Kinderbetreuung und Wohnen trennen Parteien

Die Spitzenkandidaten der fünf stimmenstärksten Parteien bei der Landtagswahl am 21.September sind sich weitgehend einig in der Ablehnung des Freihandelsabkommens. Bei den Themen Kinderbetreuung und Wohnen gehen die Meinungen auseinander.

Sendehinweis:
Zusammenfassung der Diskussion: Donnerstag, 4. September, „Vorarlberg heute“, 19 Uhr, ORF 2.

Am Mittwochabend diskutierten die Spitzenkandidaten der fünf stimmenstärksten Parteien in der ORF-Messearena in Dornbirn: Markus Wallner (ÖVP), Dieter Egger (FPÖ), Johannes Rauch (Grüne), Michael Ritsch (SPÖ) und Sabine Scheffknecht (NEOS). Es ging um fünf Themenbereiche: Grundsteuer, Wohnen, Bürokratieabbau und Wirtschaft, Bildung sowie Landwirtschaft und Energie. Moderiert wurde der Abend von ORF-Vorarlberg-Chefredakteur Gerd Endrich und VN-Chefredakteurin Verena Daum-Kuzmanovic.

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Die Diskussion zum Nachhören:

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Wallner

Dietmar Mathis

Markus Wallner, ÖVP

Erhöhung der Grundsteuer

Markus Wallner sagte, der neue ÖVP-Bundesparteiobmann Mitterlehner habe nicht von einer Erhöhung der Grundsteuer gesprochen. Mitterlehner sei fehlinterpretiert worden. Wallner führte aus, er selbst sei bei der Grundsteuer „zurückhaltend“. In Vorarlberg gebe es deutlich mehr Grundeigentümer als Haushalte. Wenn er zuletzt gesagt habe, „jetzt bauen wir nicht von vornherein Blockaden auf im Grundsätzlichen“, dann habe er gemeint, „höchste Zurückhaltung bei neuen Steuern, insbesondere bei Besitzsteuern und Finger weg von der Grundsteuer“.

Michael Ritsch

Dietmar Mathis

Michael Ritsch, SPÖ

Michael Ritsch ortet Einigkeit unter den Parteien bei der Frage, mehr „Netto vom Bruttolohn“. Er wolle eine möglichst rasche Steuerreform mit Gegenfinanzierung. Die von Mitterlehner ins Spiel gebrachte Erhöhung der Grundsteuer werde nichts bringen, weil die Erhöhung nur den Gemeinden zusätzliche Einnahmen verschaffe. Das sei keine Gegenfinanzierung für eine Steuerreform, die vom Bund finanziert werden sollte. Ritsch forderte erneut die Millionärsabgabe, die nur 80.000 Österreicher treffe. Eine Erhöhung der Grundsteuer dagegen treffe alle „quer durch“, vor allem die Arbeiternehmer, denn dann würden auch die Mieten wieder teurer. Das treffe auch den Mittelstand.

Dieter Egger

Dietmar Mathis

Dieter Egger, FPÖ

Dieter Egger lehnte eine Erhöhung der Grundsteuer ab, das führe zur Verteuerung von Grund und Boden. Er trete für eine rasche Steuerreform ein zur Entlastung der unteren und mittleren Einkommen. Das bringe Wachstums- und Beschäftigungseffekte, so Egger.

Dieses Geld gehe sofort in den Konsum und so finanziere sich die Reform selbst. Der Rest sei im „Förderdschungel“ zu finden. Bei 17 Mia. Euro Bundesmittel sei einiges dabei, das man kürzen oder streichen könne.

Scheffknecht NEOS

Dietmar Mathis

Sabine Scheffknecht, NEOS

Sabine Scheffknecht schloß sich beim „Förderschungel“ der Meinung von Egger an. Förderungen hätten es an sich, „man kassiert viel und schlussendlich kommt wenig bei den Leuten an und den Rest frisst die Verwaltung“. Grundsätzlich sei sie gegen neue Steuern. Eine Steuerreform sei zwingend notwendig.
Auch Scheffknecht sprach sich gegen eine Erhöhung der Grundsteuer aus. Man müsse schauen, dass die Steuern „runterkommen“.

Johannes Rauch

Dietmar Mathis

Johannes Rauch, Grüne

Johannes Rauch wollte „vor der Landtagswahl reinen Wein einschenken, auch wenn’s wehtut.“ Es sei gut, den Eingangssteuersatz, wie angekündigt, auf 25 Prozent zu senken. Das sei längst überfällig. Das koste etwa drei Mia. Euro aus dem Budget. Die Hypo-Alpe-Adria und die Österreichische Volksbanken AG benötigten darüber hinaus zusätzliches Kapital. Dazu komme aus dem Finanzministerium eine unerfreuliche Steuereinschätzung, weil sich eine Lücke auftue, zwischen den prognostizierten Einnahmen und den tatsächlichen Steuereinnahmen. Insgesamt müssten also sechs Mia.Euro finanziert werden. Mit der Verwaltungsreform komme nur eine Mia. Euro herein, den Rest müsse man mit neuen Einnahmen finanzieren. Eine Erhöhung der Grundsteuer sei kein Tabu, um den Faktor Arbeit zu entlasten.

Rezepte gegen teures Wohnen

Egger kritisierte zu hohe Standards durch Bautechnikverordnung und Baugesetze, die das Wohnen verteuerten. Ein restriktives Mietrechtsgesetz führe außerdem dazu, dass 5.000 bis 7.000 Wohnungen nicht auf den Markt kämen. Egger forderte eine Verländerung des Mietrechts und eine Änderung der Bautechnikverordnung. Eigentum solle weiter über die Wohnbauförderrichtlinie gefördert werden. In der ökologischen Ausrichtung der Wohnbauförderung sei übertrieben worden. Egger forderte einen Schritt zurückzugehen hin zu mehr sozialer Ausrichtung. Wallner verwies auf die soziale Ausrichtung der neuen Wohnbaurichtlinie mit Kinderbonus und Verdichtungsbonus und 180 Mio. Euro Förderungsmittel. 2.500 VOGEWOSI-Wohnungen sind geplant, so Wallner. Bautechnische Vorschriften würden durchforstet. Wallner stellte eine Vorarlberger Bautechnikverordnung in Aussicht, wenn sonst nichts weitergehe.

Ritsch plädierte für mehr Geld für den gemeinnützigen Wohnbau. „Da ist vieles mehr möglich“. 25 Prozent der Neubauprojekte sollten gemeinnützig ausgerichtet sein und entsprechend mit Wohnbauförderung bedacht werden. Scheffknecht verlangte ebenfalls neue Lösungen in der Wohnbauförderung. Einfamilienhäuser wären eine Umverteilung von unten nach oben. Mietrecht und teurer Wohnbau seien für die rund 5.000 leerstehenden Wohnungen verantwortlich. Langzeitmieter sollten ihre Wohnungen kaufen können.

Egger: „Bauland ist kleinstrukturiert und eine Zukunftsvorsorge der Familien. Die Erhöhung der Grundsteuer ist der falsche Weg.“ Die Gemeinden sollten eine aktivere Bodenpolitik betreiben. Nicht erforderliche landwirtschaftliche Grundstücke sollten dem gemeinnützigen Wohnbau zur Verfügung gestellt werden. Rauch entgegnete, so fördere man die Zersiedlung.

Wallner führte aus, er wolle die Gemeinden finanziell besser unterstützen, damit sie Grundstücke für den gemeinnützigen Wohnbau erwerben. Er stehe für eine „progressive Grundsteuer“ nicht zur Verfügung, betonte Wallner. Rauch widersprach heftig, das sei eine grobe Missinterpretation des Grünen-Vorschlags. Die Grünen hätten für jedes Kind 1.000 Quadratmeter von der Regelung der progressiven Grundsteuer ausgenommen. Die progressive Grundsteuer wäre für den Fall, dass Bauland nicht in entsprechender Frist verbaut wird.

Ritsch zur Umwidmungsdebatte: Landwirtschaftgrundstücke sollten sondergewidmet werden für den sozialen Wohnbau und Landwirte sollten dafür höher entschädigt werden.

Wirtschaft und Bürokratie

Wallner sagte, er sei für Bürokratieabbau und -bremse, auch im Land, man sollte darüber hinaus die Staatsfinanzen nicht an die Wand fahren. Egger widersprach, „nicht nur bremsen, sondern abbauen“ lautet seine Devise. Viele nähmen die Wohnbaubeihilfe nicht in Anspruch, weil ihnen „der ganze Krimskrams“ zu viel sei. Scheffknecht wandte ein, Bürokratie entstehe aus mangelnder Orientierung an der Bevölkerung. Ritsch meinte noch einmal, mehr Netto vom Brutto würde die Wirtschaft ankurbeln. Und man vergesse die 96 Gemeinden mit einer Mia. Schulden. Auch das seien Landesschulden. „Die Bezirkshauptmannschaften brauchen wir nicht“, erneuerte Ritsch seine Idee, diese Verwaltungsebene abzuschaffen.

