Martina Köberle, Peter Filzmaier
ORF Vorarlberg
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Politik

300.000 Menschen sympathisieren in Österreich mit Diktatur

Während der CoV-Pandemie war immer öfter die Rede von einer Politikverdrossenheit vieler Österreicherinnen und Österreicher. Politikwissenschaftler Peter Filzmaier warnt jetzt davor, es nicht zu einer Demokratie-Verdrossenheit kommen zu lassen. Immerhin fünf Prozent der Bevölkerung – 300.000 Menschen – würden mit einer Diktatur sympathisieren.

„Die niedlich kleine Zahl fünf klingt nicht so schlimm, aber dass sind in absoluten Zahlen über 300.000 Menschen“, zeigt er auf. Weitere 20 Prozent der Bevölkerung, also Millionen, wären unter bestimmten Umständen anfällig für „‚politische Rattenfänger‘, ganz egal ob von undemokratisch ganz rechts oder ganz links“, betont Filzmaier.

„Wir müssen aufpassen, dass aus der oft besprochenen Politiker- oder Parteien-Verdrossenheit nicht auch eine Demokratie-Verdrossenheit wird“, gibt Filzmaier zu bedenken. Die Demokratie sei – als Langzeitlösung – mit mehr politischer Bildung durchaus zu retten, sagt er. Damit würden sich manche Populismen und Fake-News von vornherein erübrigen, weil man sie ganz einfach nicht alle glauben würde, meint Filzmaier.

Politik in der Vertrauenskrise

Die Regierenden werden vom Wähler abgestraft, wie man bei den Landtagswahlen in Niederösterreich oder Kärnten sehen konnte. Sprach man vor der Pandemie noch von einer Politikverdrossenheit, haben sich heute einige Bürgerinnen und Bürger bereits komplett vom System Politik abgewandt.

Regierung wird für Krisen mitverantwortlich gemacht

Viele Österreicherinnen und Österreicher machen die Politik mitverantwortlich für die gegenwärtigen Krisen. Auf Landesebene werden die Regierungen dementsprechend abgestraft, wie man an den Wahlen in Niederösterreich und Kärnten gesehen hat. „Die Politik hat in meinen Augen komplett versagt“, sagt beispielsweise Petra Langer aus Götzis. „Man hat die letzten drei Jahre einfach gesehen, was alles falsch läuft“, stellt sie fest.

Christoph Riedelsperger aus Koblach hingegen nimmt die Regierung in Schutz: „Ich glaube, dass die CoV-Krise für die Politik auch ein sehr schwieriges Thema war“, meint er. Es sei einfach zu sagen, dass sie die Situation nicht gut gelöst hätten, wenn man nicht selbst an ihrer Stelle gewesen sei.

Viele Probleme lassen sich nicht von Österreich aus lösen

Filzmaier betont, dass es durchaus objektive Politikerinnen und Politiker in den Regierungen auf Bundes- und Landesebene gebe. Ein Problem sei allerdings, dass sich die derzeit präsenten „Hauptprobleme“ wie die Teuerung aufgrund einer internationalen Inflation, die Klimakrise oder der Angriffskrieg in der Ukraine nicht von Österreich oder gar von Vorarlberg aus lösen ließen. „Nur darf das umgekehrt nicht zur Pauschal-Ausrede werden, nach dem Motto ‚Wir können eh nichts tun‘“, betont er.

Teil des Problems sei auch, dass eine Partei oft nur deshalb gewählt werde, weil die anderen Parteien „noch schlimmer“ seien, sagt Filzmaier. „Man befeuert auch das Negativ-Image, denn kaum kommt in der eigenen Partei – egal welche Parteifarbe – ein Skandal auf, heißt es sofort: ‚Die anderen machen das ja auch.‘“, gibt er zu bedenken. „Das führt dazu, dass die Menschen verdrossen sind, weil sie keine Alternative sehen“, sagt er.

Filzmaier zur Vertrauenskrise

Politologe Peter Filzmaier erläutert angesichts des schwindenden Vertrauens in die Politik, wie unsere Demokratie weiter lebendig bleiben kann.

FPÖ profitiert vom „politischen Kurzzeitgedächtnis“

Parteien wie die FPÖ, die sich systemkritisch zeigen, sind derzeit wieder im Aufwind. „Die FPÖ profitiert natürlich vom politischen Kurzzeitgedächtnis“, schmunzelt Filzmaier. „Das Dilemma ist, dass scheinbar einfache Lösungen nicht immer funktionieren“, betont er. Deshalb sei die FPÖ auf Bundesebene immer an ihrer Regierungsbeteiligung gescheitert, die Regierungen seien vorzeitig zerbrochen und es habe Neuwahlen gegeben.

„Auch jetzt ist das die ‚Gretchenfrage‘. Zum Beispiel zu sagen, es gibt keine Russland-Sanktionen mehr, und dann haben wir sofort alle niedrigere Energiepreise und es gibt auch keine Teuerung mehr – so einfach funktioniert internationale Wirtschafts- und Währungspolitik leider nicht“, erklärt Filzmaier.