Missbrauch: Kloster Mehrerau beruft sich auf Verjährung

Das Bregenzer Zisterzienser-Kloster Mehrerau beruft sich angesichts der Zivilklage eines ehemaligen Zöglings auf die Verjährung der Missbrauchsvorwürfe. Ein Mann klagt, weil er von einem Pater vergewaltigt worden sei.

Das Kloster brachte am Dienstag die Beantwortung einer Klage eines ehemaligen Schülers ein. Der Rechtsanwalt des Klosters Mehrerau, Bertram Grass, spricht von einem ungewöhnlichen Schritt des Klägers. Bisher hätten sich fast alle Opfer an die Schutzkommission gewandt, die ja eigens von der Bischofskonferenz eingesetzt wurde. Ziel der Kommission sei es, auch Opfern von längst verjährten Taten eine finanzielle Entschädigung zu gewähren.

Kein medizinisches Gutachten

Die Klagsschrift des 57-jährigen Mannes sei „minimalistisch“, sagte Grass, sie enthalte keine medizinischen Gutachten und auch keine nachvollziehbare Berechnung des Verdienstentganges. Grundsätzlich, so Grass, könne das Kloster nicht für vorsätzliche Taten eines Erziehers haftbar gemacht werden. Abt Anselm halte sich mehrere Wochen in den USA auf, sagte Mehrerau-Pressesprecher Harald Schiffl, der Abt habe mit dem Mann mehrfach gesprochen und ihn um Vergebung gebeten.

Doshi: „Versprechungen sind Lippenbekenntnisse“

Der Verfahrenshelfer des Opfers, Sanjay Doshi, sagte, sein Mandant sei von seinen Eltern in gutem Glauben in die Obhut des Klosters gegeben worden. Das Kloster treffe jedenfalls ein Auswahlverschulden, „da der Pater bereits vor seiner Einstellung wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt worden war“. Die Versprechungen des Abtes, Wiedergutmachung leisten zu wollen, stellten sich nun „als bloße Lippenbekenntnisse heraus“, so Doshi gegenüber den „Vorarlberger Nachrichten“.

200.000 Euro Schmerzensgeld

Das heute 57-jährige Opfer soll in den 1960er Jahren als Internatsschüler des Privatgymnasiums des Klosters von einem Pater missbraucht worden sein. Der Mann klagte das Kloster vor einem Zivilgericht auf 200.000 Euro Schmerzensgeld und Verdienstentgang.

Der Kläger soll 14 Jahre alt gewesen sein, als die Übergriffe 1968 begannen. Er sei von einem Pater über drei Jahre hinweg „unzählige Male“ in seinem Zimmer vergewaltigt und so seelisch kaputtgemacht worden, schilderte der Mann in seiner Klage. Mit 16 Jahren brach er die Schule ab. Wäre es nicht zum Missbrauch gekommen, hätte er das Gymnasium beendet, ein technisches Studium begonnen und in der Folge „ein normales Leben mit Job und Familie“ gehabt, begründete der Mann, der laut Klage ein „Vagabundendasein“ führt.

2004 erstattete eines der anderen Opfer des Paters Anzeige, beim Verhör soll der heute 75-Jährige ein umfassendes Geständnis abgelegt haben. Bis 2010 soll er im Bereich des Klosters Stams tätig gewesen sein, danach wurde er suspendiert.

„Blanker Zynismus“

Als "blanken Zynismus“ bezeichnete Sepp Rothwangl von der Plattform Betroffener kirchlicher Gewalt die Vorgehensweise des Klosters. "Die Mehrerau hat einen wegen Missbrauchs verurteilten Pater in seine Dienste genommen, die daraufhin innerhalb der eigenen Klostermauern erfolgte sexuelle Gewalt systematisch vertuscht und wendet nun Verjährung ein“, so Rothwangl.

Das Kloster hafte selbstverständlich für die Indienststellung eines wegen Missbrauchs verurteilten Sexualstraftäters. Die Kirchenstrategie, Haftungsfragen und Schadenersatzansprüche nicht durch unabhängige Gerichte klären zu lassen, sei damit einmal mehr offengelegt.

"Hauseigene Schadensabwicklungsabteilung“

Bisher hätten Kircheninstitutionen stets danach getrachtet, Missbrauchsfälle an die "hauseigene Schadensabwicklungsabteilung, die Klasnic-Kommission“ abzugeben, in der Hoffnung, dass man die Betroffenen mit Almosen abspeisen könne, einer zivilrechtlichen Klage damit entgehe und pädokriminelle Priester strafrechtlich schützen könne, so Rothwangl.

Den Opfern werde im Rahmen der Klasnic-Kommission jedoch ein Canossagang auferlegt. Begründungen über Zu- oder Aberkennung von Entschädigungen erhielten die Betroffenen dort ebenfalls nicht. "Nun hatte endlich ein Betroffener den Mut gefunden, den Weg einer Zivilrechtsklage zu beschreiten, und sogleich leugnet das reiche Kloster jegliche Verantwortung. Und das, obwohl selbst Kardinal Schönborn betonte, dass es für die Kirche keine Verjährung gebe: Hätte es noch eines weiteren Nachweises für die Doppelmoral der katholischen Kirche bedurft, wäre er hiermit eindrucksvoll erbracht“, sagte Rothwangl.

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Video: ORF-Beitrag von Redakteur Jürgen Sebö

Grüne: „Kloster verspielt Glaubwürdigkeit“

Die stellvertretende Klubobfrau der Grünen, Katharina Wiesflecker, kritisierte in einer Aussendung die Verweigerung des Klosters, sich auf eine zivilrechtliche Klärung des Missbrauchs an einem ehemaligen Internatsschüler einzulassen. „Das ist ein moralischer Offenbarungseid. Das Kloster stiehlt sich auf leisen Sohlen aus der Verantwortung“, so Wiesflecker.

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