Ex-ÖSV-Cheftrainer Kahr mit Klage abgeblitzt

Der ehemalige ÖSV-Cheftrainer Karl „Charly“ Kahr ist mit seiner Klage gegen ein Vorarlberger Ehepaar abgeblitzt. Er hatte den beiden üble Nachrede vorgeworfen, weil sie ihn des sexuellen Missbrauchs bezichtigt hatten.

Angeklagt war das Vorarlberger Ehepaar, weil beide - eine ehemalige Vorarlberger Skirennläuferin und ihr Mann - WhatsApp-Nachrichten an Skilegende Annemarie Moser-Pröll geschickt hatten. Die Nachrichten enthielten die wütende Frage, ob sich Moser-Pröll nicht schäme, Kahr öffentlich in Schutz zu nehmen. Der habe „viele Mädchen missbraucht und gebrochen“. Und: Kahr habe Moser-Pröll entjungfert, als sie noch keine 16 Jahre alt gewesen sei.

Prozess Kahr

APA/EXPA/JOHANN GRODER

Karl Kahr

Der mittlerweile 86-jährige Kahr wies die Vorwürfe stets zurück und strengte einen Prozess wegen übler Nachrede an. Das Ehepaar versuchte seinerseits zu beweisen, die Anschuldigungen im guten Glauben erhoben zu haben. Mit Erfolg: Das Bezirksgericht Bludenz wies die Klage am Donnerstag ab. Kahrs Anwalt Manfred Ainedter meldete umgehend „volle Berufung“ an, das Urteil ist damit nicht rechtskräftig.

Was stellt üble Nachrede dar?

Am Donnerstag ging es zunächst um die Frage, ob man sich der üblen Nachrede überhaupt schuldig machen kann, wenn man eine WhatsApp-Nachricht an eine einzelne Person schickt. Die Nachrichten gingen bekanntlich zunächst nur an Moser-Pröll. Damit sei Kahr nicht vor der Öffentlichkeit bloßgestellt worden, argumentierte Verteidiger Martin Mennel - es könne schon deshalb keine üble Nachrede vorliegen.

Freisprüche für Angeklagte im Kahr-Prozess

Der vom ehemaligen ÖSV-Cheftrainer Karl Kahr angestrengte Prozess wegen übler Nachrede ist mit Freisprüchen zu Ende gegangen.

„Karl Kahr hat die Publizität selbst geschaffen, die er nun offenbar nicht mehr will“, so Mennel. Kahrs Anwalt Manfred Ainedter sah das naturgemäß anders. Kahr selbst war am Donnerstag nicht anwesend.

„Stern“-Reporter im Zeugenstand

Anschließend betrat ein ehemaliger Reporter des Nachrichtenmagazins „Stern“ den Zeugenstand. Er hatte in den 1970er Jahren über den Skizirkus geschrieben und insbesondere zu Vorwürfen gegen Ex-Skistar Toni Sailer recherchiert. Damals habe es zahlreiche Hinweise auf sexuelle Gewalt im österreichischen Skiteam gegeben, berichtete der Mann. Dabei sei auch der Name Karl Kahr genannt worden. So habe Kahr betrunken damit geprahlt, Rennläuferinnen entjungfert zu haben.

Prozess Charly Kahr Vorschau

Dietmar Mathis

Annemarie Moser-Pröll (l.) am Donnerstag in Bludenz

Für ihn habe sich ein klares Bild ergeben, so der Zeuge. Beweise bzw. Personen, die vor Gericht ausgesagt hätten, habe er aber nicht gehabt.

Treffen in Werdeniggs Wohnung

Entscheidender war aber ein Treffen im Dezember 2017, das sich in der Wiener Wohnung der ehemaligen Skirennläuferin Nicola Werdenigg abgespielt haben soll. Der Ex-„Stern“-Reporter soll ebenso dabei gewesen sein wie auch die beiden Angeklagten und zwei „Standard“-Journalisten. Dort sei ausführlich und detailliert über die Vorgänge im Skiteam der 70er Jahre geredet worden. Dabei habe der Erstangeklagte, also der Ehemann der ehemaligen Vorarlberger Skirennläuferin, den Eindruck gewinnen können, dass Kahr und Sailer Mädchen missbraucht und gebrochen hätten, so der Zeuge.

