Pflegepersonal geht am Gang eines Krankenhauses
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Chronik

Überlastung in der Pflege führt zu Kündigungen

Das Personal im Gesundheitssystem ist immer stärker belastet. Im Interview mit dem ORF Vorarlberg schildert eine Pflegerin am Landeskrankenhaus Feldkirch, warum sie ihren Job – den sie gerne gemacht hat – gekündigt hat. Ausschlaggebend waren die Arbeitszeiten. Landesrätin Martina Rüscher spricht von Fachkräftemangel notwendigen Strukturreformen.

Julia Wieder ist Mutter von drei kleinen Kindern und hat Teilzeit als Pflegerin am Landeskrankenhaus Feldkirch gearbeitet. Die Arbeitsbedingungen seien nicht mehr zumutbar gewesen, schildert sie im ORF Vorarlberg-Interview. Schon im Vorfeld seien Überstunden eingeplant gewesen, dazu seien viele Einspring-Dienste gekommen. Damit war für Wieder die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht mehr gegeben.

Kritik am Springerpool

Auf den Personalmangel wird neuerdings mit einem Springerpool reagiert. Für diesen können sich Mitarbeitende aus dem gesamten Krankenhaus bewerben. Das Problem an diesem Pool sei, so Wieder, dass Personal auf einer Stadion eingeteilt wird, ohne dafür eingearbeitet zu sein. Und damit liege die gesamte Verantwortung wieder beim Stammpersonal. Sie kritisiert, dass die Einspringerinnen und Einspringer zudem unverhältnismäßig besser bezahlt würden.

Ex-Pflegerin über Zustände im Spital

Laut Ärzten und Pflegern ist das Vorarlberger Gesundheitssystem am Anschlag. Die Verantwortlichen neigen gerne zu harmloseren Bildern. Eine Pflegekraft, die gerade gekündigt hat, schildert die Zustände. Für sie waren die Arbeitsbedingungen nicht mehr zumutbar.

Dass sich die Beschwerden über die Dienstpläne häufen, wird vom Zentralbetriebsrat Thomas Steurer bestätigt. Wenn Mitarbeitende Alarm schlagen, müssten das die Arbeitgeber ernst nehmen und sich Verbesserungen überlegen.

Gesundheits-Landesrätin Martina Rüscher im Interview

Landesrätin zum Gesundheitssystem

ÖVP-Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher spricht über den Zustand des Gesundheitssystems in Vorarlberg.

ORF Vorarlberg: Können wir es uns überhaupt leisten, ausgebildete Menschen einfach ziehen zu lassen?

Martina Rüscher: Das können wir uns natürlich nicht leisten. Und ich bedauere es auch sehr, dass es immer wieder zu solchen Situationen kommt. Wir hören sehr gut zu. Wir nehmen diese Rückmeldungen auch sehr ernst und versuchen natürlich mit allen Kräften dafür zu arbeiten, um die Situation zu verbessern. Aber wir müssen wissen, wir haben einen Fachkräftemangel in allen Branchen und Ressorts. Das betrifft eben auch den Gesundheitsbereich. Wir haben im Moment auch sehr angespannte Situationen auf besonderen, einzelnen Stationen, wo sich das dann punktuell noch häuft. Und dort schaffen wir es auch nur durch besonders engagierte Fachkräfte, die Versorgung so aufrechtzuerhalten. Das heißt, es braucht Maßnahmen auf drei Ebenen: für die Mitarbeitenden, in den Strukturen und auch im Bereich der Patienten-Lenkung.

ORF Vorarlberg: Müsste man dann nicht beginnen zu überlegen: Wo kann man bei den Leistungen im Gesundheitsbereich herunterfahren? Gibt es diese Überlegungen schon?

Martina Rüscher: Das tun wir, und wir überlegen das auch nachhaltig. Wir haben vor zwei Jahren diesen Spitals-Planungsprozess reaktiviert und ein Ergebnis vorgelegt. Das heißt, wir werden künftig mehr auf Schwerpunkte setzen. Denn es ist einfacher, ein Dienstrad an einem Punkt, an einem Standort aufrechtzuerhalten, als eben an drei verschiedenen Standorten. Das heißt, es braucht strukturelle Maßnahmen. Zeitweise, wenn es nur um kurze Zeiten geht, funktioniert das auch über Bettensperren. Das ist natürlich oft für uns die unangenehmste Lösung, weil wir ja in Summe die Aufgabe haben, die Versorgung, und zwar eine verlässliche Versorgung für die Vorarlbergerinnen und Vorarlberger aufrechtzuerhalten. Aber Strukturreformen sind zwingend notwendig.

ORF Vorarlberg: Das klingt jetzt aber nicht so, als ob das recht schnell passieren kann. Und dass man den Menschen, die jetzt mit Überstunden und unplanbaren Diensten umgehen müssen, jetzt schnell helfen kann.

Martina Rüscher: Also es ist eine Mischung. Wir haben Maßnahmen, die sehr schnell wirken und wir haben Maßnahmen, die längerfristig wirken. Zu den längerfristigen Maßnahmen gehören auch die Diskussionen, die wir auf Bundesebene derzeit führen, im Rahmen des Finanzausgleichs. Wir brauchen mehr Mittel für die ambulante Versorgung und eine klare Steuerung für die ambulante Versorgung und eine klare Patienten-Lenkung. Das heißt, wir müssen künftig auch Patientinnen und Patienten zumuten, eine gewisse Versorgungspyramide einzuhalten. Dafür soll es auch Anreiz-Modelle geben. Dafür brauchen wir auch Mittel, damit wir das umsetzen können. Die schnellen Maßnahmen sind zum Beispiel der angesprochene Care Support. Das war eine Anregung der Mitarbeitenden, so eine Art quasi Einsatztruppe aufrechtzuerhalten, dort wirklich noch einmal finanziell einen sehr guten Anreiz zu bieten. Das haben wir umgesetzt und wir sehen, das funktioniert auch sehr gut. So gut, dass vielleicht der oder die eine oder andere sich für den Einsatz auf der eigenen Station für dieses Modell entscheidet. Aber wie gesagt, die Arbeiten sind laufend in Entwicklung.