Direkte Demokratie, Koalitionsfrage und Bordell

Wie können Ideen der Bürger besser in die politische Entscheidungsfindung einfließen? Wie könnten Koalitionen nach der Wahl aussehen? Und: Wie stehen die Spitzenkandidaten zu einem Bordell? Diese Fragen kamen am Mittwochabend bei einer Diskussion der Spitzenkandidaten in Vandans zur Sprache.

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Teil 1

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Teil 2

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Es diskutierten Markus Wallner (ÖVP), Dieter Egger (FPÖ), Johannes Rauch (Grüne), Michael Ritsch (SPÖ) und Sabine Scheffknecht (NEOS). Moderiert wurde der Abend von Daniel Rein (ORF Vorarlberg) und Tony Walser („Vorarlberger Nachrichten“).

Direkte Demokratie: Alle für Ausbau

Als erstes wurde das Thema direkte Demokratie angesprochen. Darüber, dass es einen Ausbau der direkten Demokratie brauche, waren sich alle einig. Für Dieter Egger (FPÖ) ist direkte Demokratie eine wichtige Antwort auf die Politikverdrossenheit, er sieht die Schweiz dabei als Vorbild. Eine Frage sei, wie die Politik Ergebnisse der direkten Demokratie dann handhabe: So habe sich das Volk eindeutig für ein Bundesheer ausgesprochen, und doch werde dieses jetzt ausgehungert.

Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) verwies auf das Demokratiepaket, das im Landtag per Vierparteienentscheidung verabschiedet worden sei. Er sagte, er würde sich persönlich wünschen, dass Bürgerräte in der Landesverfassung verankert würden. Seit 2006 habe es über 30 Bürgerräte gegeben, viele der dort besprochenen Ideen seien in die politische Arbeit eingeflossen. Er wolle, dass der Landtag in der nächsten Legislaturperiode ausarbeite, wie Bürgerräte noch besser genutzt werden könnten. Es gelte auch, nach neuen Formen der direkten Demokratie zu suchen.

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Videobeitrag von Stefan Krobath.

NEOS sieht Einminutendemokratie

Sabine Scheffknecht von NEOS sprach von einer derzeit vorherrschenden „Einminutendemokratie“: Am Wahlsonntag werde ein Kreuzchen gemacht, und dann sei es wieder vorbei mit der Beteiligung. Sie verwies darauf, dass echte Bürgerbeteiligung auch Information brauche, Bürger sollten bei öffentlichen Angelegenheiten mitreden können, Ausschüsse sollten öffentlich tagen, forderte sie.

Johannes Rauch (Grüne) sprach sich auch für einen weiteren Ausbau der direkten Demokratie aus, auch wenn repräsentative Demokratie ebenso nötig sei. Er sei sicher, dass Fracking oder Freihandelsabkommen in einer Volksabstimmung abgelehnt würden, und er würde sich eine Abstimmung darüber wünschen, ob sich die Montafoner eine Verlängerung der Montafonerbahn wünschen würden.

Auch Michael Ritsch (SPÖ) erwähnte das vor zweieinhalb Jahren verabschiedete Demokratiepaket lobend. Bezugnehmend auf die „Einminutendemokratie“ von Scheffknecht meinte er, diese Minute sei bei der anstehenden Wahl besonders viel wert, da die Wähler durch den vervierfachten Wert der Vorzugsstimmen direkter entscheiden könnten, wen sie im Landtag haben wollten.

Analyse

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Audio: ORF-Redakteur Stefan Krobath analysiert im Gespräch mit Christiane Schwald die Diskussion in der „Landesrundschau“ von ORF Radio Vorarlberg

Klimbim oder nicht Klimbim

Auf die Frage von ORF-Moderator Daniel Rein, wie die Politiker sich erklärten, dass auf 400 Einladungen des ORF zu einem Bürgerrat, der Fragen für diese Diskussionsrunde erarbeiten hätte sollen, nur zehn Personen überhaupt geantwortet hätten und nur drei dann auch teilgenommen hätten, meinte der Landeshauptmann, die Leute seien eben nicht interessiert an parteipolitischen Auseinandersetzungen. Er sehe es als Zeichen demokratischer Reife, dass sich die Bürger nicht für solchen ‚Klimbim‘ einspannen lassen wollten. Ritsch meinte darauf, das sei ‚unterste Schublade‘, für ihn seien Diskussionen der Spitzenkandidaten vor Wahlen kein Klimbim.

