Gemeinden profitieren von sinkenden Zinsen

Vorarlbergs Gemeinden ersparen sich derzeit bis zu 20 Millionen Euro im Jahr an Rückzahlungen. Grund ist die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank, die Kredite günstiger macht. Die Gesamtverschuldung ist dennoch gestiegen.

Im Jahr 2008 startet die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Niedrigzinspolitik, die Bankkredite immer günstiger macht. So sank die jährliche Zinsbelastung von damals fast 25 Millionen auf aktuell nur noch neun Millionen Euro.

Die Gesamtverschuldung aller Vorarlberger Gemeinden stieg im selben Zeitraum von 640 Millionen auf heute knapp 700 Millionen Euro deutlich an. Tendenz: steigend. Sollte die EZB ihre aktuelle Niedrigzinspolitik aufgeben, könnte es für etliche Gemeinden eng werden.

Vor allem kleinere Gemeinden profitieren

Laut Österreichischem Gemeindebund profitieren vor allem die kleineren Gemeinden von der seit etwa acht Jahren stetigen Absenkung des Leitzinssatzes, da diese nämlich primär Kredite mit variablen Zinssätzen aufgenommen haben - im Vergleich mit den größeren Städten, die mehr fix verzinste Darlehen zu bedienen haben.

Der durchschnittliche Zinssatz, den Vorarlberger Gemeinden zu zahlen haben, lag laut Gemeindebund im Jahr 2008 noch bei 3,84 Prozent, heute liegt er bei nur noch 1,37 Prozent.

Stadt Dornbirn: Ersparnis von 63 Prozent

Wie hoch die Zinsersparnis im Detail ist, zeigt das Beispiel Dornbirn: Vorarlbergs größte Stadt hat derzeit auch die meisten Schulden. Laut Bürgermeisterin Andrea Kaufmann (ÖVP) lag die jährliche Zinsbelastung im Jahr 2008 noch bei 4,1 Millionen Euro, heute sind es nur noch 1,5 Millionen - eine Ersparnis von rund 63 Prozent. Parallel dazu jedoch stiegen die Gesamtschulden von 122 Millionen auf aktuell 142 Millionen Euro.

Dass die aus den Zinsen frei gewordenen Millionen nicht zur Tilgung von Schulden verwendet wurden, begründet Kaufmann damit, dass Geld noch nie so günstig gewesen sei wie heute. Also habe man die Mittel für dringend nötige aber lange aufgeschobene Investitionen verwendet, insbesondere für Kindergärten und den Bildungsbereich. Zuletzt habe Dornbirn an die 30 Millionen Euro im Jahr investiert.

Beispiel einer kleinen Gemeinde

Ein weiteres Beispiel ist Schröcken, eine der kleinsten Gemeinden in Vorarlberg mit der derzeit höchsten Pro-Kopf-Verschuldung. Dort sank die jährliche Zinsbelastung laut Gemeindekassier Stephan Schwarzmann seit 2008 von 129.000 um rund 58 Prozent auf heute nur noch 55.000 Euro - ebenfalls bei einer Zunahme der Gesamtverschuldung von 3,3 Millionen auf aktuell 5,2 Millionen Euro.

Schröcken habe hauptsächlich in die Infrastruktur, besonders in die Wasserversorgung investiert, so Schwarzmann.

Negativer Trend der Gesamtverschuldung

Nach Angaben von Peter Jäger, Geschäftsführer des Vorarlberger Gemeindeverbandes, ersparen sich aufgrund der Zinspolitik der EZB die Vorarlberger Gemeinden seit längerem schon bis zu 20 Millionen Euro pro Jahr. Dieser positiven Entwicklung stehe aber der negative Trend bei der Gesamtverschuldung der Gemeinden gegenüber.

Denn die ersparten Mittel seien verwendet worden, „um den riesigen Nachholbedarf bei dringend nötigen Investitionen“ zu decken - Bildung, Soziales und Infrastruktur. Lagen die jährlichen Gesamtinvestitionen am Höhepunkt der Wirtschaftskrise noch um die 100 Millionen, seien sie inzwischen auf mehr als 155 Millionen Euro im Jahr gestiegen.

Gleichzeitig müssten die Gemeinden auch seit einiger Zeit - unbeeinflussbar - eine „massive Steigerung der Umlagenbelastungen“ im Bereich von Sozialhilfe, Mindestsicherung, Asylwesen und Gesundheitssystem hinnehmen. Hier steigen laut Jäger die Ausgaben jährlich um teilweise weit über zehn Prozent.

Auswirkungen der Steuerreform

Trotz niedrigstem Zinsniveau rechnet Jäger mit einer weiteren Zunahme der Gemeindeschulden. Zum einen wirke sich die Steuerreform heuer und im nächsten Jahr voll aus - die Ertragsanteile der Gemeinden an den Steuerreinnahmen sinken laut Jäger gegen Null. Zum anderen schwebe der in Verhandlung stehende Finanzausgleich wie ein Damoklesschwert über den Gemeinden.

Der Bund hat laut Jäger dabei bereits signalisiert, dass die Gemeinden künftig weniger erhalten als bisher. Würde die EZB nun von ihrer Politik abweichen und den Leitzinssatz erhöhen, kämen laut Jäger etliche Vorarlberger Gemeinden in ernsthafte Schwierigkeiten.

Andreas Feiertag, ORF Vorarlberg

Link: