Missbrauchsvorwürfe: Prozess wegen übler Nachrede vertagt

Der von Ex-ÖSV-Trainer Karl „Charly“ Kahr gegen eine ehemalige Skirennläuferin und deren Ehemann am Bezirksgericht Bludenz geführte Prozess wegen übler Nachrede ist am späten Freitagabend vertagt worden. Es sollen weitere Zeuginnen angehört werden.

Der ehemalige ÖSV-Cheftrainer Karl „Charly“ Kahr hat eine ehemalige Vorarlberger Skirennläuferin und ihren Ehemann wegen übler Nachrede geklagt. Vor Gericht erhob das Ehepaar am Freitag schwere Missbrauchsvorwürfe gegen den Kläger, die Kahr vehement zurückwies. Unterstützung bekam Kahr von Ex-Skistar Annemarie Moser-Pröll, auch sie wies die Vorwürfe gegen Kahr zurück.

Die wegen übler Nachrede angeklagte Vorarlbergerin und ihr Ehemann hatten Skilegende Annemarie Moser-Pröll am Silvesterabend 2017 wütende WhatsApp-Nachrichten geschickt, in denen sie Kahr des sexuellen Missbrauchs bezichtigten. Vor dem Bezirksgericht Bludenz wird seit Freitag geklärt, ob es sich dabei um üble Nachrede handelt oder nicht. Die Anregung der Richterin, eine gütliche Einigung ins Auge zu fassen, lehnten beide Parteien ab. Die Angeklagten wollen vor Gericht stattdessen die Wahrheit ihrer Behauptungen beweisen.

Prozess: Kahr klagt Ex-Skirennläuferin

Der ehemalige ÖSV-Cheftrainer Karl Kahr hat eine ehemalige Vorarlberger Skirennläuferin wegen übler Nachrede geklagt. Der Prozess fand am Freitag am Bezirksgericht Bludenz statt.

Solidaritätsschreiben als Auslöser

Auslöser war ein öffentliches Solidaritätsschreiben an Kahr, das Moser-Pröll mit anderen ehemaligen Sportlern unterzeichnet hatte. „Wir haben erfahren, dass du dich vor Gericht wegen der Beschuldigung von sexuellen Übergriffen wehrst. Das finden wir richtig und wünschen dir, dass dabei deine Unschuld bestätigt wird“, heißt es darin. Die Unterzeichner versicherten, „dass wir während unserer aktiven Zeit im Skirennsport nie eine negative Wahrnehmung von physischer oder psychischer Gewalt deinerseits erfahren haben“.

Prozess Kahr

Dietmar Mathis

Kläger Karl „Charly“ Kahr (M.) mit seinem Anwalt Manfred Ainedter (r.) und Martin Mennel, Anwalt der Verteidigung

Die angeklagte Vorarlberger Ex-Skirennläuferin und ihr Ehemann hatten daraufhin WhatsApp-Nachrichten an Moser-Pröll geschickt, in denen es unter anderem hieß, die Serien-Weltcup-Siegerin solle sich schämen, Kahr in Schutz zu nehmen. Die Eheleute behaupteten, Kahr habe gemeinsam mit Skistar Toni Sailer viele Mädchen „missbraucht und gebrochen“, auch Moser-Pröll sei ein Opfer gewesen. Letzteres soll die Vorarlberger Ex-Wintersportlerin mit einem Foto von Kahr unterstrichen haben. Der Begleittext: „Dein Entjungferer Charly. Du warst noch keine 16 Jahre alt.“

Schwere Vorwürfe

Vor Gericht sagte der Ehemann der angeklagten Ex-Skirennläuferin, seine Frau habe in den 16 Jahren, die sie sich kennen würden, immer wieder von den Übergriffen berichtet. Kahr habe seine Gattin zum Oralverkehr zwingen und in betrunkenem Zustand vergewaltigen wollen. Aus diesen Gesprächen kenne er die Namen von drei Frauen, die Opfer von Kahrs angeblichen Übergriffen geworden seien.

Die Ex-Skirennläuferin selbst präzisierte die Vorwürfe gegen Kahr: Der ehemalige ÖSV-Cheftrainer habe sie während einer nächtlichen Zugfahrt zum Oralsex zwingen wollen. Außerdem habe er sie bei einem Kanada-Aufenthalt in sein Hotelzimmer gezogen, wo sich auch der betrunkene Sailer aufgehalten habe. Kahr habe sie auf das Bett geworfen, sie habe sich aber gewehrt und sei entkommen.

