A studio portrait shot of a young woman wearing casual clothing, on a pink background. She is holding out a smartphone in front of her eye to the camera with a photo of her eye on it.
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Social Media

Gefilterte Gesichter im Schönheitswahn

Auf Knopfdruck schöner: Gesichtsfilter zaubern glattere Haut, schmalere Wangen, vollere Lippen und längere Wimpern für Soziale Medien. Inzwischen sind die täuschend echten Illusionen so weit verbreitet, dass vor allem junge Frauen den gefilterten Gesichtern auch in Wirklichkeit entsprechen wollen – und deshalb zum Chirurgen gehen.

Anfangs waren die Gesichtsfilter zum Spaß: Welpenohren, Blumenkronen oder Herzchen-Augen verzierten die Gesichter, die mit der Frontkamera eines Handys aufgezeichnet wurden. Inzwischen aber kann die künstliche Intelligenz mehr und bügelt Gesichter auf für die Erwartungen einer künstlich optimierten Öffentlichkeit. Auf der besonders bei Jugendlichen beliebten Plattform Tik Tok zum Beispiel passen Filter wie „Bold Glamour“ die Gesichter der Nutzerinnen und Nutzer an real unerreichbare Schönheitsideale an.

Schöner, als die Natur erlaubt

Was die populären Gesichter von Influencerinnen und Influencern schöner erscheinen lässt, wird von der Masse der „Follower“ schnell nachgeahmt. In der digitalen Welt werden also alle „schöner“ als die Natur erlaubt. Das hat inzwischen bizarre Folgen: Um dem eigenen Avatar auch „irl“ (in real life) zu entsprechen, wollen immer mehr ihr echtes Gesicht durch Schönheitsoperationen ihrem digitalen Vorbild anpassen, berichtet der Plastische Chirurg Cedric Bösch aus Vorarlberg.

Fotostrecke mit 4 Bildern

Einer Frau wird Botox in die Stirn gespritzt
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Um ihrem eigenen, gefilterterten Social-Media-Gesicht ähnlicher zu werden, wollen sich immer mehr plastisch verändern lassen
Ein Handy mit Tik Tok App
APA/dpa-Zentralbild/Jens Kalaene
Auf Plattformen wie Tik Tok, Snapchat oder Instagram sind digitale Filter weit verbreitet, die Gesichter künstlich an „Schönheitsideale“ angleichen
Eine Skizze der Gesichtsmuskulatur zur Operationsvorbereitung
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Deshalb rennen inzwischen schon 16- bis 17-Jährige zum Schönheitschirurgen mit gefilterten Bildern von sich oder Influencerinnen, denen sie per Operation ähnlicher werden wollen
Einer Frau wird ein Medikament in die Lippen gespritzt
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Die Wünsche reichen von Faltenglättung bis zur plastischen Veränderung der Gesichtskonturen oder Körperform, berichtet der Plastische Chirurg Cedric Bösch aus Vorarlberg

Mit dem Filter-Selfie zum Chirurgen

„Das geht so weit, dass die Leute dann zu mir in die Praxis kommen und sagen, ich hätte es gerne so – oder können Sie es genau so machen“, sagt Bösch: „und die Beispiele auf den Handys sind dann bekannte Influencer und Influencerinnen, die wir alle kennen.“ Vor allem junge Frauen zwischen 20 und 30 Jahren kämen mit diesen Wünschen zu ihm.

Mitunter kommen aber Patientinnen und Patienten auch mit einem bearbeiteten Bild von sich selbst und sagen: „Schauen Sie, so! Und das ist nicht möglich, denn so wie mit einem Filter wird man nie ausschauen.“ Das Gegebene, was man hat, könne man nur mit Nuancen versuchen, zu verbessern, erklärt der Schönheitschirurg seinen Patientinnen und Patienten.

Konturierte Kinnlinien und Brust-OPs

Die aber verlangen eher regelrechte Runderneuerungen: Häufige Operationen sind laut Bösch „Ober- und Unterlider, Fettabsaugung, Brustvergrößerung, Bruststraffung und Burstverkleinerung. Nichtoperativ sind es sehr viel Botox-Filler, also Lippen, Stirn, Zornesfalte. Mittlerweile geht man dazu, dass man Konturierungen macht und Volumen wieder herstellt im Gesicht. Die Kinnlinie ist zum Beispiel oft ein Thema in sozialen Medien und dann kommen auch wieder diese Anfragen“, erzählt Bösch.

Der „Bold Glamour“-Filter beschert einem unter anderem dichtere Augenbrauen, härtere Konturen und glattere Haut
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Der „Bold Glamour“-Filter beschert einem unter anderem dichtere Augenbrauen, härtere Konturen und glattere Haut

Volljährigkeit ist Mindestvoraussetzung

Schon von 16- oder 17-Jährigen wird der Plastische Chirurg nach solchen Operationen gefragt: „Die werden von mir aber nicht behandelt. Wenn es um kosmetische Dinge geht, muss eine Volljährigkeit da sein.“ Nicht einmal, wenn ein Elternteil einverstanden wäre, würde er so etwas machen.

Auch Ältere tappen in die Filterfalle

Digitaler Schönheitswahn ist aber kein Privileg jugendlicher Unvernunft, erzählt Bösch: „Da ist eine Dame mit Mitte/Ende 40 gekommen und hat ein Selfie von sich selbst gezeigt – so eine Schrägaufnahme, sicherlich auch die Schokoladenseite – und dann irgendein Filter drauf, wo die Haut so ganz extrem glatt war. Die Dame selbst hatte aber eher eine etwas grobporigere Haut. Und da habe ich halt gesagt: Schaun’s, wie soll das gehen?“

Gegen-Trend für mehr Echtheit

Auch bei Unternehmen, die sich kommerziell mit professioneller Reichweite in den Sozialen Medien beschäftigen, wie z.B. der Vorarlberger Digitalagentur „Backstage Branding“, wird diese Entwicklung kritisch gesehen: „Unsere Erfahrung zeigt, dass Filter in Social Media den Wahn immer mehr fördern“, sagt Denise Scheucher, „und gerade bei Teenagern kann das schnell zum Problem werden.“

Inzwischen gebe es aber quasi einen Gegentrend: „Viele Influencerinnen und Influencer nehmen eine Vorreiterrolle ein und zeigen sich gezielt ohne Filter, damit das Erscheinungsbild nach außen wieder authentischer rüberkommt und es sich zu einem Trend entwickelt, dass man so ist, wie man ist.“