„TTIP - Der öffentliche Widerstand wächst“

Alessa Hartmann, Mitbegründerin Bündnis TTIP unfairHandelbar, spricht über „TTIP - Der öffentliche Widerstand gegen das Freihandelsabkommen wächst“.

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Focus, 28.11.14

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel machte angesichts einer schwächelnden europäischen Wirtschaft Druck auf ein rasches TTIP Verhandlungsergebnis.

500 Millionen BürgerInnen betroffen

Derzeit verhandeln die EU und die USA ein weitreichendes Freihandelsabkommen namens TTIP, im Geheimen. Konzerne genießen privilegierten Zugang zu den Verhandlungen. Doch die Themen gehen über das einfache Wirtschaftstreiben hinaus. Sie greifen in sämtliche Lebensbereiche der österreichischen Bürger ein, insgesamt wären über 500 Millionen EU-Bürger betroffen.

Alessa Hartmann

Forum Umwelt und Entwicklung Berlin

Alessa Hartmann

Die Öffentlichkeit sieht allerdings eine der größten Gefahren in dieser Intransparenz des gesamten Prozesses. Alessa Hartmann meint: „Es geht ja nicht nur darum, dass die Öffentlichkeit nicht erfährt, was verhandelt wird. Auch die Parlamente werden praktisch entmündigt, während die Industrielobby ihre Interessen ganz intensiv einbringen kann. Wir meinen, dass in einer demokratischen Gesellschaft für so etwas kein Platz ist. Der andere große Punkt ist, dass das Abkommen eine klare Deregulierungsagenda hat. Geplant ist eine umfassende regulatorische Harmonisierung zwischen den USA und der EU.“

Mehr Rechte für EU-Parlamentarier

Auf Grund des öffentlichen Drucks will die EU-Kommission die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen mit den USA transparenter gestalten. TTIP-Dokumente sollen ins Internet gestellt werden und EU-Parlamentarier einen besseren Zugang zu Informationen erhalten, hieß es in der „Süddeutschen“ in dieser Woche.

Doch die Offenheit habe ihre Grenzen. Dokumente, die der Geheimhaltung unterliegen, werden auch künftig nicht der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Immerhin sollen aber die Vertreter im EU-Parlament einen besseren Zugang erhalten, wie die Schwedin Malmström zusagte. Demnach dürfen dann alle 751 Europaparlamentarier die Dokumente zu TTIP einsehen.

Bisher darf dies nur etwa ein Dutzend Abgeordnete, die mit dem Handelsressort zu tun haben. Die Einsicht ist bislang nur in einem besonderen Lesesaal erlaubt, in dem keine Aufzeichnungen gemacht werden dürfen. Auch hier soll es Lockerungen geben. Und schließlich verpflichtete sich die Kommission, regelmäßig eine Liste der TTIP-Dokumente zu veröffentlichen.

Chlorhühnchen und Hormonfleisch

Letztlich werde - so Hartmann - nach Abschluss der Verhandlungen nichts von Chlorhühnchen oder Hormonfleisch in diesem Abkommen drinstehen, aber es soll ein sogenannter regulatorischer Rat eingerichtet werden, der im Nachhinein Details über Harmonisierung von Regulierungen und Standards entscheiden kann. Höchst strittig ist auch das geplante Investitionsschutzkapitel mit einem Konzernklagerecht (ISDS), das Konzernen ermöglicht, Staaten vor intransparenten Schiedsgerichten zu verklagen, wenn sie ihre Profite durch Gesetze zum Schutz der Umwelt oder Verbraucher gefährdet sehen. Die EU-Kommission hat zum Investitionsschutzkapitel eine öffentliche Konsultation gestartet.

Hartmann sieht in dieser Konsultation einen kleinen Etappensieg. Die Kommission habe gemerkt, dass die Öffentlichkeit das TTIP so nicht will. Aber eigentlich sei es eine Scheinkonsultation, denn die Verhandlungen seien ja nicht ausgesetzt worden.

TTIP - reines EU- oder gemischtes Abkommen?

Wenn die Verhandlungen zwischen der EU-Kommission und dem US-Handelsministerium beendet sind, könnte es als reines EU-Abkommen bewertet werden. EU-Parlament und EU-Rat würden es also allein beschließen.

Die Alternative ist ein gemischtes Abkommen. Gemischte Abkommen gehen über den Zuständigkeitsbereich der EU hinaus und betreffen auch ganz klare Interessen der Mitgliedsländer. Neben dem EU-Parlament würden auch alle nationalen Parlamente der 28 Mitgliedstaaten abstimmen. Wir gehen davon aus, dass es ein gemischtes Abkommen werden wird. Es gibt aber auch andere Signale. Die EU-Kommission hat großes Interesse daran, dass nicht alle Mitgliedsländer bei dem Abkommen mitmischen. Wie es tatsächlich verabschiedet wird, stellt sich wahrscheinlich erst heraus, wenn ganz klar ist, was in dem Abkommen steht.

Dieser Vortrag wurde im Rahmen der „Projekte der Hoffnung“ im Publikumsstudio des ORF-Funkhauses in Dornbirn aufgezeichnet.

Zur Person:

Alessa Hartmann ist Referentin für internationale Handelspolitik beim Forum Umwelt und Entwicklung und koordiniert das deutsche zivilgesellschaftliche Bündnis TTIP unfairHandelbar.

Homepage: Forum Umwelt und Entwicklung, Berlin

www.forumue.de