Wirbel um Ferienwohnungen in Lech

Bewilligungen für Ferienwohnungen sind im Nobelskiort Lech ein heißes Eisen. Wer bekommt eine und wer nicht? Immer mehr Menschen sind verärgert über eine angeblich „völlig intransparente“ Bewilligungspolitik der Gemeinde. Der Bürgermeister weist die Kritik zurück.

Bürgermeister Ludwig Muxel (ÖVP) wurde nicht müde zu betonen, in Lech werde seit langem keine neue Ferienwohnung bewilligt. Die FPÖ wollte es diesen Sommer genau wissen. Sie stellte eine Landtagsanfrage. Es kam heraus, die Gemeinde Lech hatte in Wahrheit mehr als 20 neue Ferienwohnungen genehmigt. In den Reihen der abgewiesenen Antragsteller tauchten Fragen auf.

Dieses Element ist nicht mehr verfügbar

Bericht: Thomas Schweinberger und Robert Zikmund, Schrottenbaum/Weitze (Kamera), Stefan Sojka (Schnitt).

(Sendehinweis: „Report“, 4.11.204, ORF2, 21.05 Uhr.)

Der Vorarlberger Architekt Said Ramic aus Mäder zählt zu den Abgewiesenen. Er besitzt ein Haus in Oberlech. 2006 suchte Ramic um drei Ferienwohnungen an. Bürgermeister Ludwig Muxel (ÖVP) sagte „Nein“. Muxel habe auf das Entwicklungsleitbild der Gemeinde verwiesen, so Ramic. Ein unmittelbarer Nachbar von Ramic, ein Vorarlberger Unternehmer, hatte wohl mehr Glück. Der Nachbar habe die Ferienwohnung bei gleichen Voraussetzungen gewidmet bekommen, so Ramic. Aus Sicht des Architekten eine offensichtliche Ungleichbehandlung. Ramic wirft Bürgermeister Muxel willkürliche Entscheidungen vor.

Bürgermeister Muxel weist Vorwürfe von sich

Der Bürgermeister weist die Vorwürfe zurück. Ramic hätte zunächst von Hauptwohnsitz gesprochen und später auf Ferienwohnungen umgeschwenkt, so Muxel. Ramic kontert, er habe mit Muxel nie darüber gesprochen. Er habe bewusst jegliche Umgehung abgelehnt. Seine Eltern hätten fünf Jahre einen Hauptwohnsitz in Lech gehabt, den sie kranksheitsbedingt wieder aufgeben mussten. Nach fünf Jahren Hauptwohnsitz sei eine Widmung als Ferienwohnung möglich.

Dieses Element ist nicht mehr verfügbar

Architekt Ramic entdeckte inzwischen weitere Prominente, die wohl kein Problem hatten, Ferienwohnungen im Nobelskiort zu bekommen: Darunter ein Rennfahrer, ein deutscher Milliardär und ein internationaler Investor. „Muss man berühmt und reich sein, um in Lech eine Widmung für eine Ferienwohnung zu erhalten?“ fragt sich seitdem nicht nur der Vorarlberger Architekt Ramic. Vieles laufe hinter verschlossenen Türen ab, obwohl Flächenwidmungen doch öffentlich zu machen wären, kritisiert Ramic.

Gemeinde nützt Ermessensspielraum

Laut Raumplanungsgesetz hat die Gemeinde einen Ermessensspielraum. Juristen kritisieren diesen Spielraum. In „besonders berücksichtigungswürdigen Fällen“, so das Raumplanungsgesetz, können Gemeindevertretung oder Gemeindevorstand Ferienwohnungen bewilligen. Was als „besonders berücksichtigungswürdig“ zu gelten hat, scheint in Lech ein kleiner Kreis zu bestimmen.