Zudem berichtete die Vorarlbergerin von einem Vorfall im Jahr 1969 bei Rennen in Frankreich. Die damals 15-jährige Moser-Pröll sei zu ihr ins Zimmer gekommen und habe erzählt, dass sich Kahr an ihr vergangen habe. „Es hat mir schon wehgetan“, habe die aufgewühlte Moser-Pröll berichtet. Danach habe Kahr die Skirennläuferin „in der Hand“ gehabt, so die Angeklagte. Erst heuer habe ihr Moser-Pröll in einem Telefonat anvertraut, dass sie Kahr geliebt habe.

Nachrichten nicht für die Öffentlichkeit gedacht

Beide Angeklagten betonten, die verhängnisvollen WhatsApp-Nachrichten seien nur für Moser-Pröll bestimmt gewesen. Es sei ihr unerklärlich, warum ihre Teamkollegin die Nachrichten an die Öffentlichkeit gebracht habe, sagte die Vorarlbergerin.

Prozess Kahr

Dietmar Mathis

Polizeibeamte sicherten den Prozess in Bludenz ab

Kahr weist Vorwürfe zurück

Kahr wies bei seiner Befragung sämtliche Vorwürfe vehement zurück. Der 85-Jährige betonte dezidiert, dass er „solche Dinge“ nie getan habe - er habe in seinem Leben niemals jemanden vergewaltigt, noch sei er in Zimmer von Rennläuferinnen gegangen. Er habe nie Sex mit einem Mitglied des Damen-Skiteams gehabt, auch nicht nach seiner Zeit als Damen-Trainer. Grundsätzlich stellte Kahr fest: „Ich habe nicht auf so einem Niveau gelebt. Ich weiß nicht, wo das herkommt.“

Als Moser-Pröll ihm die WhatsApp-Nachrichten des angeklagten Ehepaars gezeigt habe, sei für ihn „etwas zerbrochen. Ich habe eine wunderbare Familie und Enkel. Ich konnte das nicht so stehen lassen“, betonte Kahr.

Kein Wissen von Exzessen

Von Anzüglichkeiten oder Alkoholexzessen in den österreichischen Skiteams in den 1960er und 1970er Jahren wisse er nichts, sagte Kahr. Man habe ja Leistung bringen müssen und habe Verantwortung getragen, unterstrich er. Auf entsprechende Nachfrage sagte er, dass auch Sailer nicht mehr getrunken habe als „jeder normale Mensch“. Ob die Gefahr bestehe, dass durch eine der WhatsApp-Nachrichten sein Ansehen bei Moser-Pröll beeinträchtigt werde? „Ganz sicher“, zeigte sich Kahr überzeugt.

„Das ist nicht mehr normal“

Ex-Skistar Annemarie Moser-Pröll verwies ebenfalls alle Vorwürfe von sexuellen Übergriffen im Damen-Skiteam der 1960er- und 70er-Jahre ins Reich der Unwahrheiten. Sie könne die Aussagen der Beklagten in keiner Weise nachvollziehen. „Das ist nicht mehr normal“, zeigte sich Moser-Pröll entsetzt. Sie habe seit dem Erhalt der WhatsApp-Nachrichten schlaflose Nächte. Durch die WhatsApp-Nachrichten sei sie „in etwas gedrängt worden, von dem ich nichts weiß“. Sie habe nie etwas von sexuellen Übergriffen mitbekommen.

Prozess Kahr

Dietmar Mathis

Annemarie Moser-Pröll am Freitag in Bludenz

Moser-Pröll nimmt auch Sailer in Schutz

„Ich bin von Kahr weder sexuell belästigt, noch missbraucht, noch von ihm entjungfert worden“, betonte sie. Die Aussage der Beklagten, wonach sie - Moser-Pröll - Kahr „geliebt“ habe, relativierte Moser-Pröll. Den „Charly“ hätten die jungen Rennfahrerinnen alle geliebt, weil er sie weitergebracht habe, „auf den sind alle abgefahren“. Das sei aber nichts Amouröses gewesen. Auch Toni Sailer nahm sie dezidiert in Schutz. Er sei immer ein großes Vorbild gewesen, jetzt werde er dargestellt „wie der letzte Dreck“.

Prozess nach neun Stunden vertagt

Letztlich vertagte Richterin Flatz den Prozess nach einer Dauer von mehr als neun Stunden auf unbestimmte Zeit. Richterin Daniela Flatz wollte weitere Zeuginnen - mutmaßliche Missbrauchsopfer - hören, außerdem soll der Ermittlungsbericht der Staatsanwaltschaft Leoben eingeholt werden. Diese ermittelt unabhängig vom Prozess in Bludenz gegen Kahr - mehr dazu in Jetzt ermittelt StA Leoben gegen Kahr.