„Warum wir zu viel Stress und zu wenig Zeit haben“

Franz Josef Köb ist zu Gast in „Focus“, jener Sendung, die er selbst begründete jahrlang prägte. Er spricht zum Thema: „Warum wir zu viel Stress und zu wenig Zeit haben“.

Sendehinweis:

  • „Focus“, 16.1.2016, 13.00 bis 14.00 Uhr, ORF Radio Vorarlberg
  • 21.1.2016, 21.00 bis 22.00 Uhr (WH), ORF Radio Vorarlberg

Man bedenke, wie viele zeitsparende Maschinen wir haben im Vergleich zu früheren Generationen: Von der Wasch- über die Geschirrspül- bis zur Kaffeemaschine und dem Staubsauger. Wir arbeiten aber auch stundenmäßig viel weniger arbeiten als unsere Eltern und Großeltern. Damals gab es noch eine 60-Stunden-Woche mit Arbeit am Samstag. Zudem war der Urlaub noch kürzer und gleichzeitig ist die Lebenserwartung um Jahrzehnte angestiegen. Wir müssten Zeit in Hülle und Fülle haben. Wir haben aber zu wenig Zeit und das Gefühl von Stress mit Zeitnot und Zeitknappheit.

Die Sendung zum Nachhören:

Zeitknappheit hat zugenommen

Es sind heute immer weniger Leute im Arbeitsprozess. Sie arbeiten viel, zudem nimmt mit zunehmendem Alter die Belastungsfähigkeit ab und gleichzeitig steigt die Arbeitszeitbelastung und der Druck. Wir leben in einer von kollektiver Raserei und einer von Beschleunigung besessenen Gesellschaft.

Focus Franz Josef Köb

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Franz Josef Köb

Nicht alle, aber einige haben auch zu viel Zeit. Zum Beispiel Langzeitarbeitslose, manchmal auch Menschen, die in Pension sind oder eben auch Kranke. Die durchschnittliche Verweildauer vor dem Fernseher beträgt vier Stunden. Nimmt man die Zeit fürs Surfen im Internet dazu, kommt man schnell auf sechs bis sieben Stunden, mahnt Köb. Für ihn ist das vertane Zeit.

Wie entsteht Stress?

Stress ist für Köb der untaugliche Versuch, in einer bestimmten Zeiteinheit mehr tun zu müssen oder mehr tun, mehr genießen, mehr erleben zu wollen, als möglich ist. Warum geht sich das mit dem kleinen Potenzial, das uns zur Verfügung steht, nicht aus?

Köb sieht den Grund in individuellen, beruflichen und gesellschaftlichen Gründen, die eng miteinander verflochten sind. Letztlich sei es wegen der engen Verzahnung gar nicht so leicht, die Probleme individuell zu lösen. Zeitratgeber seien oft untauglich, weil sie die gesellschaftlichen Probleme ausklammerten. Wir können uns oft aus der Umklammerung der Masse gar nicht befreien und unseren eigenen Rhythmus finden, beklagt Köb.

Vom Leben bestraft, wenn man zu langsam ist

Es gilt die Parole „schneller-höher-weiter-mehr“. Keiner möchte zu langsam sein, zu spät kommen. Köb meint: “Der Schnellere gilt als der Bessere. Keine Zeit zu haben, erhöht den Stellenwert eines Menschen in unserer Gesellschaft. Wer keine Zeit hat, der steigert in unserer Gesellschaft seinen Marktwert. Schnelligkeit wird oft auch als Mittel zur Lösung aller Probleme angesehen.“

Der schnelle Tod galt über Jahrhunderte hin als gemein und hässlich. Heute wünscht man sich den schnellen Tod, indem man einschläft und nicht mehr aufwacht. Selbst dem toten Papst wurde die schnelle Heiligsprechung zugesagt: „Santo subito“ - sollte Papst Johannes Paul II. heiliggesprochen werden.

Die Langsamkeit (nicht) verstecken

Das Langsame und die Langsamen werden in unserer Gesellschaft gefürchtet, verachtet und geringgeschätzt, beklagt Köb. „Das sind die ganz Kleinen (Babys), Menschen mit einer Behinderung, mit einer Krankheit und es sind die Alten. Entsprechend versuchen wir unsere Langsamkeit zu verstecken.“

Zum Stressabbau müsste man der Langsamkeit und dem Stress, der Schnelligkeit einen anderen Stellenwert geben, mahnt Köb. Die Schnelligkeit mache uns krank und sei zerstörerisch. Insofern sei Stress ein Krankheitsrisiko. Dazu zählten Schlafstörungen, Alpträume, Herzrhythmusstörungen, Schwindel, Kreislaufprobleme, Magen-Bauchprobleme, Kopfweh, Hörsturz, Tinnitus, Rückenprobleme etc. Die Zivilisationskrankheiten hätten, so Köb, viel mit den äußeren Lebensumständen zu tun.

Wir müssen das Bremsen lernen

Wir gehen so lange, bis der Körper uns stoppt. Köb ergänzt: „Wenn man einen Schlaganfall, ein Burnout, einen Herzinfarkt hat, muss man sich Zeit zur Genesung nehmen. Es wäre allerdings der größere Genuss, wenn man es freiwillig machte und nicht, wenn man vom Schicksal dazu gezwungen wird.“

Köb plädiert für einen gesellschaftlichen Klimawandel. Er wurde durch eine Technologie und eine Ideologie ermöglicht. Die Technologie mit der Digitalisierung habe diese Überhitzung durch Elektronik ermöglicht. Die dazu gehörige Ideologie sei der Neoliberalismus, so Köb. Der Neoliberalismus gehe davon aus, dass immer weniger Menschen mehr arbeiten sollen. „Betriebe bauen Personal ab, der Rest der Wenigen soll die Arbeit erledigen“, sagt Köb.

Zur Person:

Mag. Dr. Franz Josef Köb studierte Wirtschaftspädagogik an der Wirtschaftsuniversität in Wien. 1975 bis 2009 war er Mitarbeiter beim ORF-Landesstudio Vorarlberg und verantwortlich für die Wissenschaftssendung „Focus - Themen fürs Leben” und für die Vortragsreihe „Fragen unseres Daseins”.

Seit 2010 leitet FJ Köb die Vortragsreihe „Wissen fürs Leben“ bei der Arbeiterkammer in Feldkirch. Darüber hinaus ist auch auf seine eigene Vortragstätigkeit hinzuweisen.

Literatur:

„Die Wahrheit beginnt in der Familie” Hrsg. Vorarlberger Familienverband. Wenin-Verlag.

„Innehalten. Von der Verlangsamung der Zeit”. 1996.

Miriam Meckel, Brief an mein Leben. Erfahrungen mit einem Burnout. rowohlt

Musik:

LP* MOZULUART - ZULU MUSIC MEETS MOZART !
AS* MoZuluArt
A: Insingizi/Gesang
NI: Dumisani Ramadu Moyo/Gesang
NI: Blessings Zibusiso Nqo Nkomo/Gesang
NI: Vusa Mkhaya Ndlovu/Gesang
S: Roland Guggenbichler/Klavier