Heftige Kritik an Kurz: „Schäbig und rückgratlos“

Die scharfe Kritik von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) an der Asylbehörde und den Polizisten in Vorarlberg sorgt für Aufregung. Landesrat Johannes Rauch (Grüne) verwendet die Worte „schäbig und letztklassig“. Kritik kommt auch von NEOS.

Die geplante Abschiebung einer Familie aus Sulzberg hat österreichweit für Schlagzeilen gesorgt. Als das Paar in den frühen Morgenstunden zur Abschiebung abgeholt werden sollte, kollabierte die schwangere Ehefrau und musste ins Krankenhaus gebracht werden. Ihr Mann und ihr dreijähriger Sohn wurden von den Behörden nach Wien gebracht - mehr dazu in Abschiebung ruft politische Parteien auf den Plan.

Entrüstung nach Kritik von Kanzler Kurz

Die scharfe Kritik von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) an der Asylbehörde und den Polizisten in Vorarlberg sorgt für Aufregung. Landesrat Johannes Rauch (Grüne) fühle sich persönlich beleidigt.

„Fehler ist in Vorarlberg passiert“

Es sei absolut inakzeptabel, dass eine Mutter von ihrem Kind getrennt wird, sagte Kurz im ORF-Vorarlberg-Interview. Es sei ein Fehler des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) „hier im Land“ gemacht worden, das hier zuständig sei. „Der Fehler ist ja hier in Vorarlberg passiert. Die Behörde wird meines Wissens nach von Vorarlbergern geleitet“, sagte Kurz. Es sei gut, dass das Innenministerium eingegriffen und den Fehler korrigiert habe, so der Kanzler. Dass eine Frau von ihrem Kind getrennt wurde, habe nichts mit einem Mitspracherecht der Länder zu tun.

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Kurz im ORF-Interview

Ein Ausschnitt aus dem ORF-Vorarlberg-Interview mit Bundeskanzler Sebastian Kurz.

„Strengere Kontrolle vonseiten des Bundes“

„Das BFA in Feldkirch und die leitenden Personen, die leben hier und kennen die Situation“, sagte Kurz zu dieser Causa auch im Interview mit den „Vorarlberger Nachrichten“. Von denen erwarte er sich, dass sie „die Gesetze kennen und mit Fingerspitzengefühl vorgehen“.

Für die Abschiebung verantwortlich gewesen seien „das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, das in Feldkirch ist, die Polizei, die Vorarlberger Verantwortlichen und Leiter dort“, so Kurz. „Es ist manchmal einfach, von Vorarlberg auf Wien zu schimpfen. Aber es sind Vorarlberger, die diese Entscheidung treffen, in Feldkirch.“

Polizei wehrt sich

Polizeigewerkschafter Eugen Lampert wies die Aussagen des Kanzlers zurück. „Die Entscheidungen fallen in Wien“, sagte Lampert. Die Vorgabe, dass abgeschoben werden muss, sei eine Anweisung des Innenministeriums. „Und ich verwehre mich dagegen, wenn der Bundeskanzler diesbezüglich meint, dass die Beamten vor Ort zuständig wären.“ Derzeit sei aber zum Beispiel nicht klar geregelt, wie die Polizisten vorgehen müssen, wenn eine Frau schwanger ist und ins Krankenhaus muss.

Landesrat Rauch kritisiert Kurz: „Absolut schäbig“

Der grüne Landessprecher und Landesrat Rauch kritisierte die Aussagen von Kurz. Es dürfte auch dem Kanzler bekannt sein, dass „hier erstens Bundesgesetze vollzogen werden und zweitens die Behördenmitarbeiter weisungsgebunden sind“. Die Vollzugspraxis bei Einvernahmen im Asylverfahren und bei Abschiebungen werde von der Bundesregierung bzw. dem Innenministerium vorgegeben.