Kritiker orten zweierlei Maß

Finanzielle Nöte des Verkäufers einer Liegenschaft zählen offenbar zu den besonderen Umständen. Doch wann sind sie so berücksichtigungswürdig, dass es zur Ferienwohnungsbewilligung kommt, wodurch der Verkaufspreis einer Immobilie um ein Vielfaches steigt? Manchmal scheint das wirtschaftliche Argument zu greifen, ein anderes Mal nicht. Der Dornbirner Rechtsanwalt Karl Schelling berichtet von einem Lecher Unternehmer, der sein Wohnhaus angeblich um 5,4 Mio Euro statt um 1,5 Mio Euro verkaufen konnte, nachdem die Gemeinde eine Ferienwohnung bewilligt hatte.

Eine Lecher Bauernfamilie dagegen wartet seit Jahren auf eine Umwidmung landwirtschaftlicher Fläche in lukratives Bauland. In einem anderen Fall dagegen wurde die Ferienwohnung genehmigt, weil Halbtagsbeschäftigung vorlag. „Das hätte jeder gern, um sein Einkommen aufzubessern“, so Anwalt Schelling. Kritiker orten zweierlei Maß in der Gemeindestube: Die Entscheidungen seien völlig intransparent.

Immer mehr reiche Käufer suchen Ferienwohnungen in Lech. Der Platz ist naturgemäß beschränkt. So steigt der Druck auf die Grundstückspreise. Viele Tourismusgemeinden in den Alpen wollen einen Ausverkauf von Grund und Boden verhindern. Und auch Lech bekannte sich in der Vergangenheit zu diesem Ziel.

Prominente Namen unter Ferienwohnungsbesitzern

Zu den „Reichen und Wichtigen“, die jeden Monat vorsprechen, wie Bürgermeister Muxel selbst erzählt, gehörte zuletzt wohl auch Rennfahrer Sebastian Vettel. Heute steht Vettel im Grundbuch von Lech - mit einer Ferienwohnung um fast 3,5 Mio. Euro. Der Kaufvertrag liegt dem ORF vor.

Werden Einzelwidmungen für Ferienwohnungen erteilt, öffnet diese Praxis einer Antragsflut Tür und Tor, kritisiert Anwalt Schelling. Nach dem Grundsatz, „Einer oder Keiner“, gilt nämlich in der EU das Diskriminierungsverbot. Demnach hätte jeder EU-Bürger Anspruch auf eine Bewilligung.

Mittlerweile steht ein Verstoß Österreichs gegen die Kapitalverkehrsfreiheit wegen des Vorarlberger Raumplanungsgesetzes im Raum. Kritisch scheint vor allem die Bestimmung, wonach ein fünfjähriger Hauptwohnsitz Voraussetzung für einen Ferienwohnsitz ist. Das können meist nur Einheimische erfüllen. Sie sind demnach bevorzugt, andere diskriminiert. Es ist davon auszugehen, in Zukunft wird die EU das nicht mehr tolerieren.

EU-Vertragsverletzungsverfahren läuft

Die Bewilligungspolitik in Lech trug Österreich bereits ein sogenanntes EU-Vertragsverletzungsverfahren ein. FPÖ-Obmann Dieter Egger legt den Finger in die Wunde: Wegen Lech sei Vorarlberg in einer schwierigen Situation. Das Raumplanungsgesetz muss novelliert werden, um eine EU-Klage abzuwenden. Daran wird seit eineinhalb Jahren gearbeitet. Die Zeit drängt. Das Begutachtungsverfahren wurde im Juli abgeschlossen.

Die Gemeinde Lech wies in ihrer Stellungnahme darauf hin, ein rechtskräftiges Gesetz wäre noch heuer erforderlich, um eine Genehmigungsflut zu verhindern. Inzwischen liegen 30 weitere Anträge vor. Die Ferienwohnungen müssten angeblich bewilligt werden, um juristischen Ärger wegen allfälliger Diskriminierungen zu vermeiden. Da ist sich Anwalt Schelling sicher. Mit der Gesetzesnovelle ist allerdings, laut Raumplanungs-Landesrat Karlheinz Rüdisser (ÖVP), erst im nächsten Frühjahr zu rechnen.

Link: