Marion Flatz-Mäser
Maurice Shourot
Maurice Shourot
„Weltfrauentag“

Frauen sichtbarer und hörbarer machen

Heute ist Weltfrauentag, doch Männer kommen häufiger als Experten in der Öffentlichkeit vor. Auf Initiative der Gleichstellungsbeauftragten hat sich der ORF das Ziel gesetzt, Frauen sichtbarer und hörbarer zu machen.

Der Internationale Frauentag (International Women’s Day) wird weltweit von Frauenorganisationen am 8. März begangen. Der Tag wird auch Weltfrauentag, Tag der Frau oder Tag der Vereinten Nationen für die Rechte der Frau genannt. Er entstand in der Zeit um den Ersten Weltkrieg im Kampf um die Gleichberechtigung und das Wahlrecht für Frauen. Vorarlberg.ORF.at hat mit der ORF-Gleichstellungsbeauftragten Marion Flatz-Mäser folgendes Interview geführt.

Frauen machen zwar 50 Prozent unserer Gesellschaft aus, wenn wir eine Zeitung oder eine Zeitschrift durchblättern, uns eine TV- Sendung anschauen oder Radiosendungen anhören, sieht dieses Verhältnis oft anders aus. Die Männer sind die Experten, haben aktive Rollen und kommen häufiger vor. Auf Initiative der Gleichstellungsbeauftragten hat sich der ORF das Ziel gesetzt, Frauen sichtbarer und hörbarer zu machen. Marion Flatz-Mäser ist eine der sechs Gleichstellungsbeauftragten.

vorarlberg.ORF.at: Warum ist es Ihnen ein Anliegen, Frauen sichtbarer und hörbarer zu machen?

Flatz-Mäser: Ich habe vor rund zwei Jahren ein Genderkompetenzseminar besucht, der Seminarleiter hat uns damals gebeten ein Wirtschaftsmagazin durchzublättern und uns die Fotos anzuschauen. Ich konnte es kaum glauben, aber auf den Fotos waren hauptsächlich Männer abgebildet: Unternehmer, Unternehmensberater, Chefs, Funktionäre. Die Frauen kamen hauptsächlich auf den Werbefotos der bezahlten Anzeigen vor. Das war eine einschneidende Erfahrung. Es war klar, da muss sich etwas ändern. Als Journalistin sehe ich es als meine Aufgabe, auf ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis in den Programmen des ORF zu sorgen.

vorarlberg.ORF.at: Im Oktober 2020 hat der ORF die 50:50 Challenge gestartet. Was soll diese Aktion bewirken, worum geht es?

Es ist die erste große kollektive Aktion, um den Frauenanteil in den ORF-Formaten in Radio, Fernsehen und Online zu erhöhen. Derzeit machen 86 ORF-Sendungen mit, wir möchten aber, dass es stetig mehr werden. So funktioniert 50:50: Sendungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter zählen, wie viele Frauen und Männer in ihrer Sendung interviewt werden, also eine aktive Rolle einnehmen. Ob eine Moderatorin oder ein Moderator durch die Sendung führt, wird ebenfalls notiert. Die Zahlen werden für jede Sendung erhoben.

Beim ORF Vorarlberg werden seit Oktober „Vorarlberg heute“, „Focus“ und die „Ansichten“ ausgewertet. Anfang März lag das Verhältnis zwischen Männern und Frauen bei „Vorarlberg heute“ bei 60 Prozent Männer zu 40 Prozent Frauen, bei „Focus“ bei 75 Prozent Frauen zu 25 Prozent Männer und bei den „Ansichten“ bei 67 Prozent Frauen zu 33 Prozent Männer. Die höhere Frauenanteile bei „Focus“ und Ansichten haben auch damit zu tun, dass beide Sendungen von Frauen moderiert werden. Wertet man die Einträge für alle 86 Sendungen aus, die bisher teilnehmen, dann überwiegen die Männer mit 55 Prozent, aber das ändert sich natürlich mit jeder neuen Eingabe. Ziel ist es, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Männern und Frauen zu erreichen – 50:50. Die BBC, also die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt des Vereinigten Königreiches, hat dieses Projekt initiiert. Über 60 Medienhäuser aus 20 Ländern machen bereits mit.

vorarlberg.ORF.at: Zahlen allein sagen zwar etwas darüber aus, wie viele Männer und wie viele Frauen zu sehen oder zu hören sind, sie sagen aber nichts darüber aus, in welchen Rollen sie vorkommen. Beobachtet ihr das auch?

Flatz-Mäser: Jedes Jahr wird eine ORF Sendung genau unter die Lupe genommen. Ein Expertinnenteam erhebt, wie Frauen in dieser Sendung dargestellt werden: als aufopfernde Mutter und emsige Hausfrau oder als thoughe Unternehmerin, werden Stereotype bemüht- oder werden Frauen so gezeigt, wie es die Zuschauerinnen laut einer Umfrage auch wollen, nämlich in vielfältigen Rollen, authentisch und selbstbestimmt. Vor den Fernsehern, Radios und Computern sitzen auch Kinder. Sie erleben, wie Frauen in den Medien dargestellt werden, ob schwach und abhängig oder selbstbewusst. Das macht etwas mit den Mädchen. Frauen in den Medien sind immer auch Vorbilder. Wenn Mädchen Frauen in vielfältigen Berufen und Rollen erleben, bekommen sie auch eine vielfältige Vorstellung davon, welche Rolle sie selbst in der Gesellschaft einnehmen könnten.

vorarlberg.ORF.at: Die Gleichstellungsbeauftragten setzen sich auch für das Gendern in der Sprache ein. Wieso reicht „mitgemeint“ nicht aus?

Flatz-Mäser: Weil Frauen in allen Bereichen des Lebens vertreten sind. Wenn ich sie nicht erwähne, formuliere ich ungenau und bilde nur einen Teil der Wirklichkeit ab. Ein Beispiel: Spreche ich davon, dass Ärzte einen Impfstoff entwickelt haben und war es in Wahrheit aber ein Team aus Ärztinnen und Ärzten, erzähle ich nur die halbe Wahrheit. Wenn ich davon spreche, dass die Schüler unter dem Lockdown leiden, weil sie ihre Freunde nicht treffen können, dann würde das bedeuten, dass die Mädchen nicht leiden, was wohl kaum stimmt. Gendern macht Frauen sichtbarer und hörbarer, es bildet die Wirklichkeit besser ab. Künftig werden die auffallen, die nicht gendern.

Focus-Themen im Zeichen des Weltfrauentags

Marion Flatz ist auch für die ORF Radio Vorarlberg-Sendung „Focus – Themen fürs Leben“ verantwortlich. Auch hier greift sie immer wieder das Thema Gleichberechtigung auch. Hier drei Beispiele dafür.

Anke van Beekhius: „Wie Geschlechterausgewogenheit zum wirtschaftlichen Erfolg führt“ – mehr dazu in „Gemischte Teams“ bedeutet Vorteile für alle.

Dr. Margarethe Hochleitner, Gendermedizin: Warum Frauen dreimal täglich egoistisch sein sollten und der Mann in der Medizin nicht die Norm ist – mehr dazu in Frauen haben Depressionen, Männer Herzinfarkte.

Christine Bauer-Jellinek, Macht, Machtspiele, Gutmenschen und Machtmenschen, die helle und die dunkle Seite der Macht – mehr dazu in Was Macht mit uns macht.