Testamente: Urteile teilweise aufgehoben

Am Obersten Gerichtshof in Wien hat am Montag die Berufungsverhandlung zur Testamentsfälscheraffäre stattgefunden. Große Teile des Urteils wurden aufgehoben und zur Neuverhandlung an die erste Instanz zurückverwiesen.

Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat am Montag in der Dornbirner Testamentsfälscheraffäre einen zweiten Rechtsgang angeordnet. Grund dafür waren Feststellungsmängel im erstinstanzlichen Urteil. Im Fall von fünf von sechs Angeklagten, über die der OGH zu befinden hatte, wurden die Schuldsprüche teilweise oder zur Gänze aufgehoben.

Rechtskräftig ist lediglich das Urteil in Bezug auf Clemens M. Der 53-Jährige muss, wie es schon im Urteil des Landesgerichtes Salzburg geheißen hatte, eine dreijährige Freiheitsstrafe auf sich nehmen, ein Jahr davon unbedingt.

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Im Video zu sehen: Bertram Grass (Strafverteidiger), Nicolas Stieger (Strafverteidiger von Kurt T.), Klaus Grubhofer (Strafverteidiger), Helmut Hagen (geprellter Erbe); Beitrag von Gernot Hämmerle, Gerald Gottlieb, Gert Kozak

Eine Einschätzung von Georg Fabjan

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Georg Fabjan in Gespräch mit David Breznik in der „Landesrundschau“, 8.10.13

Schuldsprüche wegen Amtsmissbrauchs aufgehoben

Aufrecht bleiben alle Schuldsprüche aus dem erstinstanzlichen Prozess am Landesgericht Salzburg, die den Betrug oder Urkundendelikte betreffen. Die Schuldsprüche wegen Amtsmissbrauchs hingegen wurden großteils aufgehoben. Denn ein Amtsmissbrauch liege nur vor, wenn Angeklagte tatsächlich und konkret eine amtliche Befugnis hatten und diese missbrauchten, so Kurt Kirchbacher, der Vorsitzende der fünf Höchstrichter in der Urteilsbegründung. Und das sei im Testamentsfälscherprozess am Landesgericht Salzburg nicht ausreichend nachgewiesen worden.

Insgesamt vermisste der fünfköpfige Richtersenat die für eine Verurteilung wegen Missbrauchs der Amtsgewalt erforderlichen „konkreten, tragfähigen, ausreichenden Feststellungen“, betonte der Vorsitzende.

Ratz-Schuldspruch zur Gänze aufgehoben

Somit wurde für den Hauptangeklagten Jürgen H. der Schuldspruch teilweise aufgehoben - ihm war unter anderem Amtsmissbrauch vorgeworfen worden. Für die suspendierte Vizepräsidentin des Landesgerichts Feldkirch, Kornelia Ratz, wurde das Urteil zur Gänze aufgehoben.

Mit der Neudurchführung des Verfahrens, an dessen Ende auch die Strafen neu festgesetzt werden müssen, wurde erneut das Landesgericht Salzburg betraut. Die Verhandlungen soll aber ein anderer Richter leiten. Ihm wurde vom Richtersenat aufgetragen, „Tatsachengrundlagen“ zu schaffen, um in den unklaren Anklagepunkten endgültig beurteilen zu können, ob und wer von den Justizbediensteten sich eines wissentlichen Befugnismissbrauchs schuldig gemacht hatte bzw. dazu angestiftet oder im Sinn einer Beteiligungstäterschaft mitgewirkt hatte.

Mindestens 80 Erben durch Fälschungen geschädigt

Mindestens 80 Erben waren durch die Fälschungen von Testamenten am Bezirksgericht Dornbirn geschädigt worden. Die Schadenssumme wurde zuletzt mit zehn Millionen Euro beziffert. Für diese Fälschungen und Betrügereien sind am Landesgericht Salzburg insgesamt zehn Angeklagte verurteilt worden, vier davon rechtskräftig. Gegen die Urteile gegen die sechs anderen Angeklagten waren Rechtsmittel eingelegt worden.

Grubhofer: Freiheitsstrafe für Jürgen H. ausreichend

Zum Verhandlungsauftakt fasste ein Mitglied des Richtersenates die Ergebnisse des erstinstanzlichen Verfahrens am Landesgericht Salzburg zusammen. Er referierte die Strafhöhen der sechs Verurteilten und erläuterte die Vorgehensweise bei den Fälschungen.

