Mord: Lebenslang für Cains Peiniger

Der Angeklagte im Prozess um den Tod des dreijährigen Cain aus Bregenz hat die Höchststrafe erhalten. Er wurde am Landesgericht Feldkirch - nicht rechtskräftig - zu lebenslanger Haft wegen Mordes verurteilt. Zudem wird der 27-Jährige in eine Anstalt für psychisch abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Die Schilderungen über das Martyrium des kleinen Cain berührten viele im Gerichtssaal sichtlich - vor allem die Ausführungen von Gerichtsmediziner Walter Rabl sorgten für Tränen bei vielen Anwesenden. Die Bilder des toten, schwer misshandelten Kindes nahmen auch mehrere Geschworene sichtlich mit. Die Geschworenen sahen es dann nach knapp zweistündiger Beratung einstimmig als erwiesen an, dass der 27-Jährige durch seine Schläge den dreijährigen Cain im Jänner 2011 vorsätzlich getötet hat. Verteidiger Edgar Veith meldete Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an, das Urteil ist damit nicht rechtskräftig.

Trauerschmerzengeld für Bruder und Vater

Als mildernd wurden dem 27-Jährigen sein eingeschränktes Geständnis sowie seine verminderte Zurechnungsfähigkeit zugestanden, erschwerend wirkte sich laut Richter Norbert Melter seine „brutale Vorgehensweise“ aus. Hinzu komme die Tatwiederholung, der Angeklagte hatte das Kind an zwei aufeinander folgenden Tagen misshandelt. In Anbetracht der Grausamkeit der Tat sei das Gericht zur Erkenntnis gekommen, dass die Höchststrafe zu verhängen sei, so Melter in seiner Urteilsbegründung.

Den Privatbeteiligten - dem Kindsvater und dem älteren Bruder von Cain - wurde wie gefordert Trauerschmerzengeld in Höhe von 100 Euro bzw. 25.000 Euro zugesprochen. Dem Vater war es nur um einen symbolischen Betrag gegangen.

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Audio: Tarja Prüss hat Reaktionen auf den Prozess zusammengefasst.

Staatsanwalt Siegele

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Staatsanwalt Wilfried Siegele

Staatsanwalt plädierte auf Mord

Staatsanwalt Siegele sagte nach Urteil, er habe während des Prozesses nie daran gezweifelt, dass der Angeklagte die Höchststrafe bekomme. Er sah es als erwiesen an, dass der dreijährige Cain „erschlagen und nicht geschlagen wurde“, sagte Siegele in seinem Schlussplädoyer. Er berief sich auf die Berichte des Gerichtsmediziners Walter Rabl und des Psychiaters Reinhard Haller. Der Tod Cains sei durch die „brutalen und unmenschlichen“ Schläge des Angeklagten eingetreten.

Am Freitag sei einer der brutalsten Fälle in seiner Zeit als Staatsanwalt verhandelt worden, so Siegele. Die Staatsanwaltschaft gehe von Mord aus, hatte Siegele bereits zum Prozessauftakt erklärt: „Wer so fest auf ein Kind einschlägt, muss es ernstlich für möglich halten, dass das Kind stirbt.“

Veith bekräftigt: „Es lag keine Tötungsabsicht vor“

Der Verteidiger des Angeklagten, Edgar Veith, sagte nach dem Urteil, das gerichtsmedizinische Gutachten sei wohl für den ohnehin sehr emotionalen Prozess entscheidend gewesen. Hinzu komme, dass Staatsanwalt Siegele den Geschworenen vor ihrer Beratung Fotos des misshandelten Kindes vorgelegt habe, die Veith selbst sehr mitgenommen hätten. In seinem Schlussplädoyer hatte der Anwalt gesagt, dass seiner Ansicht nach keine Tötungsabsicht des Angeklagten vorliege. Der 27-Jährige habe nie ein Kind töten wollen und wünschte, sein Handeln rückgängig machen zu können. Er habe ja auch die Rettung gerufen.

