Friedrich Schorlemmer über Geiz und Gier

Der Theologe, Friedensaktivist und Buchautor Friedrich W. Schorlemmer spricht in der Focus-Sendung von Johannes Schmidle über die Gier, den Geiz und das Glück - und darüber, „warum Geiz nicht geil ist“.

Wer ganz viel hat, ist in der Gefahr, nie genug zu bekommen, sagt Friedrich Schorlemmer. Wer noch nie richtig viel hatte, weiß gar nicht, was die Gier mit ihm machen kann. Es sei wie mit der Macht, meint Schorlemmer. "Manche Menschen erkennst du nicht wieder“ und er zitiert Sophokles: „Beurteile nie einen Menschen, du habest ihn denn vier Jahre in einem Regierungsamte gesehen“.

Gier und Geiz als zweite Todsünde

Die Gier sei nicht umsonst die zweite Todsünde, die erste sei die Selbstüberschätzung, sagt Schorlemmer. „Ich will keine Steine schmeißen", betont der Theologe und meint an seine Zuhörer gewandt: „Wenn sie Chef würden - in ihnen steckt wie in mir übrigens auch, wovon sie viel haben, haben sie die Angst, das zu verlieren. Diese Angst ist leider ziemlich groß.“

Er habe schon viele Reiche und sehr großzügige Reiche erlebt, die es als Glück erfahren haben, bei bestimmten Dingen helfen zu können. Er habe aber auch schon peinlich gierige und geizige Menschen erlebt.

Ist Geiz geil?

Der Werbespruch „Geiz ist geil“ meine, du nimmst das Billigste und schaust nicht nach, wo dein T-Shirt produziert wurde. Wenn Geiz geil ist, geht das gesellschaftliche Gefüge verloren, sagt Schorlemmer.

Er komme aus einer Gesellschaft des real existierenden Sozialismus, die ehemalige DDR, die davon ausgegangen sei, dass jeder darauf bedacht sei, dem Anderen etwas Gutes zu tun und das am besten im Kollektiv. Man habe nicht gesehen, dass, wenn allen alles gehört, niemand für etwas verantwortlich sei. Das gehe nicht.

Der anderen Menschen Glück

„Wir sind nicht den ganzen Tag damit beschäftigt, uns zu fragen, wie der Andere glücklich wird. Als Theologe meine er: “Wer anderen Menschen Glück schenken will, muss selber ein glücklicher Mensch sein, sonst kriegt er ein unglückliches christliches Lächeln.“

Die Anschauung einer Gesellschaft aufzubauen, die davon ausgeht, man müsse nur die Antriebe des Privateigentums abschaffen, damit es nicht über uns herrscht, sei grandios gescheitert. Die altruistische Gesellschaft sei schlicht daran gescheitert, dass wir sind, wie wir sind.

Sendungshinweis:

„Focus“, 11.6.2016, 13.00 bis 14.00 Uhr, ORF Radio Vorarlberg
16.6.2016, 21.00 bis 22.00 Uhr (WH), ORF Radio Vorarlberg

Die Antriebskraft Gier

Wenn wir in einer Gesellschaft die Antriebskraft Gier - nämlich alles haben zu wollen - nicht haben, dann gebe es nicht genügend Dynamik für eine Gesellschaft, sagt Schorlemmer. Aber eine Gesellschaft, in der alles auf das EGO bezogen ist, werde eine Gesellschaft, die „kalt und unmenschlich“ ist.