Als Ergebnis einer Frage aus dem Bürgerrat wurde auch das Thema Armut angesprochen. Als Gegenmittel wurden einmal mehr Bildung und die Schaffung leistbaren Wohnraumes genannt. Ritsch schlug eine Bündelung der Sozialleistungen in einer Sozialcard vor, Egger forderte einen gesetzlichen Mindestlohn. Einigkeit herrschte darüber, dass es Löhne brauche, von denen Arbeitnehmer auch leben könnten.

Hahn fragt nach Haltung zu Bordell

Hermann Hahn, der in Hohenems ein Bordell eröffnen wollte und damit bei der Gemeinde abblitzte, wollte von den Spitzenkandidaten wissen, wie sie zu einem Bordell im Land stünden.

Egger meinte, das sei Gemeindekompetenz, er werde da keiner Gemeinde dreinreden. Wenn Hahn eine Gemeinde finde, die dabei sei, dann passe das. Auch Wallner sagt, er sehe keine Veranlassung zu einer Gesetzesänderung, es brauche nur die Genehmigung der Gemeinde. Scheffknecht sagte, sie habe sich mit der Frage noch nicht sehr beschäftigt, sie gebe diese Frage gerne an die Männer weiter. Rauch entgegnete, er hingegen habe sich sehr intensiv mit der Frage befasst, und er sei sich sicher, dass kein einziger Bürgermeister im Land diese heiße Kartoffel anfassen werde. Wenn Hahn ein Grundstück fände, das genau auf einer Gemeindegrenze stehe, dann wäre die Bezirkshauptmannschaft zuständig. Ritsch stimmte zu, dass Bürgermeister sich hüten werden, sich daran die Finger zu verbrennen, und meinte, ein Bordellbesuch sei wie Fliegen: Das tue der Vorarlberger im Ausland.

Koalitionsfrage: Tunnelspinne und Exiljudensager

Zu guter Letzt ging es noch an die Frage nach möglichen Koalitionen nach der Wahl. Wallner sagte, die ÖVP hoffe auf einen klaren Auftrag zur Regierungsbildung, und dann würden klarerweise Gespräche geführt, unabhängig vom Ergebnis. Auch bei einer absoluten Mehrheit wäre eine Koalition nicht ausgeschlossen.

Die Frage von Moderator Tony Walser („VN“) an die anderen Parteien lautete, was sie der ÖVP zu bieten hätten, das sie für diese als Koalitionspartner interessant machen würde. Ritsch nannte leistbaren Wohnbau und kostenfreie Kinderbetreuung als Hauptthemen für Koalitionsverhandlungen. Scheffknecht meinte, NEOS hätte den Mut, anzupacken und zu verändern. „Herzensthemen“ seien Bildung und Wirtschaft - aus Arbeitgebersicht und Arbeitnehmersicht. Für Rauch ist die Koalitionsentscheidung, ob schwarzblau oder schwarzgrün, eine Kulturfrage. Als Themen nannte er gemeinsame Schule oder Energieautonomie. Eine Tunnelspinne für 300 Millionen Euro, wenn dieses Geld dann bei Bildung, Frühpädagogik oder Spitälern fehle, das werde nicht möglich sein, bei günstigeren Varianten mit ähnlicher Entlastung sähe er Verhandlungsspielraum.

Die FPÖ habe Regierungserfahrung und wäre ein ernstzunehmender Partner in einer stabilen Reformpartnerschaft, sagte Egger. Der „Exiljudensager“ von Egger, der die FPÖ vor fünf Jahren die Regierungsbeteiligung kostete, stehe nach wie vor im Raum, bekräftigte Wallner seine bereits zuvor geäußerte Position. Eine Veränderung der Position sei in erster Linie auf der anderen Seite nötig, Egger hätte genug Gelegenheiten gehabt, die Äußerung auszuräumen, sagte Wallner. Egger sagte dazu, diese Sache sei kein Thema bei den Leuten, es gebe handfeste Themen, die es anzugehen gelte. Das Thema Exiljudensager werde nach den Wahlen zu diskutieren sei. Er frage sich, wofür er sich entschuldigen sollte, er würde das tun, wenn seine Aussage in irgendeiner Weise böse oder antisemitisch gewesen wäre, das sei sie aber nicht gewesen, meinte Egger.

Sendungshinweis:

Eine Zusammenfassung der Diskussion sehen Sie am Donnerstag, 11. September, ab 19.00 Uhr in „Vorarlberg heute“.

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