„Der freie Mensch hinterfragt sein Handeln“

Univ.-Prof. Dr. Julian Nida-Rümelin, Philosoph an der Ludwig-Maximilians-Universität München, spricht in der Sendung „Focus“ bei ORF Radio Vorarlberg über das Thema „Der freie Mensch - denkt selbst und hinterfragt sein Handeln“.

Die Sendung zum Nachhören:

Es sind die Gründe die uns frei und verantwortlich machen

Es geht Nida-Rümelin um die Freiheit, die unsere Autorschaft, unsere Autonomie ausmacht. Es spielen nicht nur Gründe, aber auch Gründe eine Rolle. Es gehe dabei um kausale Erklärungen und Begründungen: Die gibt es für jede Handlung von uns. Gründe spielen auf jeden Fall eine Rolle für unsere Überzeugungen. Handlungen ist derjenige Teil unseres Verhaltens, der von Gründen geleitet ist.

Wir haben auch Gründe für unsere Emotionen. Nida-Rümelin verdeutlicht: "Sie haben eine Wut auf Xaver Mayer, weil sie sagen, der hat ihnen das oder jenes angetan. Plötzlich stellt sich heraus, die Zenzi Huber war´s, aber nicht Xaver Mayer. Die Wut gegen Herrn Mayer wird rasch verrauchen.“ Die Lehre daraus ist: Solche Emotionen sind von Gründen geleitet. Hass gegen eine Person, die nichts Böses gemacht hat ist immer irrational.

Was ist Freiheit?

Theoretische Freiheit ist laut Nida-Rümelin die Fähigkeit, sich Überzeugungen aus Gründen zu bilden. Das gelinge nicht immer: Phobien seien Gegenbeispiele - die Entkoppelung von Gründen und Gefühlen. Eine Person habe etwa Spinnenangst, obwohl es in Deutschland keine gefährlichen Spinnen gibt. Emotionen seien nicht unabhängig von Gründen. Freiheit sei die Fähigkeit zur Deliberation - von theoretischen, praktischen, emotiven - Gründen. Vernunft sei die Fähigkeit zur Deliberation: praktische, theoretische, emotive Vernunft. Die substantielle Freiheit sei mit der Vernunft untrennbar verbunden: Das sei Autonomie nach Immanuel Kant. Als Vernunftwesen handelten wir nach den Freiheitsgesetzen. Es gehe ums Abwägen und Handeln nur aus Gründen, die für Vernunftwesen - generell- geeignet seien.

Wo bleibt Verantwortung?

Manche würden meinen, das Phänomen Verantwortung sei erst in der Aufklärung erfunden worden. Nach Nida-Rümelin gehe es bei Platon und Sokrates und Konfuzius etc. um menschliche Verantwortung. Dabei gehe es um die Fragen: Was soll ich tun? Wie soll ich Grunde abwägen? Wie kann ich mir selbst ein Urteil bilden? Welches Handeln ist gerechtfertigt?

Univ.-Prof. Dr. Julian Nida-Rümelin

@ Andreas Müller Fotografie

Univ.-Prof. Dr. Julian Nida-Rümelin

Autorin oder Autor des eigenen Leben sein: Das stehe über allen Denktraditionen. „Ver`antworten`“ sei die Bezeichnung dieses Vorgangs. Wenn die Freiheit die Fähigkeit sei , Gründe zu haben für Überzeugungen, Handlungen und Emotionen, dann sei Verantwortung nichts anderes, als Gründe angeben zu können.

Hat jemand gute Gründe, wenn er sein Eigeninteresse begründet? Wenn das Grundgesetz formuliere, dass die Würde des Menschen unantastbar ist, dann seien das keine guten Gründe, weil es eine Rechts- und eine moralische Pflicht gebe, die der Demokratie zu Grunde legt, Menschen mit gleichem Respekt zu begegnen, ihre Würde nicht zu verletzen und sie zu achten. Die Würde erlege unserem Handeln Einschränkungen auf, so sei die Begründung etwas nur für sein eigenes Interesse zu tun, nicht ausreichend.

„Handle so, dass die Autorschaft anderer dadurch nicht beschädigt wird.“ Das ist die Rechtspflicht und Grundlage aller Demokratie.

Die Philosophie schaffe begriffliche und gedankliche Klarheit. Klar denken seo die einzige Aufgabe der Philosophie.

Demokratie sei der Respekt voreinander.

Zur Person:

Univ.-Prof.Dr.Julian Nida-Rümelin gehört neben Jürgen Habermas und Peter Sloterdijk zu den renommiertesten Philosophen in Deutschland. Er lehrt Philosophie und politische Theorie in München und Berlin. Nida-Rümelin studierte Philosophie, Physik, Mathematik und Politikwissenschaft. Seit 2009 hat er an der Ludwig-Maximilians-Universität München einen Lehrstuhl für Philosophie inne. Für fünf Jahre (1998-2002) wechselte JNR in die Kulturpolitik, zunächst als Kulturreferent der Landeshauptstadt München und dann als Kulturstaatsminister im ersten Kabinett Schröders.

Literatur:

Julian Nida-Rümelin.Über menschliche Freiheit, Reclam 2005

Musik:

T* O Canto do Cisne Negro / aus „Naufragio de Kleonicos“ / Bearbeitung für Mundharmonika und Kammerorchester

T* Joao Cambuete / aus „Mondinhas e Cancoes“ Band 2
S: Robert Bonfiglio/Mundharmonika
O: New York Chamber Symphony
L: Gerard Schwarz

CD* TOMMY REILLY SPIELT MUNDHARMONIKAKONZERTE
T* Toledo, Spanische Phantasie für Mundharmonika und Orchester