Frau sitzt am Schreibtisch im Büro am Computer
ORF.at/Zita Köver
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Wirtschaft

Arbeitnehmer fordern immer mehr

Der Vorarlberger Personalvermittler Helmut Sepp sieht die Arbeitswelt in einem großen Wandel. Viele Menschen wollen oder können nur in Teilzeit arbeiten. Durch den Arbeitskräftemangel sei außerdem die Position des Arbeitnehmers – auch bei Gehaltsverhandlungen – gestärkt worden, sagt Sepp.

ORF Vorarlberg: Herr Sepp, wenn wir uns jetzt die Arbeitswelt von heute anschauen: Wie hat sich denn das aus Ihrer Erfahrung in den vergangenen fünf Jahren verändert? Wir haben ja mittlerweile eine massive Teilzeit-Debatte und eine Viertagewoche-Debatte. Ist der Wunsch tatsächlich so groß, auch von jenen, die zu Ihnen kommen, dass sie weniger arbeiten wollen?

Sepp: Weniger arbeiten würde ich jetzt nicht sagen. Aber es ist ganz klar, dass sich die Arbeitswelt in den letzten Monaten massiv verändert hat. Wir haben eine Veränderung in Richtung Homeoffice und das ist gerade nach der CoV-Pandemie sehr stark spürbar. Wir erkennen, dass die Flexibilität noch mehr gegeben sein muss. Und das Thema ist natürlich auf jeden Fall die Kinderbetreuung. Dass hier noch zu wenig Stellen vorhanden sind und dass hier die Frauen massiv nach Teilzeit-Beschäftigungsmöglichkeiten suchen. Und auf der anderen Seite das Thema Pflege. Auch hier wird massiv eben nur die Teilzeit angestrebt, weil oft Angehörige zu Hause gepflegt werden müssen.

ORF Vorarlberg: Das klingt jetzt so, als ob die Menschen einfach noch andere Verpflichtungen haben und nicht das Ganze in mehr Freizeit umwandeln wollen?

Sepp: Auf der einen Seite sind es die Verpflichtungen und auf der anderen Seite haben sich die Wünsche geändert. Work-Life-Balance kommt noch stärker hervor und so kommen die meisten Personen, die Arbeit über uns suchen, mit breiteren Wünschen zu uns. Ich habe schon einige erwähnt wie Homeoffice, absolute Flexibilität in der Arbeitszeiteinteilung, Jobsharing usw.

Personalvermittler Helmut Sepp
Jens Ellensohn Fotografie
Personalvermittler Helmut Sepp

ORF Vorarlberg: Wenn es jetzt um die Teilzeit geht, sind das mehr Frauen oder gibt es da mittlerweile auch Männer, die sagen, ich möchte doch lieber in Teilzeit arbeiten, weil ich verschiedene andere Verpflichtungen auch noch habe?

Sepp: Es sind nach wie vor mehr Frauen, die sich Teilzeit wünschen. Bei den Männern ist es aber durchaus auch jetzt so, dass immer mehr Wünsche in Richtung Teilzeit kommen. Ich denke an die Weiterbildung. Viele Männer machen nebenberufliche Ausbildungen und da wird ganz klar Teilzeit gewünscht. Oft Freitag frei, um beispielsweise eine Fachhochschule nebenbei zu besuchen. Und da ist der Trend sicher stark erkennbar, dass eben auch bei den Männern Freizeit gewünscht wird. Oft ist es auch so, dass Männer 80 Prozent verlangen, weil sie dann zusätzlich im Bereich Work-Life-Balance Freizeitbeschäftigungen haben, die einen Tag pro Woche in Anspruch nehmen.

ORF Vorarlberg: Sind denn diese Arbeitssuchenden bereit, weniger Gehalt in Kauf zu nehmen, damit sie mehr Freizeit haben?

Sepp: Das ist unterschiedlich. Wir haben Bewerber, die sind durchaus bereit, auf Gehalt zu verzichten. Es gibt aber auch solche, die Nein sagen. Die Nachfrage am Arbeitsmarkt ist so groß, dass sie denselben Gehalt für 80 Prozent bekommen.

ORF Vorarlberg: Was glauben Sie aus Ihrer Perspektive und aus Ihrer Erfahrung? Was wird sich denn in Zukunft tun? Wird sich die 4-Tage-Woche durchsetzen?

Sepp: Da wird es unserer Meinung nach schon noch etwas Zeit benötigen. Aber langfristig gesehen glauben wir, dass es durchaus zu einer 4-Tage-Woche kommen wird. Ob dies bereits in diesem Jahrzehnt geschehen wird, das glaube ich zu bezweifeln.