Missbrauchsopfer klagt Schmerzensgeld ein

Ein ehemaliger Internatsschüler des Klosters Mehrerau fordert von den Zisterziensern 200.000 Euro. Seit der Welle der Missbrauchsvorwürfe ist es der erste bekannte Fall, bei dem ein Betroffener selbst Schmerzensgeld einklagt.

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Audio: Beitrag von Ö1-Redakteur Bernt Koschuh

Im Rahmen des Bekanntwerdens zahlreicher Missbrauchsfälle vor zwei Jahren war viel von Schmerzensgeldklagen gegen die katholische Kirche die Rede. Doch aus einer zunächst geplanten Sammelklage mehrerer Opfer wurde nichts, weil sie sich die Klage nicht leisten konnten. Zudem wandten sich die meisten Opfer an die von Kardinal Christoph Schönborn initiierte Klasnic-Kommission.

Missbrauch über drei Jahre hinweg

Nun wurde erstmals bekannt, dass ein Betroffener tatsächlich Schmerzensgeld einklagt. Es handelt sich um einen ehemaligen Internatsschüler des Stifts Mehrerau, er fordert von den Zisterziensern 200.000 Euro. Mit 14 Jahren und dann über drei Jahre hinweg sei er immer wieder von einem Pater und Lehrer an der Internatsschule Mehrerau vergewaltigt worden, schreibt der Kläger. Beim Täter handle es sich um einen Pater, der kurz davor, nämlich 1967, wegen sexuellen Missbrauchs an einem 13-Jährigen rechtskräftig verurteilt worden sein soll, berichteten die „Vorarlberger Nachrichten“ im Jahr 2009.

Wiedergutmachung erwartet

Die aktuellen Schmerzensgeldansprüche wären eigentlich verjährt, doch wie Rechtsanwalt Sanjay Doshi ausführt, sei seinem Mandanten erst bewusst geworden, was mit ihm passiert war, als die Missbrauchsfälle in der Kirche bekannt wurden. Außerdem solle das Kloster Mehrerau darauf verzichten, dass die Verjährung zum Tragen kommt: „Der neue Abt hat erklärt, dass man auch Wiedergutmachung leisten möchte, und ich erwarte mir jetzt natürlich auch, dass man sich nicht hinter dem formalen Einwand der Verjährung verstecken wird“, so Doshi.

Schwerwiegende Folgen

Die Folgen des Missbrauchs sind laut Doshi schwerwiegend: Der heute 57-jährige Kläger habe mit 16 die Schule abgebrochen. Er habe seine Matura nicht machen können. Der Missbrauch habe sein Selbstvertrauen, sein Leben zerstört, mehrere Ehen und Beziehungen seien gescheitert. Die Forderung lautet auf 150.000 Euro Schmerzensgeld plus 50.000 Euro Verdienstentgang. Sie bezieht sich auf mehr als 30 Jahre zurückliegende Vorfälle.

Stellungnahme durch Sprecher des Klosters

Der Pressesprecher des Klosters Mehrerau bedauerte, dass sich der 57-Jährige nicht an die Klasnic-Kommission gewandt hatte. Die Taten an ihm würden aber nicht angezweifelt. Der Sprecher bezweifelte jedoch, dass das Kloster als Organisation für die Handlung eines Einzelnen haftet. Er könne noch nicht sagen, ob man sich auf Verjährung berufen werde.

Der Kläger selbst bezeichnete die Klasnic- Kommission als „kirchliche Dienststelle zur Almosenverteilung“. Wenn er die Klage verliert, könnte ihn das rund 15.000 Euro kosten. Doch der 57-Jährige sei mittellos, man könne ihm also nichts mehr nehmen, meinte sein Anwalt. Der etwa 75 Jahre alte Pater, gegen den es 1982 und 2009 auch Vorwürfe anderer ehemaliger Internatsschüler gab, ist suspendiert und lebt nicht mehr im Kloster Mehrerau.

Pater gab Tat zu

Der Pater gab offenbar selbst zu, dass er 1967 wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt wurde und danach weiter unterrichten durfte. Das geht aus Akten hervor, die Ö1 vorliegen und die ursprünglich von der Staatsanwaltschaft stammen. Bei deren Ermittlungen im Jahr 2009 war der Pater auch zu weiteren Vorwürfen von Opfern geständig. Aber diese strafrechtlichen Ermittlungen mussten offenbar wegen Verjährung eingestellt werden.

Im Zivilrecht und bei der aktuellen Schmerzensgeldklage eine Opfers ist das anders: Die Verjährung kommt nur zum Tragen, wenn sich das Kloster auf Verjährung beruft. Pfarrer Helmut Schüller, früherer Leiter der kirchlichen Ombudsstelle für Missbrauchsopfer, fordert nun aber einen Verjährungsverzicht der Kirche. Als früherer Leiter der kirchlichen Ombudsstelle in Wien habe er erlebt, wie lange Opfer leiden und brauchen, bis sie über Missbrauch sprechen können, sagte Schüller.

Opfern wurde nicht geglaubt

Walo Nowak, Leiter einer Selbsthilfegruppe in Vorarlberg, sagte, jetzt drohe Verjährung, und früher sei den Opfern nicht geglaubt worden. Ihm sei mit einem Heim für Schwererziehbare gedroht worden, wenn er weiter solche „Lügen“ über die katholische Kirche erzähle. Als Opfer müsse man alles verdrängen, damit man es trotzdem irgendwie im Leben schaffen könne. „Heute wird alles mit Verjährung abgetan und es passiert wieder nichts“, so Nowak.

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