Maßnahmen zur Bettlerfrage in Vorarlberg

Nach dem Treffen von Katharina Wiesflecker (Grüne) und Erich Schwärzler (ÖVP) mit Vertretern von Dornbirn, Bludenz und Nenzing sind als gemeinsame Strategie Campingverbote gegen Bettler, ein Bettelverbot mit Kindern und an bestimmten Markttagen vereinbart worden.

Am Montag bei einem Treffen von Landesrätin Katharina Wiesflecker (Grüne) und Landesrat Erich Schwärzler (ÖVP) mit Vertretern von Dornbirn, Bludenz und Nenzing war das Ziel eine gemeinsame Strategie im Umgang mit den rumänischen Bettlern. Vereinbart wurden Campingverbote, ein Bettelverbot mit Kindern sowie an bestimmten Markttagen, hieß es gegenüber „Vorarlberg heute“. Zudem wird es finanzielle Hilfen für die Betroffenen in ihrer Heimat Rumänien geben. Geschätzte 30.000 Euro sollen den Bedürftigen mit Hilfe bekannter Organisationen wie der Caritas zukommen.

Wiesflecker: „100 Bettler“

Wiesflecker stellte am Montag in einer Presseaussendung klar, dass sie Campingverbote und generelle Bettelverbote nicht unterstütze. Sie berichte lediglich über Ergebnisse der Sitzung. Nachdem die Lager in Nenzing und die Turnhalle in Bludenz geräumt worden wären, sammelten sich die Bettler wieder in Dornbirn. Wiesflecker geht am Montag von knapp 100 aus. Darunter befänden sich vier Babies und etwa 15 Jugendliche, schreibt Wiesflecker.

Städte planen begrenzte Bettelverbote

„Die Städte Dornbirn und Bludenz werden mit lokalen, zeitlich begrenzten Bettelverboten an Markttagen und Christkindlmarkt reagieren, was ihnen das bestehende Sicherheitspolizeigesetz ermöglicht“, so Wiesflecker in der Aussendung. Die Stadt Dornbirn erlasse zudem eine Campingverordnung. All das liege in der Kompetenz der Gemeinden.

„Ich habe dazu überhaupt keinen persönlichen Kommentar abgegeben, das habe ich lediglich als weitere Vorgehensweisen der Städte berichtet“, so die Soziallandesrätin. „Ich war in der Sitzung übrigens die Einzige, die sich nach wie vor für legale Campingmöglichkeiten aussprach, blieb aber in der Minderheit.“ Eine Verschärfung im Hinblick auf ein Bettelverbot mit Kindern im Landessicherheitsgesetz dagegen unterstütze sie ausdrücklich, so Wiesflecker.

Finanzielle Hilfe in Rumänien geplant

Das Land, so Wiesflecker, würde eine finanzielle Hilfe der Gemeinden verdoppeln. „Wir können uns auf Landesebene im Rahmen der Osthilfe eine Verdoppelung der Beiträge der Gemeinden vorstellen, sodass wir auf eine Größenordnung von 30.000 Euro kommen zur Hilfestellung für Projekte in Rumänien in Zusammenarbeit mit Organisationen vorort - Elias (Elijah, Red.), Concordia und Caritas“, erläutert Wiesflecker in ihrer Aussendung.

Phänomen zwischen Ärgernis und Hilfsbereitschaft

Das Phänomen bettelnder Menschen machte sich in den vergangenen Wochen mit einiger Vehemenz in Vorarlbergs Innenstädten bemerkbar, was zu Verstörungen in der Bevölkerung führte. Der Bericht der Stadtpolizei Dornbirn an sie sei zu zwei Dritteln mit Beschwerden über Bettler voll, so Bürgermeisterin Andrea Kaufmann (ÖVP) im Oktober.

Der tägliche Anblick von Armut mobilisierte andererseits die Hilfsbereitschaft in Teilen der Zivilgesellschaft. In Dornbirn wurde im Oktober eine Unterstützungsplattform für Bettler gegründet. Vertreten sind u.a. der evangelische Pfarrer von Dornbirn sowie Privatpersonen. In Bludenz bildete sich Ende Oktober eine Gruppe zur Unterstützung der Roma in Vorarlberg. Mit Kleiderspenden und gelegentlichen Unterkunftsangeboten wurde den Menschen im Wald zwischen Nenzing und Schlins geholfen.