Edgar Veith

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Der Verteidiger des Angeklagten, Edgar Veith

Zudem hätte der Angeklagte die Kinder gut versorgen wollen und habe der Kindsmutter vorgeworfen, sich nicht richtig um ihre Söhne zu kümmern. Diese habe die Kinder vernachlässigt und oft unbeaufsichtigt gelassen. Außerdem sei die Frau nicht glaubwürdig und habe unter anderem der Rettung falsche Angaben gemacht. Sie habe Drogen genommen und nicht die Notwendigkeit gesehen, das Kind ärztlich zu versorgen oder es zu pflegen.

Bereits zum Prozessauftakt hatte Veith erklärt, sein Mandant sei suizidgefährdet. Vor Gericht hatte er erneut die Zuverlässigkeit des psychiatrischen Gutachtens bezweifelt und Psychiater Haller Befangenheit vorgeworfen. Zudem verlas Veith seine schriftlich eingebrachten Anträge. Er glaube, dass die Einvernahme der Mutter von Cain für das Verfahren unerlässlich sei, erklärte der Anwalt. Alle Beweisanträge wurden abgewiesen.

Angeklagter wollte Cain „erziehen“

Das letzte Wort vor der Beratung der Geschworenen hatte der Angeklagte: Er habe nie darüber nachgedacht, dass Cain unter seinen Schlägen sterben könnte, sagte der 27-Jährige. Er habe zwar gemerkt, dass es falsch sei, habe aber gedacht: „Das gehört sich so.“ Die Schmerzen Cains habe er nicht gesehen, sagte der Angeklagte unter Tränen. Er träume jede Nacht von den Obduktionsbildern, die er durchaus gesehen habe. Der mutmaßliche Täter, damals 25 Jahre alt und Frühpensionist, hatte am 7. und 8. Jänner 2011 in der Wohnung auf den kleinen Cain und den sechsjährigen Bruder aufgepasst, während die Mutter bei der Arbeit war.

Der mutmaßliche Täter im Mordprozess Cain verbirgt sein Gesicht

APA/Dietmar Stiplovsek

Der Angeklagte beim Prozessauftakt

Er gab vor Gericht zu, den dreijährigen Cain an beiden Tagen mit der Hand und mit einem Besenstiel geschlagen zu haben, um ihn zu erziehen. Am 7. Jänner sollte der Bub dafür bestraft werden, dass er in die Küche gegangen war und sich ein Joghurt genommen hatte, obwohl es ihm verboten war. Daraufhin habe der Angeklagte den Buben zunächst mit der flachen Hand auf den Po geschlagen. Nachdem er kein Weinen von Cain gehört habe, habe er ihn zehn- bis 20-mal mit dem Besenstiel auf den nackten Po gezüchtigt.

Einen Tag später habe er Cain erneut geschlagen, nachdem er eine Lampe beschädigt haben soll. Er habe den Buben erneut mit dem Besenstiel gezüchtigt. Anschließend habe der Angeklagte blaue Flecken und eine gesundheitliche Beeinträchtigung bei dem Buben bemerkt. Er habe kein Wasser mehr trinken können. Dann soll der Angeklagte die Rettung verständigt haben und geflüchtet sein. Das Notarztteam fand ein regloses Kind vor, Reanimationsversuche blieben erfolglos - mehr dazu in Was vor dem Prozess geschah und Angeklagter bekennt sich nicht schuldig.

Aussage der Mutter wurde verlesen

Am Freitagnachmittag wurde die schriftliche Aussage der Mutter vorgelesen. Die Mutter hatte darin angegeben, dass der Angeklagte vor dem Tatzeitpunkt immer wieder sie selbst, Cain sowie seinen heute siebenjährigen Bruder geschlagen habe. Aus diesem Grund sei es immer wieder zu Streitigkeiten und sogar zu kurzzeitigen Trennungen gekommen. Sie selbst habe ihre Kinder nicht geschlagen. Nachdem der Angeklagte ihre Söhne am 5. Jänner wieder geschlagen habe, habe sie überlegt, in eine Frauennotwohnung zu gehen, habe dann aber entschieden, das Wochenende noch abzuwarten.

Am 8. Jänner habe sie dunkelrote Flecken im Gesicht von Cain und offene Hautstellen an seinem Gesäß bemerkt. Er habe nicht über Schmerzen geklagt, sie habe aber bemerkt, dass ihm das Hinsetzen Schmerzen bereitet habe. Sie habe aber nicht daran gedacht, dass er innere Verletzungen haben könnte und habe gehofft, dass die Wunden von selbst heilen. Weiter erklärte die Mutter, sie habe sich nicht getraut, die Wunden ärztlich versorgen zu lassen, da sie sich vor der Konfrontation mit dem Angeklagten scheute. Außerdem habe sie Angst vor einer Schuldzuweisung durch die Ärzte gehabt. Sie habe das Kind in ihr Bett gelegt, wo es einschlief.

