Testamentsaffäre: Urteilsverkündung jährt sich

Ein Jahr nach den Urteilen in der Testamentsfälscheraffäre liegt der Fall nun beim Obersten Gerichtshof. Dieser muss über die Nichtigkeitsbeschwerden entscheiden. Mit rechtskräftigen Schuldsprüchen wird im Oktober gerechnet.

Am 31. Juli 2012 sind in Salzburg die letzten sechs wichtigen Urteile zur sogenannten Testamentsfälscheraffäre ergangen - mehr dazu in Testamentsprozess: Die Urteilsbegründungen. Bereits im April waren vier Urteile über Personen gesprochen worden, die sich als Scheinerben zu Verfügung gestellt hatten.

Mit den insgesamt zehn Schuldsprüchen wurde das erste Kapitel über eine düstere Vorarlberger Justizgeschichte geschlossen. Durch die Fälschungen von Testamenten am Bezirksgericht Dornbirn sind mehr als 80 Erben geprellt worden - der Gesamtschaden wurde zuletzt mit zehn Millionen Euro angegeben. Das nächste Kapitel wird aber bereits aufgeschlagen: Der Oberste Gerichtshof (OGH) in Wien prüft derzeit das Salzburger Gerichtsverfahren und dürfte im Oktober entscheiden.

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OGH-Präsident Eckart Ratz im Gespräch mit ORF-Moderator Christoph Waibel

Schuldsprüche zu mehreren Haftstrafen

Die Schuldsprüche zu mehrjährigen Haftstrafen vor einem Jahr haben Klarheit gebracht: Der Hauptangeklagte in der Testamentsfälscheraffäre, Jürgen H., war kein Einzeltäter, wie das die Verteidiger seiner ehemaligen Arbeitskollegen versucht hatten darzustellen. Es war keine „One-Man-Show, es gab ein System Dornbirn“, sagte damals der vorsitzende Richter Andreas Posch. In der mündlichen Urteilsbegründung hatte der Richter die Verurteilten charakterisiert - auch die verurteilte Richterin, die suspendierte Vizepräsidentin des Landesgerichts Feldkirch Kornelia Ratz, die er zu zweieinhalb Jahre Haft (davon zehn Monate unbedingt) verurteilt hatte: Sie sei eine ehrgeizige, intelligente Frau, die sich nehme, was sie möchte und die ihre Ellenbogen einsetze. Die prominente Verurteilte hat nach Ansicht des Richters ein gefälschtes Testament zugunsten von Verwandten bestellt.

Berufung und Nichtigkeitsbeschwerde gegen Urteile

Nach den Urteilen vor einem Jahr hatte Klaus Grubhofer, der Anwalt des geständigen Hauptangeklagten Jürgen H., die Urteile als ausgewogen und gut begründet eingeschätzt. Richter und Schöffensenat hätten an Klarheit und Ausgewogenheit im Urteil nichts zu wünschen übrig gelassen.

Sein Mandant, Jürgen H., der zu sieben Jahren Haft verurteilt worden ist, ist der Einzige, der das Urteil angenommen hat - er hat diesen Juni seine Haft auch bereits angetreten. Aber auch seine Strafe ist noch nicht fix: Die Staatsanwaltschaft hat gegen alle sechs gefällten Urteile vom vergangenen Juli Berufung und Nichtigkeitsbeschwerde eingelegt. Die vier ehemaligen Justizmitarbeiter - auch Richterin Ratz - sowie der verurteilte Schulfreund von Jürgen H. bekämpfen ihrerseits die Urteile.

OGH entscheidet über Formalfehler beim Verfahren

Seit Mitte April liegt der Akt beim Obersten Gerichtshof in Wien. Die Richter entscheiden dort, ob es Formalfehler beim Verfahren in Salzburg gab, also ob der Prozess korrekt abgewickelt wurde oder ob er wiederholt werden muss. Falls der Oberste Gerichtshof in Wien die Schuldsprüche aus Salzburg bestätigt, kann er dann auch über die Strafhöhe der Urteile entscheiden - also die Strafen herabsetzen oder erhöhen.

OGH-Präsident Ratz nicht am Zug

Der OGH kann aber auch die Entscheidung über die Strafhöhe der zweiten Instanz überlassen - in diesem Fall dem Oberlandesgericht Linz. Um jeden Anschein der Befangenheit in diesem sensiblen Verfahren zu vermeiden, wurden zur Vorsicht zuletzt drei Richter jenes Senats ausgetauscht, der darüber entscheiden wird - darunter auch der Präsident des OGH, der Vorarlberger Eckart Ratz. Er sei 14 Jahre Richter in Vorarlberg gewesen und habe denselben Namen wie die verurteilte Richterin - da wäre der Erklärungsbedarf zu groß, sagte Ratz am Dienstag in „Vorarlberg Heute“ im Gespräch mit ORF-Moderator Christoph Waibel.

In so einem Fall dürfe nicht der Anschein entstehen, dass jemand ein Auge zudrücke oder besonders scharf entscheide - der Schaden für die Justiz wäre zu groß.

Ratz glaubt, angesichts dessen, was er aus den Medien erfahren habe, dass eine Entscheidung des OGH im Herbst möglich sei. Der Senat, dem er normalerweise vorsitze, sei spezialisiert auf Korruption und Amtsmissbrauch, sei besonders qualifiziert und sehr schnell.

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