Rauch verwies auf die vielen Handwerksbetriebe und Familienunternehmen, von denen Vorarlberg lebe. Er wandte sich entschieden gegen einen Austritt Österreichs aus der EU oder dem Euro, wie ihn FPÖ-Bundeparteiobmann Strache propagiere. Das schade einem exportorientierten Land wie Vorarlberg. Egger verteidigte sich, er sei entschieden anderer Meinung als Strache. Rauch brachte das Thema Arbeitslosigkeit aufs Tapet. Unternehmen sollten einen Anreiz bekommen, ältere Arbeitnehmer einzustellen.

Egger gestand zu, dass eine Verwaltungsebene eingespart werden könne. Aber man müsse eine Aufgabenanalyse durchführen. Eine Verlagerung der Aufgaben von den Bezirkshauptmannschaften zum Land bringe keine Einsparung. Scheffknecht sagte, NEOS habe noch keinen Einblick in die Bezirkshauptmannschaften. Wallner wollte vor Illusionen warnen: Die Aufgaben der Bezirkshauptmannschaften in der mittelbarer Bundesverwaltung sind in der Verfassung festgeschrieben, so Wallner. Rauch prangerte 56 unterschiedliche Müllgebühren als „Dschungel der Sonderklasse“ an. Außerdem seien Gemeindekooperationen immer beendet, wenn eine Gemeinde um ihre Kommunalsteuer fürchten müsse.

Wallner zeigte sich Willens, bei den Gemeindekooperationen mehr zu tun. Es gebe gute Beispiele, etwa im Walgau. Wasserversorgung und der öffentliche Nahverkehr funktionierten nur über Gemeindekooperationen.

Schule und Bildung

Ritsch: „Bildung beginnt mit der Kleinkinderbetreuung“. Die Kinderbetreuung sei aber zu teuer. Ritsch forderte eine kostenfreie Kinderbetreuung und die kostenfreie Ganztagsschule „verschränkt“. Egger sah das etwas anders: Bildung beginne im Elternhaus. 2.500 Kinder hätten heute massive Sprachdefizite. Egger forderte erneut Sanktionen, wenn Eltern säumig wären. Rauch sagte, die Trennung der Kinder im Alter von zehn Jahren sei ein Unsinn. Zuviele Kinder blieben auf der Strecke. Die Devise der Grünen heißt: Risikoschüler reduzieren, Spitzenschüler verdoppeln.

Scheffknecht führte aus, NEOS stehe für Schulautonomie. Das Geld sollten die Schulen direkt erhalten. Sie sei für die Gemeinsame Schule, aber mit mittlerer Reife im Alter von 15. Die Kinderbetreuung müsse ausgebaut werden, aber nicht kostenfrei. Wallner sprach sich für Frühförderung aus, aber unter Wertschätzung der Familie. Das Angebot „Ganztagsschule verschränkt“ werde verdoppelt.

Rauch meinte, wer sich’s leisten könne, sollte die Kinderbetreuung bezahlen, wer nicht, sollte unterstützt werden. Egger sieht Mütter, die zwei bis drei Jahre zu Hause blieben, im Nachteil. Auch Kinderbetreuung daheim müsse honoriert werden, so Egger. Er sei für ein höheres Kinderbetreuungsgeld. 66 Prozent der Frauen würden laut Umfragen zu Hause bleiben wollen. Wichtig sei ein gutes Angebot für den Wiedereinstieg, schloss Egger.

Wallner plädierte für Wahlfreiheit, auch für junge Paare, die ihre Kinder zu Hause erziehen möchten. Weitere Ausbauschritte in der Kinderbetreuung seien nötig. In der laufenden Legislaturperiode hätten sich die Ausgaben für die Betreuung verdoppelt.

Landwirtschaft und Energie

Ein einheitliches Nein kam von allen Kandidaten zum Freihandelsabkommen. Wallner bezeichnete es als massive Bedrohung der Vorarlberger Wirtschaft. Rauch sagte, gegen das Freihandelsabkommen müsse man sich genauso wehren wie gegen Fracking. Außerdem wolle er erreichen, dass die Hälfte der Lebensmittel in Vorarlberg erzeugt werde. Eine ökologische Landwirtschaft sei das Gebot der Stunde.

Egger meinte, das Freihandelsabkommen diene nur dem Lobbyismus der Großkonzerne. Im Endeffekt schmälere es die Qualität der Lebensmittel. Ein ganz klares „Ja“ kam von Egger zur Regionalität und zu heimischen Produkten. Scheffknecht trat für eine Verlagerung der Förderungen von der Milchwirtschaft auf andere Bereiche ein - etwa die Landschaftspflege. Wallner untermauerte sein Bekenntnis zur ökologischen Landwirtschaft. Die Verdoppelung des Bioanteils halte er für ein gutes Ziel.

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