Wilde Zeltlager vermittelten trostloses Bild

Zwei wilde Zeltlager in Nenzing und Dornbirn zeigten die trostlose Lage der - laut Stadt Dornbirn - rumänischen EU-Bürger. Insgesamt schätzte Soziallandesrätin Wiesflecker die Zahl für ganz Vorarlberg Ende Oktober auf 140 Personen. „Es können aber auch mehr sein“, so Wiesflecker auf ORF-Anfrage am 24.10.2015. Ein Familienverband mit 23 Personen, der in Dornbirn angetroffen wurde, komme „aus der rumänischen Stadt Ploiesti aus dem Vorort Jud Prahova“, teilte Wiesflecker mit. „Letzten Sommer gab es dort ein großes Hochwasser, die meisten haben deshalb kein Haus mehr.“

Die Stadt Dornbirn ging zuletzt von Notreisenden aus vier rumänischen Städten aus, neben Ploiesti waren es Brasov, Sibiu und Buzau, wie die Stadt in einer Presseaussendung mitteilte. In einer späteren Aussendung ließ die Stadt Dornbirn wissen, Erkundigungen bei der österreichischen Botschaft in Bukarest hätten ein Hochwasser nicht bestätigt.

Viele Fragen offen

Offiziell kennt man weder den Bildungsstatus, noch die Berufe der Menschen, die sich in wilden Zeltlagern in Vorarlberg niederließen. Im Detail wisse man auch nicht, warum die Menschen letztlich nach Vorarlberg zum Betteln kamen, so Landtagsabgeordnete Nina Tomaselli (Grüne). Helfer kritisieren, dass Behörden und Ämter sich bisher an einer näheren Abklärung nicht interessiert zeigten.

Eine Verständigung ist fast nur über Dolmetscher möglich. Kaum jemand suchte bisher den direkten Kontakt mit den Menschen in den Zeltansammlungen unter der Brücke, so eine Mitglied der Unterstützungsplattform aus Dornbirn. Man rege sich zwar über Verschmutzungen und den Müll auf, stelle aber weder Müllcontainer, Dixie-Klo noch einen adäquaten Campingplatz zur Verfügung, so die Kritik. Unter den privaten Helfern stößt die jüngste Aussage von Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP), er wolle keine Signale aussenden, die weitere Menschen anziehen, auf wenig Verständnis.

Sozialinstitutionen sind nur in Ausnahmen zuständig

Sozialorganisationen konnten bisher wenig Hilfe anbieten. Es fehle ein entsprechender Auftrag, denn Anspruch auf Mindestsicherung haben diese rumänischen Unionsbürger nicht, so Erich Ströhle von der Wohnungslosenhilfe im Oktober.

Wiesflecker verwies am Montag auf ihre Anweisung an drei Einrichtungen der Obdachlosenhilfe - Kolpinghäuser Götzis und Bregenz, Haus Bonetti in Dornbirn - Notunterkünfte für Frauen mit Kindern auf Zuweisung der Kinder- und Jugendhilfe für eine begrenzte Zeit zur Verfügung zu stellen.

Es gebe etwa 20 Plätze. „Zeitweise wurden in den letzten Wochen im Kolpinghaus Götzis mehr Personen untergebracht“, erläutert die Soziallandesrätin. Die neuen Notschlafplätze für Frauen stehen erstmals seit rund einer Woche zur Verfügung.

Auch bulgarische EU-Bürger an der Ach

In Dornbirn stieß die Stadtpolizei Dornbirn am Sonntag im Zeltlager an der Ach auch auf bulgarische EU-Bürger. Ihre Personalien wurden überprüft. Dabei wurde das Zelt unbewohnbar gemacht, so die Stadtpolizei Dornbirn am Tag darauf laut Pressesprecher in einer Aussendung. Die Polizei habe sein Zeltgestänge zerbrochen, so der Inhaber des Zelts gegenüber dem ORF. Für weitere Auskünfte abseits der Aussendung war die Stadtpolizei Dornbirn am Montag nicht erreichbar.