Werdenigg: „Exzessive sexuelle Stimmung“

Werdenigg, Olympia-Abfahrtsvierte von 1976, erhob anschließend schwere Vorwürfe gegen Kahr. Sie hatte Ende 2017 als Erste Vorwürfe über sexuelle Gewalt im ÖSV der 1970er Jahre öffentlich gemacht. Auch am Donnerstag berichtete sie von einer „exzessiven sexuellen Stimmung“ im Skiteam. Kahr habe nicht die Eignung besessen, Trainer eines Damen-Skiteams zu sein, und sei deshalb abgelöst worden. „Er hat seine Macht eingesetzt und missbraucht“, sagte Werdenigg.

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Nicola Werdenigg wird als Zeugin einvernommen

Der Missbrauch habe nicht nur, aber auch sexuell stattgefunden. Auch bei den Männern sei ein System erzeugt worden, das 1977 sogar einen Athleten in den Suizid getrieben habe, sagte Werdenigg. Manche Skiläuferinnen hätten ihre Karrieren beendet, als Kahr ein Naheverhältnis zu Moser-Pröll aufgebaut und sie bevorzugt habe. Dass zwischen den beiden ein sexuelles Verhältnis bestanden habe, stand für Werdenigg aufgrund ihrer eigenen Wahrnehmung fest, die sich im Wesentlichen auf Erzählungen stützte. Moser-Pröll hatte das im April bereits energisch zurückgewiesen.

Pornografisches Material erzeugt?

Im Herren-Skiteam ging es laut Werdenigg so weit, dass ein Masseur junge Frauen unter Vorwänden in Hotels gelockt habe, wo pornografische Fotos und Filme produziert worden seien. Das entstandene Material sei dann im Skiteam verteilt worden. Einmal hätten Aufnahmen auch in Kahrs Haus stattgefunden. In Sachen sexueller Missbrauch durch Kahr wusste sie nach eigenen Angaben „aus direkter Quelle von drei Fällen, gerüchteweise von mehr“. Sie unterstrich die Aussage des Ex-Journalisten, wonach Kahr die Entjungferung junger Rennläuferinnen „als sein Recht“ betrachtet habe.

Zudem hätten Kahr und Sailer immer wieder für Alkoholexzesse gesorgt, Kahr sei „ein- bis zweimal pro Woche“ verkatert zum Training erschienen, so die Ex-Rennläuferin. Auch Moser-Pröll sei zuweilen betrunken gewesen. „Alkohol lag in der Luft“, beschrieb Werdenigg die damalige Szenerie. Aufgrund des Gesprächs in ihrer Wohnung im Dezember 2017 sei die WhatsApp-Nachricht des Angeklagten an Moser-Pröll „nachvollziehbar“. Er habe die Erzählungen wohl in diesem Sinne - dass Kahr und Sailer junge Frauen missbraucht hätten - verstanden.

Richterin: Delikt nicht erfüllt

Richterin Daniela Flatz war aufgrund der Zeugenaussagen überzeugt, dass der Erstangeklagte den Eindruck erhalten habe, die geschilderten Vorkommnisse entsprächen der Wahrheit. Seine WhatsApp-Nachricht habe er deshalb im guten Glauben geschrieben habe, weshalb er freizusprechen sei, so Flatz in der Urteilsbegründung. Im Fall seiner Gattin sah sie das Delikt der üblen Nachrede nicht erfüllt. „Es besteht keine konkrete Gefahr, dass das Ansehen des Herrn Kahr bei Frau Moser-Pröll durch die WhatsApp-Nachricht beeinträchtigt wird“, stellte sie fest. Deshalb erging auch für die ehemalige Skirennläuferin ein Freispruch.

Moser-Pröll ungehalten

Sehr unzufrieden mit den Urteilen zeigte sich Ainedter, der es für „bemerkenswert“ hielt, dass man „in Österreich ungestraft solche Aussagen treffen darf, wenn man guten Glaubens sein kann. Ich glaube nicht, dass das geht“, sagte der Rechtsanwalt.

Ebenfalls sehr unzufrieden war Moser-Pröll, die im Glauben, noch einmal in den Zeugenstand gerufen zu werden, nach Vorarlberg gereist war. Der entsprechende Antrag von Ainedter wurde jedoch abgewiesen. Sie sprach von „Frechheit pur“ und beschwerte sich darüber, dass „wir angepatzt werden. Die darf alles“, meinte sie im Hinblick auf die Zweitangeklagte. Als sie aufgefordert wurde, sich ruhig zu verhalten, verließ sie mit dem Satz „Das ist Kasperltheater pur“ den Gerichtssaal.

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