„Nazi-Komponist“ Tanzer löst Diskussion aus

In Tirol ist eine Diskussion über den Blasmusik-Komponisten Sepp Tanzer entbrannt. Der Komponist war seinerzeit Gaumusikleiter von Tirol und Vorarlberg. Sepp Tanzer gehört auch in Vorarlberg zum Standard-Repertoire jeder Blaskapelle.

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Standschützenmarsch gespielt von der Militärmusik Steiermark

Unter Blasmusikanten ist Sepp Tanzer ein Begriff. Fast alle Vereine spielen seinen „Standschützenmarsch“ - auch heute noch. Diesen Marsch hatte Gaumusikleiter Tanzer ursprünglich dem Gauleiter von Tirol und Vorarlberg, Franz Hofer, gewidmet. Das fanden Musikwissenschafter in Tirol heraus.

„Gauleiter-Hofer-Marsch“

So hat Tanzer auch einen „Gauleiter-Hofer-Marsch“ geschrieben - ganz ohne Not, schon im Herbst 1938, wie der Publizist Markus Wilhelm nachweist. Tanzer sei kein Mitläufer gewesen, sondern ein Exponent des Nazi-Regimes, so Wilhelm. In der aktuellen Ausgabe der Geschichte des Vorarlberger Blasmusikverbandes wird Sepp Tanzer dagegen als Leitfigur bezeichnet.

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In Interviews: Nikolaus Netzer (Landeskonservatorium), Edwin Malin (Ehren-Landeskapellmeister), Wolfram Baldauf (Obmann Vorarlberger Blasmusikverband), Evelyn Fink-Mennel (Musikprofessorin Bregenzerwald). Ein Beitrag von Magda Rädler, Reinhard Mohr und Ingo Hammerer).

Musikexperte: „Tanzer war ein Nazi“

Der Vorarlberger Dirigent, Nikolaus Netzer, stuft Sepp Tanzer als „ausgesprochenen Nazi“ ein. Gleichzeitig sei der Tiroler auch ein hervorragender Musiker gewesen. Das erfordere eine offene Diskussion, so Netzer, in der die beiden Aspekte Tanzers behandelt werden.

Von einem Aufführungsverbot für das Werk des 1983 verstorbenen Komponisten halte er nichts, so Netzer, denn auch Richard Wagner, obwohl umstritten, werde heute aufgeführt. Tanzer habe auch „fetzige“ Märsche geschrieben, doch müsse man den Kontext kennen, wenn man Tanzer spiele, mahnt Netzer.

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Bozner Bersteigermarsch gespielt von der Wiltener Stadtkapelle

Tanzer gab Kapellmeister-Kurse im Bregenzerwald

Im Blasmusikverband Vorarlberg ist Tanzers Nazivergangenheit weitgehend unbekannt. Er gilt als große Musiker-Persönlichkeit, die in den 1950er Jahren den Grundstein für die heutige Kapellmeisterausbildung legte. Viele Kapellmeister gingen durch seine Schule. Von 1956 bis 1966 gab Tanzer jedes Jahr in der Karwoche einen Kurs im Gasthaus Löwen in Egg.

Zeitzeuge berichtet von „geschätztem Lehrer“

Edwin Malin, heute Ehren-Landeskapellmeister von Vorarlberg, war einer der Kursteilnehmer der ersten Stunde. Er habe Sepp Tanzer sehr geschätzt - als Musiker und als Mensch, erzählt Malin. Sepp Tanzer sei wie ein Vater gewesen. Der Tiroler habe viele internationale Kontakte gehabt und habe Lehrende nach Vorarlberg gebracht, „an die sonst keiner im Land herangekommen wäre“, berichtet Malin. Er sei sicher, dass zu dieser Zeit kein Kursteilnehmer etwas über Tanzers Nazivergangenheit gewusst habe. Er selbst habe damals nichts gemerkt. Auch von einem angeblichen Auftrittsverbot für Tanzer, drei Jahre nach dem Krieg, habe er nie etwas gehört.

