Armin Fidler
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Politik

Pandemie: „Manchmal fehlte der Hausverstand“

In der CoV-Pandemiebewältigung seien Fehler passiert, sagt der Vorarlberger Gesundheitsexperte Armin Fidler im ORF Vorarlberg-Interview. „Im Nachhinein ist man natürlich immer gescheiter.“ Bei gewissen Dingen habe man sicherlich den Hausverstand ausgeschaltet.

ORF Vorarlberg: Herr Fidler, es hat in der Pandemie viele Maßnahmen gegeben, die auf Unverständnis und auch Widerstand gestoßen sind. Es gab Grenzschließungen, teilweise waren ganze Gemeinden unter Quarantäne. Es hat einen Lockdown lediglich für Ungeimpfte gegeben. Und nicht zu vergessen, die beschlossene, schlussendlich aber dann doch nie zur Anwendung gekommene Impfpflicht. Hat man es aus ihrer Sicht mit einigen Maßnahmen übertrieben?

Fidler: Na ja, im Nachhinein ist man natürlich immer gescheiter. In einer Pandemie, in einer Situation, wo es wirklich brenzlig ist, stellt sich immer die Frage, welche Maßnahmen am geeignetsten sind. Und wir haben natürlich dazugelernt. Man darf nicht vergessen, auch die Wissenschaft entwickelt sich weiter. Ich kann mich erinnern, wie wir noch angefeindet worden sind, weil man gesagt hat, man braucht jetzt zwei Dosen der Impfungen, nicht nur eine und dann drei Dosen und nicht nur zwei. So funktioniert Wissenschaft. Man versucht es mit einer Policy und dann sieht man, ob es funktioniert oder nicht und dann muss man möglicherweise nachschärfen. Bei gewissen Dingen hat man sicherlich den Hausverstand ausgeschaltet. Ich denke zum Beispiel in Wien an die Schließungen der Bundesgärten, weil man behauptet hat, dass die Eingänge zu eng seien. Das sind so Dinge, die im Nachhinein sicherlich fast lächerlich sind.

ORF Vorarlberg: Österreich hat in der Pandemie 4,8 Milliarden Euro für CoV-Tests ausgegeben. Im Durchschnitt sind 23 CoV-Tests pro Kopf in Österreich gemacht worden. In der Schweiz waren es weniger als drei, in Schweden weniger als zwei. Und in Deutschland waren es nur anderthalb Tests pro Person. Haben wir zu viel getestet?

Fidler: Ich glaube, vor allem in Wien ist zu viel getestet worden. Testen macht sicher Sinn. Testen hat auch sicherlich Sinn gemacht in gewissen Perioden der Pandemie. Aber meiner persönlichen Ansicht nach hat man in Wien übers Ziel hinausgeschossen. Man wäre da auch mit weniger Tests gleich gut durch die Pandemie gekommen – davon bin ich überzeugt.

ORF Vorarlberg: Sie sagen, im Nachhinein ist man immer gescheiter. Aber gibt es aus Ihrer Sicht auch Maßnahmen, die eigentlich schon zum damaligen Zeitpunkt mit dem damaligen Informationsstand eigentlich nicht sinnvoll waren?

Fidler: Das Problem war Folgendes, man hat Experten ausgewählt und jeder Experte hat natürlich eine ganz enge Sicht auf die Tatbestände. Ein Virologe möchte natürlich möglichst alles kontrollieren, damit es zu keinen Infektionen kommt. Ein Ökonom auf der anderen Seite hat die Auswirkungen auf die Wirtschaft im Gesichtsfeld. Und meiner Meinung nach hat man ganz einfach verabsäumt, eine Kommission wirklich multidisziplinär zu besetzen. Da gehören Kliniker hinein, da gehören Leute aus dem Public Health-Bereich hinein, da gehören auch Ökonomen hinein, Sozialwissenschaftler usw. Und ich glaube, gerade am Beginn hat man da sehr viel auf die Virologie gesetzt. Und aus der virologischen Perspektive sind natürlich Lockdowns, Ausgangssperren usw. ein logischer Schritt.

ORF Vorarlberg: Hat man also gerade zu Beginn, was die Fachleute und die Kommission angeht, zu wenig diversifiziert?

Fidler: Das ist richtig. Und das Problem ist natürlich, dass ein Politiker die Kommission zusammenstellt. Eigentlich braucht es schon einen Experten, der sagt, welche Disziplinen es in einer Kommission im Notfall braucht.