Neue Wildnis statt Siedlungsbrei

„Es brennt auf dem Dachgarten Europas.“ Mit diesem Weckruf sorgte Alpenforscher und Naturschützer Mario Broggi 1988 für Schlagzeilen. 30 Jahre später fällt sein Fazit noch dramatischer aus.

Schon vor Jahrzehnten warnte der Naturschützer Mario Broggi vor irreparablen Schäden in den Alpen. „Das hat sich leider nicht gebessert. Die Entwicklungen im Tourismus sind bis heute zirkusartig,“ so das ernüchternde Fazit des heute 73-jährigen Broggi. Da müsse man nur in die großen Tourismuszentren schauen. Da treffe man auf „Hallodria pur“. Den Menschen dort ginge es nur um „Event und Fun“.

Mario Broggi

Der Alpenforscher Mario Broggi hat sich ein Leben lang mit Fragen des Naturschutzes und der Nachhaltigkeit beschäftigt. Er lehrte an den Universitäten Basel und Wien und war u.a. Präsident der Internationalen Alpenschutzkommission und Vorsitzender des Naturschutzrates der Vorarlberger Landesregierung. Seinen kritischen Blick hat Broggi auch mit 73 Jahren nicht verloren. Er lebt in Triesen in Liechtenstein.

Wildnis zulassen

Broggi plädiert dafür, die Nutzung einzelner Alpenregionen vollständig aufzugeben und so eine Entwicklung von Wildnis zuzulassen. Broggi kann sich das zum Beispiel für Teile des Saminatales im Grenzgebiet von Vorarlberg und Liechtenstein vorstellen.

Es sei an der Zeit, „dass wir als Menschen nicht nur Kolonisatoren sind, also ausströmen und kultivieren wollen, sondern auch Grenzen akzeptieren. Dass wir den Eigenwert der Natur sehen könnten." Das sei die Botschaft der Wildnis. "Und wo es sich einfach nicht mehr ausgeht, sollten wir uns geordnet zurückziehen.“

Warnung vor Entsiedelung

Der Naturschützer warnt vor einer Entsiedelung der Alpen. In Frankreich und Italien sei das vielfach schon geschehen. Hierzulande seien die Verhältnisse noch etwas besser, was auch mit der Förderung für Bergregionen zusammenhänge. Allerdings verlieren auch in Vorarlberg Berggemeinden Einwohner. In Tourismusgemeinden sei dieser Trend besonders ausgeprägt, sagt Broggi.

Naturschützer Mario Broggi

Privat

Alpenforscher und Naturschützer Mario Broggi

Das läge auch an der heutigen Form von Tourismus, die zu „monostrukturiert“ sei. „Dann haben wir diese Riesenstationen, die so dominant sind, dass sie die mittleren und kleinen Anbieter verdrängen. Also der Tourismus per se muss sich in der nächsten Menschengeneration neu erfinden.“

Naturschützer Mario Broggi im Gespräch mit ORF-Redakteur Jürgen Peschina

Zu großer ökologischer Fußabdruck

Trotz einer optimistischen Grundhaltung, die man im Kampf für den Naturschutz brauche, ist Broggi wenig zuversichtlich, wenn er an die Zukunft denkt. Im Alpenrheintal haben wir einen dreifachen ökologischen Fußabdruck. Das heißt, wir leben dreimal über unsere Verhältnisse.

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Gerald Lehner

Klimawandel in den Alpen

„Die entsetzlichen Nutzungskonflikte, diese Siedlungsbrei, die Zersiedlung der Landschaft und die Uniformierung in der Landwirtschaft. Wie soll man da noch Hoffnung haben? Aber vielleicht macht es irgendwann die Not, daraus eine Tugend zu machen.“

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