„Ich finde es absolut schäbig, sich als Politiker hinter den Beamten zu verstecken. Das ist letztklassig. Da hat man die politische Verantwortung zu tragen“, so Rauch im ORF-Vorarlberg-Interview. Kurz sollte Manns genug sein zu sagen, dass er um jeden Preis die Mauer für seinen Innenminister mache. Die „rüde Attacke“ auf Vorarlberg sei auf das Schärfste zurückzuweisen, so Rauch: „Was Sebastian Kurz vielleicht nicht weiß: Es ist noch keinem Bundeskanzler gut bekommen, wenn er sich mit Vorarlberg angelegt hat.“

Landesrat Johannes Rauch im ORF-Vorarlberg-Interview

NEOS: „Trotzreaktion von Kurz“

Kritik kam auch von NEOS-Landessprecherin Sabine Scheffknecht. Dem Bundeskanzler sei der Besuch in Vorarlberg und die ihm entgegengebrachte Kritik offenbar höchst unangenehm. „Danach aber die Verantwortung an uns Vorarlberger abzuschieben ist wohl nichts anderes als eine Trotzreaktion“, so Scheffknecht.

Die Verantwortung liege in diesem Bereich bei der Bundesregierung, so Scheffknecht. Die Vorarlberger hätten in den letzten Wochen Rückgrat bewiesen und seien für rechtsstaatliche und menschliche Asylverfahren aufgestanden. „Etwas mehr Rückgrat würde auch einem Bundeskanzler gut stehen“, so Scheffknecht.

Mindeststandards sind einzuhalten

Auch Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) äußerte sich zu den Äußerungen von Kurz: „Die Verantwortlichkeit dafür liegt ja beim Bundesamt für Asyl, und das Amt ist in Feldkirch. Ich bin jetzt nicht dafür, dass wir ein Aufrüsten um Worte betreiben, sondern dass wir die Sache so klären, wie sie zu klären ist. Und am Ende des Tages ist klar: Das Bundesamt für Asyl hat dafür zu sorgen, dass auch bei einer Abschiebung Standards eingehalten werden. Und das natürlich auch mit dem menschlichen Umgang zu tun.“

Wallner im Wortlaut

Auer (FSG): „Armseliges Verhalten“

„Das Verhalten des Bundeskanzlers ist einfach nur armselig“, schrieb Arbeiterkammer-Vizepräsidentin Manuela Auer (FSG) in einer Aussendung. Polizei und Beamte in Vorarlberg zu beschuldigen und pauschal in ein schlechtes Licht zu rücken sei eines Bundeskanzlers nicht würdig. „Ich kann es nicht fassen, dass Sebastian Kurz - der Bundeskanzler der Republik Österreich - die Polizei für die unmenschliche Asylpolitik der Regierung verantwortlich macht und beschuldigt“, so Auer. Kurz solle endlich damit aufhören, Innenminister Kickl und der FPÖ die Stange zu halten.

Empörung bei Bürgerdialog in Bregenz

Ein Schwall an Empörung war Kurz am Donnerstag beim Bürgerdialog in Bregenz entgegengeschlagen. Angesichts zweier umstrittener Abschiebungsfälle in Vorarlberg verlangten Bürger und Kommunalpolitiker Antworten von Kurz zum Thema Asyl - mehr dazu in Nach Abschiebungen: Bürger fordern Antworten von Kurz.

Störaktion bei Bürgerdialog

Im Landhaus in Bregenz hat ein Bürgerdialog stattgefunden. Dabei wurde Kanzler Kurz wegen der jüngsten Abschiebungsfälle kritisiert.

Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) forderte angesichts der Causa, dass die Länder beim humanitären Bleiberecht wieder Mitsprache erhalten, was die Regierung umgehend ablehnte - mehr dazu in Asylpolitik: Unterstützung für Wallners Anliegen.

Der Anwalt jener Familie aus Sulzberg, die nach Armenien abgeschoben werden soll, kämpft weiter gegen deren Abschiebung. Unter anderem stellte er einen Antrag auf Aufschiebung aus medizinischen Gründen - mehr dazu in Anwalt kämpft weiter für armenische Familie.