Sozialinstitutionen bekämpfen Bettler-Anzeigen

1.038 Strafverfahren sind im letzten Jahr wegen angeblich organisierten oder aggressiven Bettelns angefallen. Die Bezirkshauptmannschaften fordern in Summe rund 33.000 Euro Strafe von Bettlern. Sozialinstitutionen helfen dabei, die Strafbescheide zu bekämpfen.

Fast einen Meter stapeln sich die Strafbescheide wegen angeblich ungesetzlichen Bettelns in der Beratungsstelle Kaplan Bonetti in Dornbirn. Zusammen mit dem Dowas und der Caritas werden viele Bescheide, die noch nicht rechtskräftig sind, bekämpft. Man will verhindern, dass Notreisende ungerechtfertigt bestraft werden. Fallweise mussten auch wegen Uneinbringlichkeit von Bagatell-Geldstrafen Ersatzfreiheitsstrafen im Verwaltungsarrest verbüßen.

Betteln ist ein Menschenrecht und ausdrücklich in Vorarlberg erlaubt. Sozialarbeiter Michael Hämmerle von der Dornbirner Beratungsstelle spricht von fragwürdigen Vorgangsweisen gegen Bettler: „Ich habe persönlich das Gefühl, dass momentan die Taktik gefahren wird: Vertreibung durch Bestrafung.“ Die unscharf formulierten gesetzlichen Möglichkeiten würden bis zum Äußersten ausgenützt.

Polizei spricht von gesellschaftlichem Problem

Man reagiere auf Beschwerden der Bevölkerung, heißt es beispielsweise bei der Stadtpolizei Dornbirn. Geklagt werde über Bettler, die Passanten nachgingen, sich in den Weg stellten und an deren Kleidung zögen. Inwieweit der Tatbestand des aggressiven Bettelns erfüllt ist, bewertet dann die Polizei. Kommandant Hugo Winder geht davon aus, dass es sich um verbotenes organisiertes Betteln handelt, wenn Notreisende im Familienverband aufträten.

Juristen bestreiten das. Hämmerle schildert folgendes Beispiel: Wenn zwei Schwestern und eine Tante aus Rumänien anreisen, ein Zelt teilen und die Bettelerträge teilen, gelte das als organisierte Gruppe. Und die Strafen dafür seien entsprechend hoch.

Erster Fall vor Verfassungsgerichtshof

Der Aufwand der Behörden scheint inzwischen enorm. Auf Strafbescheide folgen Rechtsmittel über mehrere Instanzen. Nach dem Landesverwaltungsgericht ist nun der erste Fall vor dem Verfassungsgerichtshof gelandet. Dort vertritt Menschenrechtsanwalt Ronald Frühwirth eine rumänische Staatsbürgerin. In ihrem Fall wurden laut Frühwirth verfassungsrechtlich garantierte Rechte verletzt, denn u.a. haben Bettler das Recht an öffentlichen Orten auf ihre Not aufmerksam zu machen.

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