Wahlkarten: Unwissen schützt doch vor Strafe

Im Prozess um die Bludenzer Wahlkartenaffäre wurden die Angeklagten am Dienstag freigesprochen. Einen Freispruch gab es auch im Fall von Hohenems. Gilt der Grundsatz „Unwissenheit schützt vor Strafe nicht“ überhaupt noch?

In beiden Fällen sah das Gericht keine schlüssigen Beweise für einen Amtsmissbrauch der betroffenen Beamten. Andreas Venier, Professor für Strafrecht an der Universität Innsbruck, sagte dazu, dass bei Amtsmissbrauch die Wissentlichkeit eine entscheidende Rolle spiele. Menschen würden eben Fehler machen, so Venier. „Und darum sieht eben der Straftatbestand des Amtsmissbrauchs vor, dass nur wissentlicher Missbrauch strafbar ist, nicht bloße Schlamperei, nicht bloß etwas ernstlich für möglich halten - sondern man muss es geradezu wissen, dass etwas falsch ist.“

Dazu kommt laut Venier, dass Gesetze vielfältig sind und ihre Auslegung - sowohl für Laien als auch Juristen - nicht immer einfach ist. Daher sei es durchaus vorstellbar, dass nicht rechtskundige Beamte Vorschriften anders interpretieren, als es der Gesetzgeber vorgesehen hat.

Delegieren als gängige Praxis

In beiden Fällen wurden die Ermittlungen gegen die Bürgermeister eingestellt, obwohl sie eigentlich als Stadtoberhäupter auch oberste Wahlleiter sind. Das sei durch die gängige Praxis zu erklären, dass Bürgermeister bei einer Wahl gewisse Aufgaben an Mitarbeiter delegieren würden.

„Ein Bürgermeister kann nicht alles selber erledigen, er muss diese Entscheidungen und diese Vorbereitungen seinen Mitarbeitern übertragen, und da kann es natürlich vorkommen, dass der Bürgermeister das ohne nähere Überprüfung der Sachlage auch gegenzeichnet, ohne dass ihm die Fehler auffallen“, so Venier.

Viele Freisprüche

Vor zwei Jahren wurden die Bürgermeisterwahlen in Hohenems und Bludenz vom Verfassungsgerichtshof wegen Unregelmäßigkeiten bei der Ausgabe von Wahlkarten aufgehoben. Vier Angeklagte wurden am Dienstag nicht rechtskräftig freigesprochen. Auch ein Hohenemser Stadtbeamter war im Mai freigesprochen worden. Alle hatten Wahlkarten ohne persönlichen Antrag der jeweiligen Wähler ausgestellt und an dritte Personen ausgegeben.

Das widerspricht zwar den geltenden Bestimmungen, aber die Angeklagten gaben vor Gericht an, das nicht gewusst zu haben. Sie seien damals der Meinung gewesen, dass ihre Vorgangsweise korrekt sei. Das Gericht entschied in beiden Fällen, dass die Angeklagten nicht wissentlich gegen das Gemeindewahlgesetz verstoßen haben.