aus, auch er habe einen Teil der Verantwortung zu tragen - in welcher Form auch immer.

Auf Bundesebene haben die Grünen am Dienstag bereits die Konsequenzen aus dem Wahldebakel gezogen: Sowohl die als Spitzenkandidatin angetretene Ulrike Lunacek als auch Bundessprecherin Ingrid Felipe gaben am Dienstag ihren Rücktritt bekannt - mehr zu in Grünen-Chefin Felipe erklärt Rücktritt (news.ORF.at, 17.10.2017).

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