Nachdem sie der Angeklagte zur Arbeit gebracht hatte, habe sich der 27-Jährige bei ihr gemeldet und ihr weinend mitgeteilt, dass er die Rettung geholt hätte, weil Cain nicht mehr habe atmen können. Zudem habe er sie gebeten, niemanden zu sagen, dass er in der Wohnung gewesen sei. Im Krankenhaus habe man ihr mitgeteilt, dass Cain verstorben sei. Sein Bruder habe ihr daraufhin gesagt, dass der Angeklagte Cain mit einem Besenstiel geschlagen habe.

„Eine einzige Trümmerzone“

Der Gerichtsmediziner Walter Rabl, der die Obduktion an Cain durchgeführt hat, sagte, er sei in seiner 30-jährigen Karriere noch nie auf einen derartigen Befund gestoßen. Das Verletzungsmuster beweise eine „schwerste Misshandlung“. Das Kind habe schwere Kopfverletzungen und eine Art Schütteltrauma erlitten, wie er es bisher nur nach Verkehrsunfällen gesehen habe.

Walter Rabl

Dietmar Mathis

Gerichtsmediziner Walter Rabl

Der letzte Tag von Cain müsse angesichts der Schmerzen „qualvoll“ gewesen sein, sagte Rabl auf eine entsprechende Frage von Staatsanwalt Siegele. Beide Gesäßhälften und Oberschenkel des Dreijährigen seien „eine einzige Trümmerzone gewesen“, so der Gerichtsmediziner. Auch im Gehirn habe es Einblutungen gegeben, wie sie bei einer extremen Beschleunigung des Kopfes entstünden.

Cain sei letztlich aus einer Kombination aus Blutverlust und Quetschungen gestorben, die er etwa einen Tag vor seinem Tod erlitten haben muss. Der Zeitpunkt lasse sich aber nicht exakt angeben. Die Art der Schläge passe zu den Ausführungen des Angeklagten, jedoch nicht die Anzahl der Schläge. Ein Sturz sei auszuschließen, so Rabl. Mehr zu den Aussagen von Gerichtsmediziner Rabl in Gerichtsmediziner: „Schwerste Misshandlungen“.

Haller: „Angeklagter ist zurechnungsfähig“

Gerichtspsychiater Reinhard Haller gab an, dass er nach zahlreichen Untersuchungen des Angeklagten und Sicht der medizinischen Unterlagen zu dem Schluss gelangt sei, dass der 27-Jährige mehrere schwere Persönlichkeitsstörungen aufweise. Allerdings sei seine Zurechnungsfähigkeit dadurch nicht eingeschränkt worden, so Haller weiter. Zum Tatzeitpunkt sei der Angeklagte außerdem in keinem schweren Drogenrausch gewesen.

Prozess Cain Haller

Dietmar Mathis

Gerichtspsychiater Reinhard Haller

Eine Schwachsinnigkeit könne man bei dem 27-Jährigen auch nicht feststellen, sagte Haller. Der Mann habe eine Pflichtschule und eine Lehre abgeschlossen. Das spreche dagegen. Noch sei der Mann schizophren oder manisch-depressiv. Allerdings weise er einige Störungen auf, die auf sein Steuerungsvermögen einwirken: Dazu gehört der Drogenmissbrauch, seine Muskelerkrankung, die bei ihm eine Art Verbitterung ausgelöst habe, die medikamentöse Behandlung, eine Drogentherapie 2007/2008 in Serbien, die sehr brutal abgelaufen sein dürfte und ein Unfall im Jahr 2009.

Haller geht davon aus, dass der Angeklagte wieder rückfällig werden könnte, da bisherige Therapien nicht erfolgreich gewesen seien. Er fordert daher die Einweisung in eine Anstalt für psychisch abnorme Rechtsbrecher.
Mehr zu Hallers Gutachten in Haller: Negative Zukunftsprognose für Angeklagten.