Roma sind eine Volksgruppe

Familien der Roma gehören zur größten europäischen Minderheit. Sie sind eine Volkgruppe mit großen Unterschieden. Darauf verweisen Kenner der Roma, etwa der Journalist Norbert Mappes-Niediek in seinem Buch „Arme Roma, böse Zigeuner“. Familien der Roma leben in Rumänien, Bulgarien, Ungarn, der Slowakei und Tschechien. Die Mehrheit der Roma ist heute sesshaft. Nur wenige unter den Roma zählen zu den „Fahrenden“.

Notreisende, die heute in Vorarlberg anzutreffen sind, gelten nicht als „Fahrende“. Zu Hause leben sie unter einer festen Adresse. Durch Betteln verdienen die Menschen im reichen Westeuropa in einigen Monaten grade soviel, um die Familie über Wasser zu halten. Bis zum Fall des Eisernen Vorhangs hatten die meisten noch Arbeit. Ab 1989, als Fabriken und Kolchosen schlossen, waren Roma die Ersten, die gekündigt wurden.

Notreisende sind Touristen

In Vorarlberg scheinen heute mehr bettelnde Menschen anzukommen als noch vor einem Jahr. Das wird in der Bevölkerung so wahrgenommen. Ob es stimmt, ist aufgrund fehlender offizieller Erhebungen heute unklar. Unklar ist auch, ob Bettler lediglich ihren Standort zwischen den Städten im Rheintal und Walgau wechseln und die Anzahl der Personen an sich gleich bleibt.

Wiesflecker geht davon aus, vor allem die Familien, die sich in Dornbirn aufhalten, wollen auf Dauer bleiben „und auch ihre Kinder hier in die Schule schicken, wenn man sie lassen würde. Die Männer würden gerne Hilfsarbeiten am Bau etc. machen.“

Auf ORF-Anfrage teilte Wiesflecker mit: „Es ist eigentlich die Aufgabe der Frauen zu betteln. Ich habe das Gefühl, dass sie grundsätzlich eher planlos in den Tag leben – nach dem Motto, der morgige Tag wird schon zeigen wie wir das lösen, bisher hat es immer funktioniert. Sie sind subjektiv eigentlich ziemlich zufrieden mit der Situation wie sie leben, es ginge ihnen hier besser wie in Rumänien. Ansprüche oder gar ein Zugang ins Sozialsystem wird nicht gefordert. Sie kennen das gar nicht, dass man hier eine mittellose Person vom Staat unterstützt. Andere wiederum sehen die Arbeit „Betteln“ als Saisonarbeit und reisen regelmäßig auch wieder zurück und kommen dann wieder - das ist mit Sicherheit die Mehrheit“, so Wieflecker.

Schätzung zum Einkommen

Das Einkommen der Bettler schätzt die Soziallandesrätin wie folgt ein: „Mit Betteln verdient man hier realistischerweise 15 Euro am Tag.... (Die Menschen, Red.) betteln ja auch nicht acht Stunden durchgehend. In den ... Strafbescheiden, die ich gelesen habe, war die größte Summe, die man jemand vor Ort und Stelle abgenommen hat 8,79 Euro. Meistens ging es aber um Beträge zwischen 50 Cent und zwei Euro. Der Stundenlohn vor Ort in Ploeisti beträgt etwa 1,25 Euro.“

Sozialressort kündigt Studie an

Wiesflecker kündigte am Montag eine Studie an. Was genauere Untersuchungen über Motive, Fluktuationen, etc. betreffe, sei das Land mit Erika Geser-Engleitner von der FH in Dornbirn im Gespräch, die Vorerhebungen zu einer Studie machte. Hier überlege das Land, welche neuen, anderen Erkenntnisse daraus zu bekommen seien, neben den bekannten Ergebnissen aus Salzburg.

Niederlassungsfreiheit auch in Vorarlberg

Generell steht es einem EU-Bürger frei, sich in Vorarlberg niederzulassen, sofern er den Lebensunterhalt nachweisen kann und eine Krankenversicherung vorliegt. Notreisende in Vorarlberg gelten als Touristen. Nach drei Monaten Aufenthalt wird eine Neueinreise verlangt.

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