Dann begannen die Verteidiger der Verurteilten, die von ihnen eingebrachten Rechtsmittel zu begründen. Klaus Grubhofer, der Verteidiger des Hauptangeklagten Jürgen H., argumentierte gegen die Forderung der Staatsanwaltschaft, das Strafmaß für Jürgen H. aus generalpräventiven Gründen zu erhöhen. Jürgen H. - ehemaliger Rechtspfleger und später Geschäftsstellenleiter am BG Dornbirn - habe durch seine umfassende Kooperation mit den Behörden die Anklage in der Testamentsfälscheraffäre erst ermöglicht. Das müsse ihm mildernd angerechnet werden. Die Freiheitsstrafe von sieben Jahren sei ausreichend.

Jürgen H. selbst war nicht zum Prozess erschienen.

Grass: Telefonat kein hinreichender Beweis

Bertram Grass, Verteidiger der suspendierten Vizepräsidentin des Landesgerichts Feldkirch, ließ am Salzburger Urteil kein gutes Haar. Kornelia Ratz war zu einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt worden, zehn Monate davon unbedingt. Der Schuldspruch gründet vor allem auf einem Telefonat, in dem Ratz bei Jürgen H. die Fälschung eines Testamentes bestellt hat, mit dem Verwandte von Ratz als Erben eingesetzt worden sind - so hat das zumindest das Erstgericht gesehen.

Grass hingegen erklärte, es sei nicht bewiesen, dass dieses Telefonat überhaupt stattgefunden habe. Auch die Frage von Jürgen H. an Kornelia Ratz: „Würde es helfen, wenn ein Testament auftauchen würde?“, die von Ratz mit „Ja, das würde helfen“, beantwortet wurde, sei kein ausreichender Hinweis für eine Anstiftung zur Testamentenfälschung.

Ratz droht Amtsverlust

Ratz selbst sprach davon, ein Opfer von Spekulationen zu sein - eben über dieses Telefonat und seinen Inhalt. Schuldsprüche, so Ratz, dürften sich nicht auf Spekulationen gründen.

Falls die Strafhöhe von zweieinhalb Jahren rechtskräftig wird, verliert Ratz automatisch ihr Amt. Aber selbst wenn die Strafe reduziert werden sollte, könnte sie disziplinarrechtlich noch ihres Amtes enthoben werden, erklärte im Sommer der Präsident des OGH, Eckart Ratz, der mit der Richterin weder verwandt noch verschwägert ist. Für Richterin Ratz gilt die Unschuldsvermutung.

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Im Video zu sehen: Kornelia Ratz (Richterin); ein Beitrag von Gernot Hämmerle, Gernot Kutzer

Ihre Schuldsprüche bekämpften auch die ehemaligen Gerichtskollegen des mutmaßlichen Haupttäters, Clemens M. und Kurt T. Der ehemalige Rechtspfleger in Außerstreitsachen sowie der vormalige Kanzleileiter hatten je drei Jahre teilbedingte Haft erhalten. Sie sollen gemeinsam mit Jürgen H., von dem sie sich zu Unrecht belastet fühlen, zwischen 2001 und 2008 in Verlassenschaftsverfahren, in denen keine engen Verwandten der Erblasser bekannt waren, gefälschte Testamente fabriziert und damit die rechtmäßigen Erben um ihre Ansprüche gebracht haben.

Wohnungen finanziert

In den gefälschten Dokumenten wurden ihnen nahe stehende bzw. hochbetagte oder besachwaltete Personen als Erben eingesetzt, die oftmals Peter H. - ein enger Freund von Jürgen H. - auftrieb. Unter anderem nominierte Peter H. gerne seinen Onkel als „Scheinerben“, wobei die falschen Testamente im Urkundenarchiv des BG Dornbirn hinterlegt wurden und im weiteren Verlauf dem ahnungslosen Notar zugespielt wurden, der dann die Verlassenschaften abwickelte.

Über die nichtsahnenden „Strohmänner“ soll das Vermögen am Ende bei den Justizbediensteten gelandet sein, die damit beispielsweise Wohnungen im hochpreisigen siebenten Wiener Gemeindebezirk finanzierten.

Peter H. hatte vom Erstgericht fünf Jahre Haft erhalten, über die der OGH nun ebenso endgültig entscheiden muss wie über die zweijährige Bewährungsstrafe für Walter M. Der 73-jährige, im Tatzeitraum bereits pensionierte Rechtspfleger soll „Ideengeber“ des Justizskandals gewesen sein, dessen Ausmaß sich unter anderem an einer Reisetasche zeigte, die bei einer Hausdurchsuchung bei Jürgen H. sichergestellt worden war. Darin fanden sich nicht weniger als 785 Fälscherunterlagen.

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