Christian Alt über „Helikopter-Eltern"

Christian Alt, Leiter des Kompetenzteams Kinder, Deutsches Jugendinstitut München, spricht zum Thema „Helikopter-Eltern - wenn Beobachtungsdrohnen über den Kindern kreisen".

Sendehinweis:

  • „Focus“, 13.2.2016, 13.00 bis 14.00 Uhr, ORF Radio Vorarlberg
  • 18.2.2016, 21.00 bis 22.00 Uhr (WH), ORF Radio Vorarlberg

Gehören Sie zu jenen Eltern , die wie Rettungs-, Transport- oder wie Kampfhubschrauber über ihren Kindern kreisen oder schweben? Die Helikopter-Eltern sind überfürsorgliche Eltern, die sich ständig in der Nähe ihrer Kinder aufhalten, um diese zu überwachen und zu behüten.

„Der Erziehungsstil ist von exzessiver Einmischung geprägt. Man will mit Erziehung eine gewisse Eigenständigkeit erreichen, nur wird man über eine ständige Einmischung keine Eigenständigkeit erreichen“, mahnt der Soziologe Alt.

Die Sendung zum Nachhören:

Er verweist in dem Zusammenhang auf das Buch „Helikoptereltern“ des deutschen Schuldirektors Josef Kraus, der davon schreibt, dass das Problem dadurch entstehe, dass Eltern ihre Kinder bis zum Klassenzimmer „verfolgen“. (Beachte Buchtitel im Anhang)

Drei Typen von Helikoptereltern (Kraus):

  • Eltern als „Transporthubschreuber“ - sie tragen gewissermaßen ihre Sprößlinge überall hin. Es gebe deshalb an gewissen Schulen einen eigenen Verabschiedungsraum, um diese Helikopter-Eltern vom Klassenraum fernzuhalten.
  • Die zweite Gruppe wird mit „Rettungshubschrauber“ umschrieben: dass Kindern das nachgeliefert wird, was sie zu Hause liegen gelassen haben.
  • Mit „Kampfhubschraubern“ sind Eltern, gemeint, die sich beim Lehrer über die Inhalte des Unterrichts beschweren, die Disziplinarmaßnahmen fordern und so den Lehrern, sich sowie den Kindern das Leben schwer machen.
Focus Christian Alt

Deutsches Jugendinstitut München

Christian Alt

Alt sieht die Unterteilung von Josef Kraus zu pointiert und ergänzt, dass Eltern meist die Angst hätten, etwas falsch zu machen, etwas zu versäumen, und sich als Eltern nicht richtig zu verhalten.

„Eltern müssen ihre Kinder loslassen, sie müssen ihnen zur Seite stehen, ihnen Möglichkeiten bieten, sie aber nicht einengen“, sagt Alt. Die Eltern, die diese „Overprotection“ (dieses Überbehüten) praktizieren, die ihre Kinder nicht loslassen, seien bereits vor 20 Jahren in den USA als „Helikopter-Eltern“ bezeichnet worden.

Gesellschaftliche Veränderungen

Man müsse bedenken, so Christian Alt, dass der Gesellschaftsbau völlig anders geworden sei. Es entscheiden sich immer mehr, kein Kind zu bekommen und, je höher die akademische Ausbildung sei, umso weniger werde Wunsch nach einem Kind manifest.

Zudem werden die Eltern immer älter. Heute werde eine Mutter im Durchschnitt mit 30 Jahren zum ersten Mal Mutter. Väter mit 32 oder 33 Jahren. In den 1960er Jahren war das durchschnittliche Alter der Erstgebärenden 21 bis 22 Jahre.

Die Erziehungsaufgabe heute

Eine zentrale Erziehungsaufgabe heute sei, so Alt, dass die Kinder in eine ähnliche oder in eine bessere Situation kommen sollen, als die eigene Eltern sind. Gleichzeitig sei es heute mit Matura und Studium nicht mehr gesagt, dass man eine qualifizierte und gut dotierte Position bekomme. Die Sicherheit des Jobs des Vaters zu erreichen, hatte man früher (Bäcker, Metzger etc.); heute muss man sich das erarbeiten.

Helikoptereltern - mit Trekking-APP

„Medialisierung und Digitalisierung haben in der Kindheit Einzug gehalten. Das gilt von Anang an: ein Handy mit Musik liegt im Kinderwagen und eine App reagiert darauf, wenn das Kind ruhig ist. Es gibt auch eine App, die der Mutter den Aufenthaltsort des Kindes ständig übermittelt.“ Spätestens dann kämen Eltern in den Zwiespalt zwischen Nutzen und Lasten, ergänzt Alt.

Wertorientierungen- die gute Bildung

Welchen Wert schreiben Eltern ihren Kindern zu? In China treffe man durch die Ein-Kind-Politik nur auf Eltern mit einem Prinzen bzw. einer Prinzessin, sagt Alt. Bei uns seien es nicht nur die hochqualifizierten Eltern, die sich für ihre Kinder eine gute Bildung wünschen.

Das habe auch mit dem Anspruch zu tun, dass Eltern glaubten, ihr Kind solle das beste Angebot bekommen. „Es gibt oft die Diskussion, ab wann die Kinder eine zweite Sprache und eine Sportart lernen sollen.“ Eindeutig sei, so Alt, dass die partnerschaftliche Erziehung von Kindern viel mehr Zeit benötigt, als man sie sich früher genommen hat. Gleichzeitig habe sich der Umgang und die Befassung mit den Kindern deutlich verbessert.

Zur Person:

Dr. Christian Alt, Dipl.-Soz., Leiter des Kompetenzteams Kinder am Deutschen Jugendinstitut München; Dr. phil. (Technische Universität München); Diplomsoziologe (Universität München).

Studienschwerpunkte : Soziologie, Betriebswirtschaft, Psychologie.

Literatur:

Josef Kraus, „Helikopter-Eltern - Schluss mit Förderwahn und Verwöhnung", rororo.

Musik:

T* Look out little Ruth
A: B.B.E.
S: Thomas Lechner/Xylophon

CD* DIE KAMMERMUSIKENSEMBLES DER WIENER SYMPHONIKER
T* Fuge in d-moll aus „Das Wohltemperierte Klavier“ / Bearbeitung für Xylophon, Vibraphon und Marimbaphon

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