Ansturm auf Gerichte und Jugendwohlfahrt

Am 1. Februar tritt das neue Gesetz zur gemeinsamen Obsorge in Kraft. Dann sind Vater und Mutter eines Kindes automatisch gleichberechtigt. Vor allem die Jugendwohlfahrt befürchtet, für den Ansturm an Streitfällen nicht gewappnet zu sein.

Bisher blieben die meisten Kinder nach der Scheidung bei der Mutter. Bei strittigen Scheidungen klagten vor allem Väter nach der Trennung über gesellschaftliche Ungerechtigkeiten. Es wird erwartet, dass nun viele Väter mit dem neuen Gesetz eine Chance sehen, um ihren Fall neu aufrollen.

Bei strittigen Scheidungen hole sich das Gericht eine Einschätzung der Jugendwohlfahrt, um noch einmal zu versuchen, einen Konsens herzustellen, sagt Reinhard Huter, Familienrichter am Bezirksgericht Feldkirch. Für die Jugendwohlfahrt bedeute das eine Riesenbelastung, sagt Leiter Werner Grabher. Die Zahl der Fälle werde steigen.

Jugendwohlfahrt sieht sich zwischen allen Stühlen

Bei der Jugendwohlfahrt rechnet man damit, dass Mitarbeiter in große Konflikte geraten. Etwa bei der Regelung des Besuchsrechtes. Da müsse die Jugendwohlfahrt ihren Standpunkt untermauern, wenn sie einem der Betroffenen das Besuchsrecht zuspreche. Die Jugendwohlfahrt werde dann dafür verantwortlich gemacht. Das erschwere den weiteren Zugang zu den Betroffenen, meint Grabher.

Ausbau der Familiengerichtshilfe

Seit einem Jahr gibt es das Projekt „Familiengerichtshilfe“ an vier österreichischen Standorten. Geschulte Sozialarbeiter und Psychologen sollen die Verfahrensdauer der Obsorge- und Besuchsrechtsstreitigkeiten verkürzen, die Konflikte zwischen Richter und Jugendwohlfahrt entschärfen und damit die Qualität und Nachhaltigkeit der gerichtlichen Verfahren verbessern. Grabher plädiert dafür, dass diese Familiengerichtshilfe umgehend personell und finanziell ausgebaut wird.

Erste Familiengerichtshelfer ab Jahresmitte

Tatsächlich hinkt der Gesetzgeber mit der Einrichtung dieser Stellen hinten nach. Aber bis Mitte des Jahres, schätzt Landesgerichtspräsident Heinz Bildstein, sollten in Bregenz und/oder Feldkirch die ersten Familiengerichtshelfer eingesetzt werden. Eine zusätzliche Richterstelle sei bereits genehmigt.