Eugen Drewermann: „Vertrauen durch Güte“

Der ehemalige römisch-katholische Priester, Theologe, Schriftsteller und Psychoanalytiker Eugen Drewermann spricht in der aktuellen „Focus“-Sendung über „Vertrauen durch Güte – statt kalter Gerechtigkeit“.

Da wachsen Kinder auf an Fensterstufen,
die immer in demselben Schatten sind,
und wissen nicht, daß draußen Blumen rufen
zu einem Tag voll Weite, Glück und Wind –
und müssen Kind sein und sind traurig Kind.

Rainer Maria Rilke
(aus: „Denn, Herr, die großen Städte sind“)

Sendungshinweis

„Focus" – Themen fürs Leben bei ORF Radio Vorarlberg
Samstag, 20. April, 13.00 - 14.00 Uhr

Man stelle sich vor: Ein Kind kommt mit all den Widersprüchen, in die es hineingeboren wird, zur Welt und wird für seine Eltern zur Belastung. Es kann Arbeitslosigkeit sein. Man muss sparen, es ist kein Geld da, aber ein offener Mund, der Nahrung braucht. Ein solcher Mitbewohner kann durch die Ansprüche, die er stellt, sehr lästig werden. Und es gräbt sich in die Seele eines sensiblen Kindes ein, das später den Satz formuliert: „Meine Eltern hätten es ohne mich leichter; alles wäre besser.“

Die Sendung zum Nachhören:

Man begreift sich selber schuldig – über die Tatsache, überhaupt zu existieren. So verwebt Eugen Drewermann Rilkes Gedicht „Denn, Herr, die großen Städte sind“ aus dem Jahr 1903 mit der Wirklichkeit, wie sie auch heute noch geschehen kann.

Mit Literatur gespickter Vortrag

Eugen Drewermann zitiert in seinem Vortrag (wie immer auswendig) Weltliteratur – so auch Verse von Rainer Maria Rilke. Und er fragt in Richtung seines Publikums im bis auf den letzten Platz besetzten Festsaal der Arbeiterkammer Feldkirch: Wie viele Menschen kennen wir, deren Schicksal so verhängt scheint, wie sie Rilke beschreibt?

Eugen Drewermann

Lucas Wirl

Eugen Drewermann: „Pflichttreu, stehend zu dem Gewordenen, unentrinnbar in der Verantwortung und dennoch wie ausgemergelt, ausgezehrt, in permanenter Unterdrückung eigener Wünsche, die nie über die Lippen kommen durften, ein verlorenes Leben, dessen Ende wie im Wartezustand fast vorweggenommen wünschbar wird.“

Umgang mit Leben und Tod

Mit Blick auf die Karwoche kommen Erlösung, Tod und Auferstehung in eine verdichtete Nachbarschaft: In der Liebe und dem Tod, den zwei wichtigen Lebensthemen, spiegelt sich das menschliche Leben wider und es stellt sich die Frage, wie wir damit in unserem Alltag umgehen.

Eugen Drewermann betont, Jesus sei in diese Welt gekommen, um gerade mit solchen Menschen des Unheils zu sprechen. Im Lukas-Evangelium ist dies in dem Satz zusammengefasst: „Kommt zu mir, alle die ihr überfordert und niedergedrückt seid. Ich möchte euer Leben leicht machen.“

Es gehe darum, heil zu machen, was zerbrochen ist. Wie man die Ketten loswird, indem man das Leben nochmals an- und aufgreift, in einem Selbstvertrauen und dem Empfinden nicht verkehrt zu sein.

Literatur zur Sendung:

  • Eugen Drewermann, „Wendepunkte. Oder: Was eigentlich besagt das Christentum?“ (Patmos-Verlag)