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imago images/Müller-Stauffenberg
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Kultur

Hälfte der Kunstschaffenden ist armutsgefährdet

Das Jahresnettoeinkommen von Kunstschaffenden in Vorarlberg erreichte in den Jahren von 2019 bis 2022 jeweils einen Medianwert von 15.000 Euro. Das geht aus einer Studie über die Lebens- und Einkommensverhältnisse von Künstlern in Vorarlberg hervor, die am Montag im Rahmen einer Pressekonferenz in Lustenau präsentiert wurde.

Die Studie wurde 2021 vom Land Vorarlberg in Auftrag gegeben, durchgeführt wurde sie von der Forschungsgruppe Empirische Sozialwissenschaften an der Fachhochschule Vorarlberg. An einer standardisierten Online-Befragung nahmen 198 Kunstschaffende teil, darüber hinaus wurden in drei Fokusgruppen und in Interviews mit 17 Kunstschaffenden und sieben Experten Erkenntnisse gewonnen.

Im Schnitt verfügten die Befragten über 22,4 Jahre an Berufserfahrung als Kunstschaffende, je nach Branche sahen sich 60 bis 85 Prozent als gut oder eher gut etabliert. Knapp über 90 Prozent der Kunstschaffenden haben eine spezifische künstlerische Ausbildung absolviert, 63,3 Prozent davon im akademischen Bereich.

Hälfte unter Armutsgrenze von 16.452 Euro im Jahr

Vom Jahresnettoeinkommen in Höhe von 15.000 Euro stammen zwischen 3.000 und 4.500 Euro (Medianwert) ausschließlich aus künstlerischen Tätigkeiten. 49,4 Prozent der Vorarlberger Kunstschaffenden lagen 2022 unter der Armutsgrenze von 16.452 Euro. Dabei hat die Armutsgefährdung in den vergangenen Jahren abgenommen. 2019 unterschritten noch 58,1 Prozent der Künstler-Einkommen die Armutsgrenze. Älteren über 55 Jahre und Frauen gehe es diesbezüglich etwas besser als Jüngeren und Männern, sagte Fabian A. Rebitzer, der Leiter der Forschungsgruppe.

In Bezug auf die Versicherungssituation gaben 34,3 Prozent der Befragten an, „keine Probleme“ zu haben. Für 20,4 Prozent bildete der Selbstbehalt bei medizinischen Leistungen eine Herausforderung. 13 Prozent sagten, im Krankheitsfall keine Absicherung zu haben.

Lebensverhältnisse von Kulturschaffenden

Erstmals gibt es eine Studie, die beleuchtet wie es jenen geht, die versuchen im Kulturbereich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Die Studienautoren der Fachhochschule Vorarlberg liefern ernüchternde Zahlen. Über 50% der Künstler sind armutsgefährdet.

Breite Zustimmung zur Kunstförderung

Wie sich ebenfalls zeigte, wurde die Kunstförderung des Landes überwiegend positiv bewertet. 84,4 Prozent der Kunstschaffenden haben seit 2019 Fördermittel des Landes erhalten, 58,8 Prozent erhielten Geld vom Bund, 49,1 Prozent von den Gemeinden. 57 Prozent der Künstler suchten „für mich als Künstler“ persönlich um Förderung an, während 21,5 Prozent davon Abstand nahmen. „Das hat viel mit der persönlichen Haltung in Bezug auf Unabhängigkeit und Freiheit zu tun“, so Rebitzer.

„Kultur hat einen Wert an sich“

Eingeflossen in die 160 Seiten starke Studie sind auch Ergebnisse des Interreg-Projekts „Neue Museumswelten“ (Stichprobengröße: 1.377 Personen). Demnach haben in Vorarlberg nur knapp über 20 Prozent kein Interesse am Besuch einer Kulturinstitution oder -veranstaltung. Für über 80 Prozent hat die Kultur „einen Wert an sich“. Allerdings stimmten auch 44,1 Prozent der Aussage eher oder ganz zu, dass „mir ein Kulturbesuch oftmals zu teuer ist“. Knapp 39 Prozent fühlten sich von den Angeboten nicht oder eher nicht angesprochen.

Studie soll in Kulturstrategie einfließen

Eingebettet wird die Studie nun in die Überarbeitung der Kulturstrategie des Landes. Man werde Erkenntnisse, Ergebnisse und konkrete Handlungsempfehlungen der Studie aufarbeiten und einfließen lassen, kündigte Kulturamtsleiter Winfried Nußbaummüller an. „Diese nun vorliegende fundierte Datengrundlage macht es möglich, zielgruppengenau neue, spezifische Akzente zu setzen“, so Landesstatthalterin Barbara Schöbi-Fink (ÖVP). Im September 2023 werde das Strategie-Update vorliegen.

Grüne fordern mehr Unterstützung

Die Grünen forderten in einer Aussendung mehr Unterstützung für die betroffenen Kulturschaffenden. „Während das Land und die Städte viel Geld für kulturelle Großveranstaltungen – wie die Bregenzer Festspiele – bereitstellt, blieb die freie Szene und Kleinkunstprojekte von jungen wie auch etablierten Kunstschaffenden in den letzten Jahren chronisch unterfinanziert", so die Kultursprecherin der Grünen Bregenz, Alexandra Abbrederis-Simpson. „Dieses Auseinanderklaffen inmitten der lebendigen Kunst- und Kulturszene hier im Land schadet uns langfristig gewaltig.“ Die Studie zeige auf was Sache ist, jetzt müsse die Kulturpolitik entsprechend handeln.

Der Grünen-Landtagsabgeordnete Bernie Weber ergänzte: „In einem so reichen Land wie Österreich und einem kulturell so vielseitigen und renommierten Land wie Vorarlberg muss alles unternommen werden, um jeder Künstlerin und jedem Künstler ein gesichertes Leben und Arbeiten zu ermöglichen.“