Mühleberg: Österreichische Behörden alarmiert

Laut einer großangelegten Studie des Umweltministeriums könnte das Schweizer Atomkraftwerk Mühleberg verheerende Folgen für Österreich haben. Die Erkenntnisse der Studie sollen die Grundlage für die Rechtsschritte von Vorarlberg bilden.

Die Resultate befinden laut der „SonntagsZeitung“ noch unter Verschluss, doch dem Blatt liegt nach eigenen Angaben eine Kurzzusammenfassung vor.

Die Verantwortlichen orten demnach diverse technische Mängel beim Reaktor in Mühleberg bei Bern. Bei ungünstiger Wetterlage müssten im Fall eines schweren Störfalls gar Teile der österreichischen Bevölkerung mit Jodtabletten versorgt werden und sich in Schutzräume begeben.

Schweizer am Zug

Die Regierung sieht nun die Schweiz am Zug. Die Ergebnisse seien bereits Anfang Mai an das Schweizer Bundesamt für Energie (BFE) übergeben worden, eine Antwort erwarte man bis Herbst, erklärte Andreas Molin, Atomexperte im Umweltministerium in Wien, am Sonntag auf APA-Anfrage.

Neue bahnbrechende Erkenntnisse brachte das umfassende Fachgutachten, das das Ministerium im September vergangenen Jahres in Auftrag gegeben hatte, nicht. Es habe die „bei Mühleberg üblichen Fragen“ aufgeworfen, die auch schon in der Vergangenheit für Diskussionen sorgten, so Molin. Über diese offenen Fragen, unter anderem das Erdbeben- und Überflutungsrisiko betreffend, wolle man mit den Schweizer Kollegen im Rahmen eines Expertentreffens bzw. eines Workshops sprechen. Dort solle nach Ansicht Molins geklärt werden, welche Maßnahmen ergriffen werden, um die Risiken zu minimieren. Jetzt sei „der Ball aber noch bei den Schweizern“.

Liste mit geheimen Unterlagen

Pikant an der Sache ist, dass sich im Anhang der Studie offenbar laut „Sonntagszeitung“ eine Liste mit geheimen Unterlagen befindet, die dem Umweltministerium sowie der Öffentlichkeit in Österreich und der Schweiz nicht zugänglich seien. Die Österreicher verlangen Einsicht, da sie die Ergebnisse verändern könnten.

Das Schweizer Bundesamt für Energie (BFE) bestätigte den Eingang der Studienergebnisse. „Wie haben eine umfangreiche Fachstellungnahme erhalten“, erklärte Amtssprecher Philipp Schwander. Das BFE beauftragte das Schweizerische Nuklearinspektorat (ENSI) mit der Sichtung und erwartet eine Stellungnahme. Laut dem ENSI soll diese an einem Expertentreffen im Rahmen des bilateralen Nuklearinformationsabkommens zwischen der Schweiz und Österreich besprochen werden.

Regierung schließt Klage nicht aus

Erst nachdem man den Standpunkt der Nachbarn kenne, könne man über eine mögliche Klage diskutieren. Die Schweizer „SonntagsZeitung“ hatte spekuliert, dass die österreichische Regierung als letzte Option auch eine Klage gegen das AKW Mühleberg nicht mehr ausschließen würde. Ende Mai hatte bereits ein Anwalt aus Vorarlberg beim Landesgericht Feldkirch eine Unterlassungsklage gegen das Atomkraftwerk eingebracht. Nach Molins Informationen hatte sich diese auch auf Teile der Studie des Umweltministeriums gestützt.

Vorarlberg will zudem in der Schweiz einen Antrag auf Entzug der Betriebsbewilligung des rund 200 Kilometer von Bregenz entfernten Mühleberg stellen. Dieser soll noch im Verlauf des Sommers eingereicht werden.

Mühleberg-Betreiberin weist Vorwürfe von sich

Die Mühleberg-Betreiberin BKW selbst hatte bisher nach eigenem Bekunden keine Kenntnis vom Vorpreschen der Österreicher und wiegelte ab: „Es gibt in unseren Analysen keine Anzeichen dafür, dass es zu relevanten Austritten von Radioaktivität kommen könnte“, und schon gar nicht zu Ereignissen, die Auswirkungen auf Österreich hätten, sagte BKW-Sprecher Antonio Sommavilla.

Gegenüber dem Blatt wies er jegliche Vorwürfe der Unterlassung dezidiert von sich und betonte, dass die BKW dem Schweizer Gesetz und der Schweizer Aufsichtsbehörde ENSI verpflichtet sei. Die Studie habe er noch nie gesehen.

Warum die Mühleberg-Betreiberin BKW nach Informationen der „SonntagsZeitung“ von dem Gutachten nicht in Kenntnis gesetzt wurde, konnte Molin nicht beantworten. „Wir arbeiten mit dem BFE und dem ENSI (Schweizerisches Nuklearinspektorat, Anm.) zusammen, das sind unsere Partner.“ Auch bilateral sei dies im Nuklearinformationsabkommen geregelt, das Österreich übrigens mit allen Nachbarländern außer Italien, abgeschlossen hat.

Laut ENSI hält Atomkraftwerk Beben aus

Erst am 9. Juli ließ das ENSI verlauten, dass die Schweizer Atomkraftwerke mit einem Beben fertig würden, wie es alle 10.000 Jahre auftreten könnte. Das gelte auch dann, wenn zum Beben ein Hochwasser hinzukomme. Ein solches würde insbesondere dem AKW Mühleberg drohen, da es unterhalb einer Staumauer liegt.

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