Edwin Malin erzählt weiter, dass bei den Kapellmeisterkursen in Egg u.a. auch der ehemalige deutsche Militärmusikinspizient der deutschen Luftwaffenmusik, Hans Felix Husadl, unterrichtet habe. Husadl habe bei der deutschen Luftwaffenmusik das Saxophon eingeführt. In Egg habe Husadl damals folgende Anekdote zum Besten gegeben: Wenn er (Husadl) zum Rapport bei Hermann Göring angetreten sei (dem die Militärmusik unterstellt war) habe er stets an einem Löwen vor dem Büro Görings vorbeimüssen, so Husadl. Edwin Malin sagt, die Nazivergangenheit Tanzers sei ihm völlig unbekannt gewesen.

Mitläufertheorie: Realität oder Verharmlosung

Tiroler Musikwissenschafter und der Tiroler Publizist Markus Wilhelm brachten die Nazi-Vergangenheit des Sepp Tanzer an die Öffentlichkeit. Ein Foto zeigt den Leiter des Gaumusikzugs 1938 am Adolf-Hitler-Platz in Innsbruck. In den Blasmusik-Vereinen wurde darüber nie gesprochen. Wolfram Baldauf, Obmann des Vorarlberger Blasmusikverbandes, sagt, er glaube, Tanzer sei, wie viele andere auch, in diese Sache hineingeraten und habe dann eben das Beste daraus gemacht. Er sei Kapellmeister der Gaumusik Wilten gewesen und dadurch in diese Rolle geraten.

Blasmusik sieht keinen Handlungsbedarf

Der Blasmusikverband habe keinen Anlass, seinen Umgang mit Tanzer zu ändern. Man werde keine allgemeine Empfehlung an die Blasmusikvereine herausgeben, so Baldauf, wie mit Tanzer zu verfahren sei. Jeder Verein entscheide selbstständig, welche Stücke und Komponisten aufgeführt werden.

Kritik an Mitläufer-Theorie

Die Bregenzerwälder Musikprofessorin Evelyn Fink-Mennel teilt die Mitläufer-Theorie nicht: Tanzer sei der oberste Musikchef im Gau Tirol und Vorarlberg gewesen. Wer es soweit bringen habe wollen oder gebracht habe, habe schon eine klare Linie zeigen müssen und könne nicht nur Mitläufer gewesen sein. Deshalb fordert Fink zusammen mit weiteren Musikhistorikern eine umfassende Aufklärung über die Rolle von Musikern in der Nazizeit, damit aus ihnen keine Leitfiguren und Vorbilder gemacht werden könnten.

Gutachten der Tiroler Landesregierung

Noch liegt ein fertiges Gutachten, das die Tiroler Landesregierung über Nazi-Komponisten in Auftrag gegeben hatte, unter Verschluss. Musikwissenschafter in Tirol und Vorarlberg verlangen vom Kulturreferat der Landesregierung die Herausgabe dieses Gutachtens - bisher vergeblich.

„Schadensbegrenzung“: Rückzug bei Namensgebung

Tirols Kulturlandesrätin Beate Palfrader (ÖVP) hat vergangene Woche eine Schule, die 2008 auf „Sepp-Tanzer-Musikschule“ umbenannt worden war, wieder auf „Landesmusikschule Kramsach“ benannt: Schule legt unerwünschten Namen ab.

Berufsmusiker und Gaumusikleiter Sepp Tanzer

Tanzer war Berufsmusiker und spielte Klarinette und Oboe. Laut Wikipedia war er während der NS-Zeit von 1938 bis 1945 Gaumusikleiter von Tirol und Vorarlberg. In Rahmen dieser Aufgabe dirigierte er Adolf Hitlers Lieblingsmarsch - den Badonviller Marsch - beim Zusammentreffen von Benito Mussolini und Adolf Hitler am Brenner am 18. März 1940. 1945 soll Tanzer ein dreijähriges Auftrittsverbot erhalten haben.

Tanzer leitete zahlreiche Blaskapellen in Tirol, darunter von 1943 bis 1977 die Stadtmusikkappelle Wilten-Innsbruck, mit der er erfolgreich die Olympischen Winterspiele in Innsbruck musikalisch umrahmte. Tanzer hat zahlreiche Stücke für Blasmusik komponiert.

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