Dalpra: Frühe Konfrontation wichtig

Nach der Familientragödie am Samstag in Hohenems wird auch über das Betretungsverbot diskutiert. Experte Arno Dalpra von der Gewaltberatungsstelle des ifs fordert eine verpflichtende Gewaltberatung nach Verhängung eines solchen Verbots.

Eine Betretungsverbot - wie es auch gegen den mutmaßlichen Täter in Hohenems verhängt worden war - sei für die betroffene Person ein sehr traumatisches Erlebnis, sagte der Experte im „Vorarlberg heute“-Studiogespräch: Plötzlich sei klar, dass im „Familiensystem" Gewalt vorhanden sei. „Er ist erkannt, er ist ausgeleuchtet“, so Dalpra. Das Weggewiesen-werden sei ein entscheidender Moment, weil die Täter oft zum ersten Mal mit ihrem Tun konfrontiert würden.

Studiogespräch mit Arno Dalpra

Psychotherapeut Arno Dalpra, Leiter der ifs Gewaltberatung, erläutert, warum ein Mensch die Menschen tötet, die er am meisten liebt.

Während Opfer nach einer Gewalttat aber unmittelbar kontaktiert werden, gelte das für die Täter nicht: „Hier hat der Gesetzgeber eine Frist, bis ein juristisches Urteil darüber gefällt wurde, ob es ein Täter ist oder nicht." Dalpra hält das für falsch: Zeitnähe sei ein wesentliches Element, um zu erkennen, dass man ein Gewalttäter ist. Die Konfrontation müsse daher rasch geschehen. Sonst habe der Täter Zeit, sich die Tat schönzureden.

Täter oft zuvor krank

Experte Cornel Binder-Krieglstein sagte wiederum, bei erweiterten Suiziden wie in Hohenems seien oft bereits vorher psychische Probleme vorhanden. „Oftmals ist es bei solch einem Tathergang so, dass es bereits eine psychische Auffälligkeit gab“, sagte Binder-Krieglstein der APA. Sie müsse aber von außen nicht sichtbar sein, fügte der Experte vom Berufsverband Österreichischer Psychologen (BÖP) hinzu.

Im Moment der Tat sei der Täter jedenfalls „in einer Ausnahmesituation. Er sieht ein Ziel, das er für sich umsetzen muss.“ Das ziehe derjenige dann durch, erläuterte Binder-Krieglstein. Häufig würden sich die späteren Täter in solchen Fällen ungerecht behandelt fühlen. Die Probleme könnten aber auch in den psychopathologischen Bereich gehen - etwa, dass der Betroffene vor der Tat eine Eingebung bekommen hat, so der Psychologe.

Betreuung wichtig

Erweiterter Suizid wird laut Binder-Krieglstein oft als Schlusspunkt gesehen, „um sich aus der Verantwortung zu ziehen“. Die „Idee“ Recht zu haben oder sich durchsetzen zu wollen werde dabei so groß, dass der Täter etwa auch die eigenen Kinder tötet, bevor er Selbstmord begeht.

Der Fall zeige, dass Wegweisungen und Betretungsverbote „nicht grundlos“ ausgesprochen werden, betonte Binder-Krieglstein. Solche schweren Bluttaten seien aber „zum Glück Einzelfälle“. Eine zusätzliche Möglichkeit zur Abwendung von Gefahren wäre es, den potenziellen Gewalttätern niederschwellige psychologische Betreuung anzubieten - eventuell anonym oder kostenfrei, sagte der Experte. Die Täter hätten oft das Gefühl, sie seien allein. Die Betreuung müsste jedenfalls von Fachkräften übernommen werden, so Binder-Krieglstein.

Bluttat in Hohenems

In Hohenems hat sich in der Nacht auf Samstag eine Familientragödie ereignet: Ein 38-jähriger Mann tötete seine Ehefrau und seine beiden Töchter, dann nahm er sich selbst das Leben. Gegen den Mann bestand ein Betretungsverbot - mehr dazu in 38-Jähriger tötet Frau und beide Kinder.

Österreichisches Suizidpräventionsportal
www.suizid-praevention.gv.at

Österreichweite Krisennummern
www.hilfe-in-der-krise.at

Telefonseelsorge Vorarlberg
Telefonnummer 142
www.142online.at

Rat auf Draht Teenager-Hotline des ORF
Telefonnummer 147
rataufdraht.orf.at

Selbsthilfegruppe Hinterbliebene nach Suizid
selbsthilfe-vorarlberg.at