Neuer Missbrauchsvorwurf gegen Kirche

Die katholische Kirche Vorarlberg ist mit einem neuen Missbrauchsvorwurf konfrontiert. Ein heute 48-Jähriger behauptet, als Kind von einem Priester sexuell missbraucht worden zu sein, und wirft der Kirche Vertuschung vor - vonseiten der Kirche wird das bestritten.

Das mutmaßliche Missbrauchsopfer aus dem Bezirk Bregenz berichtete gegenüber dem ORF Vorarlberg, dass er als Ministrant im Alter von zehn bis elf Jahren von einem Priester mehrfach schwer sexuell missbraucht worden sei. Damals habe er nicht gewagt, mit jemandem darüber zu sprechen. Das habe er auch dem mittlerweile verstorbenen Priester versprechen müssen, so der 48-Jährige. Außerdem seien seine Eltern eng mit der katholischen Kirche verbunden gewesen - man hätte ihm deshalb wohl auch nicht geglaubt, vermutet das mutmaßliche Opfer.

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Im Video zu sehen: Mutmaßliches Missbrauchsopfer, Rudolf Bischof (Generalvikar der Diözese Feldkirch); Beitrag von Gernot Hämmerle, Günter Assmann, Joachim Mark

„Kirche soll sich entschuldigen für ihre Verbrecher“

Als das Thema medial wieder präsent wurde, seien auch bei ihm die verdrängt geglaubten Erinnerungen zurückgekommen - zahlreiche Therapien seien notwendig gewesen. Ende 2012 brach er schließlich sein Schweigen und erzählte unter anderen dem Bischof der Diözese Feldkirch seine Erlebnisse. Sein innerer Herzenswunsch sei es, so der 48-Jährige, dass die Kirche endlich zu diesen Vorfällen stehe und offen darüber rede: „Sie soll sich entschuldigen für ihre Verbrecher.“

Keine Entschuldigung oder Entschädigung erhalten

An die von der Kirche eingerichtete Opferschutzkommission wollte er sich nicht wenden. Mehrere Gespräche mit Kirchenverantwortlichen in Vorarlberg hätten nichts gebracht, versprochene Rückrufe seien ausgeblieben. Auf eine Entschuldigung, geschweige denn Geld für Therapiekosten oder sonstige Entschädigungszahlungen, warte er bis heute, so das mutmaßliche Opfer gegenüber ORF-Redakteur Gernot Hämmerle.

Einigung bei neuem Gesprächstermin erhofft

Im Dezember 2013 schaltete das mutmaßliche Opfer schließlich einen Anwalt - Sanjay Doshi - ein. Einer zeitweisen Aufhebung der Verjährungsfrist stimmte die Kirche zu. Weiters schlug der Anwalt vor rund einem halben Jahr vor, dass ein unabhängiger Gutachter vom traumatologischen Institut in München die Glaubwürdigkeit der Vorwürfe prüfen solle. Bis heute jedoch habe die Kirche diesen Vorschlag weder akzeptiert noch abgelehnt.

Die Kirche sei von den eigenen Anwälten nicht umfassend informiert worden, heißt es nun. Wie Rudolf Bischof, Generalvikar der Diözese Feldkirch, gegenüber dem ORF erklärte, habe sich das Einvernehmen mit den Gutachtern leider verzögert und man habe deswegen keine Einsicht gehabt. Man sei es aber den Betroffenen schuldig, dass man den Fall gut aufarbeite - das werde mit einem Gutachter geschehen.

Ende Juli ist ein neuer Gesprächstermin anberaumt, von dem sich beide Seiten eine außergerichtliche Lösung erhoffen.

Helbock: Viele haben Angst, als Lügner dazustehen

Wie Sozialarbeiterin Marisa Helbock vom Institut für Sozialdienste (IfS) am Donnerstag im „Vorarlberg heute“-Interview mit ORF-Moderatorin Christiane Schwald ausführte, gibt es viele Gründe, warum Missbrauchsopfer so lange warten, bis sie ihr Schweigen brechen: Oft seien es die Angst vor den Reaktionen des Umfelds und die Sorge, als Lügner dazustehen.

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Marisa Helbock (Sozialarbeiterin im IfS) im „Vorarlberg heute“-Interview mit ORF-Moderatorin Christiane Schwald

Es sei auch schwer, den richtigen Zeitpunkt zu finden, so Helbock. In schwierigen Lebenssituationen sei es Opfern oft nicht möglich, sich auch noch mit ihren Missbrauch zu befassen. Häufig sei es auch so, dass Erinnerungen auf einmal klarer würden und die Menschen dann weitere Schritte setzten.

Für Missbrauchsopfer gebe es die Möglichkeit, eine Psychotherapie zu machen. Im IfS berate man die Betroffenen zudem auch rechtlich. Mithilfe von Rechtsanwälten informiere man sie, was im Falle einer Anzeige auf sie zukommen würde und versuche zu analysieren, wie das Umfeld reagiere.