Neue Mindestsicherung: Land will Millionen sparen

Vorarlberg hat ein neues Modell der Mindestsicherung. Vorgestellt wurde es am Dienstag. Damit sollen jährlich drei Millionen Euro an Sozialhilfe eingespart werden, einen Deckel gibt es nicht.

Das landeseigene Modell war nach dem Scheitern einer bundesweiten Einigung notwendig geworden. Das am Dienstag von der schwarz-grünen Koalitionsregierung vorgestellte Konzept sieht jetzt Einsparungen vor allem bei der Anrechnung der Wohnkosten sowie bei den Richtsätzen für Wohngemeinschaften vor. Letzteres trifft vor allem Flüchtlinge. Zudem werden Anreize für den Wiedereinstieg ins Berufsleben geschaffen.

Flüchtlingskrise als Ursache?

37,5 Millionen Euro zahlte das Land im Vorjahr an Mindestsicherung. Das ist mehr als doppelt so viel wie vor sechs Jahren. Als Grund nannte Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) bei der Präsentation des neuen Mindestsicherungsmodells am Dienstag die Flüchtlingsbewegung. So hätten 2013 rund 1.000 Asylberechtigte die Mindestsicherung erhalten, 2016 seien es schon mehr als 3.000 gewesen. „Wenn das so weiter geht, sprengt es das ganze System“, so Wallner.

In diesem Bereich wird auch am meisten gekürzt: So reduziert sich der Mindestsicherungssatz für Personen, die in einer Wohngemeinschaften - also primär für Asylberechtigte in Gruppen-Unterkünften - von derzeit 630 auf nur noch 473 Euro. Die Kosten der Zimmer will das Land als Sachleistung übernehmen.

Integrationsvereinbarung wird Teil des Modells

Die weiteren Änderungen: Die maximal anerkannten Wohnkosten werden begrenzt, für eine alleinstehende Person beispielsweise von derzeit 529 auf 503 Euro. Und auch die Mindestsicherungssätze für Kinder werden geändert, was vor allem Großfamilien trifft. Für die ersten drei Kinder bleiben die Sätze wie bisher bei 184 Euro pro Kind, ab dem vierten und dann noch einmal ab dem siebten Kind reduzieren sie sich jedoch auf nur noch 126 bzw. 101 Euro.

Ebenfalls neu ist, dass die Integrationsvereinbarung, die alle asylberechtigten Flüchtlinge unterzeichnen müssen, Teil des neuen Modells wird. Wer die Vereinbarung nicht einhält und zum Beispiel keine Deutschkurse nachweisen kann, dem wird die Mindestsicherung um die Hälfte gekürzt. Ab Mitte Februar soll es dazu genaue Kontrollen geben.

Die „allerwichtigste Zielsetzung“ des neuen Modells sei aber, Mindestbeziehungsbezieher (wieder) in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Deswegen wird die Freibetragsgrenze für die Berechnung der Mindestsicherung für „Aufstocker“ von 17 auf 30 Prozent angehoben.

Landtag beschließt im Frühjahr

Soziallandesrätin Katharina Wiesflecker (Grüne) zeigte sich zufrieden mit der Lösung, die Tirol von Vorarlberg übernommen hat. Für sie ganz wichtig: „Es wird keinen generellen und undifferenzierten Deckel geben, wie das in anderen Bundesländern erfolgt, und wir halten uns an verfassungsrechtliche und europarechtliche Bestimmungen, weil wir keine Ungleichbehandlung machen.“

Der neue Mindestsicherungssatz für Wohngemeinschaften ist bereits seit dem 1. Jänner Kraft, den Rest des neuen Modells soll der Vorarlberger Landtag Anfang April beschließen. Die neuen Regelungen sollen dann ab dem 1. Juni gelten.

FPÖ: Schritt in die richtige Richtung

Das Modell sei ein Schritt in die richtige Richtung, ob er aber ausreicht, werde sich zeigen, sagte der Freiheitliche Klubobmann Daniel Allgäuer in einer ersten Reaktion. Das Modell enthalte zwar viele FPÖ-Forderungen - wie etwa die stärkere Betonung der Integrationspflicht der Asylberechtigten und Anreize zur Arbeitsaufnahme - aber ob drei Millionen Euro Einsparungen ausreichend seien, die Kosten nachhaltig zu dämpfen, das sei noch offen. Nach Vorliegen des Gesetzestextes werde man entscheiden, ob man das Modell unterstützen könne.

SPÖ lehnt Modell ab

Für die SPÖ ist dagegen jetzt schon klar, dass sie es ablehnen wird. Die designierte SPÖ-Landesvorsitzende Gabriele Sprickler-Falschlunger und Klubvorsitzender Michael Ritsch sagten: Nur weil die Kürzungen bei der Vorarlberger Mindestsicherung nicht so krass ausfallen wie in anderen Bundesländern, müsse man noch lange nicht jubeln. Immerhin kürzten ÖVP und Grüne die Mindestsicherung um etwa zehn Prozent - bei den Ärmsten der Armen. Das neue Modell bekämpfe nicht Armut, sondern die Armen.

NEOS: Arbeit muss sich bezahlt machen

NEOS-Sozialsprecherin Martina Pointner sagte, sie sei vor allem froh, dass es keinen undifferenzierten Deckel im neuen Vorarlberger Mindestsicherungsmodell gibt, dafür aber mehr Anreize zur Arbeitsaufnahme. Arbeit zahle sich aber nach wie vor nicht immer aus, kritisierte Pointner, in manchen Fällen sei die Mindestsicherung weiter höher als ein Arbeitslohn. Und Bedenken hatte NEOS auch, dass der ohnehin hohe bürokratische Aufwand weiter steigen könnte. Daher sei laufendes Controlling unbedingt nötig.

Schmolly: Keine roten Linien überschritten

Es werden keine roten Linien - wie etwa eine Pauschaldeckelung - überschritten, sagte Caritas-Direktor Walter Schmolly. Die Einschränkungen bei Wohnkosten oder die Aktivierung in den Arbeitsmarkt bräuchten aber Begleitmaßnahmen. Diese sollen bei einem Experten-Hearing der Caritas im März erarbeitet werden. Schmolly betonte, das soziale Netz in Vorarlberg habe jetzt jedenfalls keine Luft mehr nach unten.

Der Geschäftsführer des Instituts für Sozialdienste (ifs), Stefan Allgäuer, sah teilweise große Probleme bei der neuen Mindestsicherung durch die Senkung der Wohnkosten: Treffen etwa die niedrigeren Kostensätze für Wohngemeinschaften auch jene von Menschen mit Behinderung? Generell passen die Einschränkungen bei den Wohnkosten für Allgäuer nicht mit dem großen Mangel an leistbaren Wohnungen in Vorarlberg zusammen, das Land müsse hier mehr investieren.

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