„Freundschaften - Kitt und soziales Kapital“

Marina Münkler von der TU Dresden spricht in der ORF Radio Vorarlberg Sendung „Focus“ über das Thema „Freundschaften - Kitt und soziales Kapital“.

Wahre Freundschaft soll nicht wanken,
Wahre Freundschaft soll nicht wanken,
wenn sie gleich entfernet ist;
lebet fort noch in Gedanken
und der Treue nicht vergisst.

Keine Ader soll mir schlagen,
wo ich nicht an dich gedacht;
ich will für dich Sorge tragen
bis zur späten Mitternacht.

Wenn der Mühlstein traget Reben
und daraus fließt kühler Wein,
wenn der Tod mir nimmt das Leben,
hör’ ich auf, getreu zu sein.

(Studentenlied)

Sendehinweis:

  • „Focus“, 9.4.2016, 13.00 bis 14.00 Uhr, ORF Radio Vorarlberg
  • 14.4.2016, 21.00 bis 22.00 Uhr (WH), ORF Radio Vorarlberg

Cicero wird mit dem Spruch zitiert, dass man in die Verwandtschaft hineingeboren wird, sich Freunde aber selbst sucht. Freundschaft ist nicht nur eine Sache der Soziologie, sondern auch eine soziale Institution, die wichtige politische Funktionen übernehmen kann. Freundschaftsgesten spielen in der Politik eine äußerst wichtige Rolle.

Was ist Freundschaft?

Freundschaft ist eine frei gewählte persönliche Beziehung. Bei der Arbeit hat man Kolleginnen und Kollegen, außer es entwickeln sich Beziehungen, die über das übliche, geschäftliche Zusammensein hinausgehen.

Die Sendung zum Nachhören:

Es ist auch unabhängig vom Geschlecht. Nicht nur Männer mit Männern und Frauen mit Frauen, sondern Frauen und Männer können auch untereinander befreundet sein, ohne dass dabei gleich das Sonderproblem der Liebe dazukommt. Freundschaften sind auch altersunabhängig.

Focus Monika Münkler

TU Dresden

Marina Münkler

Freundschaft ist ein Beziehungsmodus

Freundschaft benötigt nach Marina Münkler emotionale Grundlagen wie Sympathie und Respekt, sie geht aber nicht in ihnen auf. Freundschaft ist auch nicht exklusiv. Wir differenzieren: Wir haben Freunde, wir haben gute Freunde und einen besten Freund/beste Freundin. Wir können mit den unterschiedlichen Leveln von Freundschaft gut umgehen und wir haben kein Problem damit.

Freundschaft als Anspruch und Auszeichnung

Wir unterscheiden die enge, die echte und wahre Freundschaft. Sie hat das vollständige Vertrauen der Personen zur Voraussetzung. Echte Freundschaft basiert auf Zuverlässigkeit, wahre Freundschaft mehr auf der Ebene von Wahrhaftigkeit und vollständigem Vertrauen. Freundschaft ist ein Anspruchsbegriff.

"Wenn ich jemanden als meinen Freunde auszeichne, dann bedeutet das auch, dass ich bestimmte Ansprüche an ihn formuliere. Ich habe bestimmte Verhaltenserwartungen, mein Gegenüber hat diese Verhaltenserwartungen auch.“

Freundschaft als Beziehungsmuster

Freundschaft ist eine persönliche Sonderbeziehung: von persönlicher Kommunikation und emotionaler Anziehung, von Verlässlichkeit, von Vertrauen und Zuverlässlichkeit, alles von dem, was wir jenseits der Familie im Alltag suchen, sagt Münkler.

Freundschaft als soziale Institution

Man hat innerhalb Europas Städtefreundschaften begründet; Völkerfreundschaft, Freundschaft als Gruß und Anrede in Parteien. Die Freundinnen und Freunde fühlen sich einer bestimmten Partei zugehörig, sie haben gemeinsame Wertvorstellungen und Ziele.

Man hat als Wertvorstellungen auch einen gemeinsamen Nutzen, der sich institutionalisieren lässt durch die Formen der Freundschaft - d.h. daraus lässt sich ein Nutzen für Parteien und für die Gesellschaft ableiten.

Was bedeutet Freundschaft gesamtgesell-schaftlich?

Bei Freundschaft handelt es sich um soziales Kapital. Man verfügt über ein soziales Netz von institutionalisierten Beziehungen. Dieses Netz ist einerseits nützlich für das eigene Fortkommen. Es ist auch ein Netz, das die Gesellschaft innerhalb zusammenhält, betont Münkler.

Es sind Beziehungen gegenseitigen Kennens und Anerkennens. Meist bewegt es sich innerhalb einer gewissen gesellschaftlichen Schicht und grenzt sich somit von anderen ab.

Vertrautheit und Unvertrautheit

Die Herstellung von Vertrautheit mit fremden Personen ist schon sehr viel schwieriger, weil das Element der Vertrautheit fehlt, sagt Münkler. In gemeinsamen Orten oder Regionen gibt es Momente von Vertrautheit, weil man weiß, wie Dinge gehandhabt werden. Die machen es leichter, Freundschaften zu begründen, als wenn man von einer fundamentalen Unvertrautheit ausgehen muss.

Ein zweiter zentraler Punkt für Freundschaft ist Vertrauen. Jemandem, dem ich nicht vertrauen kann, mit dem kann und will ich nicht befreundet sein.

„Abhören unter Freunden geht gar nicht.“
(Bundeskanzlerin Angela Merkel)

Diesen Vortrag haben wir beim Montagsforum Dornbirn aufgezeichnet.

Politik ist darauf angewiesen, Freundschaftsgesten mit jenen zu vollziehen, denen man nicht vertraut. Wichtig ist in der Politik der Aspekt der Vertraulichkeit. Politisch betrachtet ist Freundschaft minimal der Gegenbegriff zu Feindschaft. Alles was nicht Feindschaft ist, ist in der Welt der Politik Freundschaft.

Zur Person:

Univ.-Prof. Dr. Marina Münkler. Seit Januar 2010 Professorin für Ältere und frühneuzeitliche Literatur und Kultur am Institut für Germanistik der Technischen Universität Dresden.

Literatur:

Marina Münkler, Freundschaftszeichen: Gesten, Gaben und Symbole von Freundschaft im Mittelalter. Universitätsverlag Winter, Heidelberg.

Musik:

CD* SOLEDAD : DEL DIABLO
T* LA FLOR DE MI SECRETO - Suite a.d. Filmmusik zum gleichnamigen Film / Auszüge

Die Freundschaft
Rainhard Fendrich

HEADLINES FRIENDSHIP NEVER ENDS
SPICE GIRLS