Bernhard Stadler, Gerhard Bösch
ORF Vorarlberg
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Chronik

Krieg wurde in der Ukraine zum Alltag

Am Freitag jährt sich der Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine zum ersten Mal. Ein baldiger Frieden ist weiterhin nicht in Sicht. Der Vorarlberger Gerhard Bösch leitet die größte Bank in der Ukraine, die Privat Bank. Im Gespräch mit ORF-Redakteur Bernhard Stadler berichtet er davon, dass der Krieg in der Ukraine mittlerweile Alltag geworden sei.

Die Bilder sind erschreckend, zeigen aber nicht die ganze Grausamkeit der Schlachten auf ukrainischem Boden. Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass der Krieg auf beiden Seiten bisher das Leben von rund 150.000 Soldaten und 48.000 Zivilistinnen und Zivilisten gefordert hat.

„Es gibt wenig, an das man sich nicht gewöhnt“

Mittlerweile sei der Krieg in der Ukraine zum Alltag geworden, beschreibt Bösch: „Wir haben gerade wieder einen Luftalarm gehabt, heute Früh“, sagte er im Online-Interview. „Das ist die Normalität hier, zumindest in den großen Städten. Das passiert fast täglich“, erzählt er.

Es gebe wenig, an das man sich in den letzten zwölf Monaten nicht gewöhnt habe, wie beispielsweise das Abschalten des Stroms. „Die Unterbrechungen sind fast kein Thema mehr“, erzählt er. „Auch die Zeit, die man in Kellern verbringt, wird inzwischen nahezu als normal hingenommen“, beschreibt Bösch.

Keiner ist nicht vom Krieg betroffen

Bösch beschreibt, dass es wohl keine Ukrainerin und keinen Ukrainer gebe, die oder der nicht in irgendeiner Weise vom Krieg betroffen sei. Nichtsdestotrotz sehe Bösch nach einem Jahr keinerlei Müdigkeit bei den Ukrainerinnen und Ukrainern – sie seien nicht dazu bereit, aufzugeben. „Im Gegenteil: Ich würde sagen, mit jedem Angriff steigt die Bereitschaft, weiterzumachen, weiterzukämpfen und sich zu verteidigen“, betont er.

Ein Jahr Ukraine-Krieg

Am 24. Februar 2022 hat der Ukraine-Krieg begonnen. Der Vorarlberger Gerhard Bösch leitet in der Ukraine die größte Bank, die Privat Bank. Bernhard Stadler hat mit ihm über die aktuelle Situation gesprochen.

Für die Menschen in der Ukraine gehe es schlicht und ergreifend um alles, das sie in den letzten Jahren aufgebaut hätten. „Ich gehe fest davon aus, ich habe überhaupt keine Zweifel, dass diese Einstellung noch sehr lange bestehen bleibt“, sagt Bösch.

Kriegstechnisch bleibt die Flucht nach vorne

Böschs Einschätzung zufolge bleibe den Ukrainerinnen und Ukrainern kriegstechnisch nur die Flucht nach vorne. Ihnen gehe die territoriale Unversehrtheit über alles, zeigt er sich überzeugt: „Ich glaube, die Chancen für eine Lösung, bei der die Ukraine auf Teile des Territoriums verzichtet, ist sehr klein“, meint Bösch.

Seiner Einschätzung nach sei ein wichtiger Grund dafür, dass es – seiner Meinung nach berechtigterweise – völlig an Vertrauen in die gegenwärtige russische Führung mangle. „Alles, was den Russen eine Position in der Ukraine belassen würde, würde aus ukrainischer Sicht nur eine gewisse Zeit bringen, bis dort in der Zukunft die nächste Attacke kommen wird“, sagt Bösch. Dieser Einstellung schließe er sich vollinhaltlich an.

Putin konnte mit Hassrede nicht beeindrucken

Am Dienstag hat der russische Präsident Wladimir Putin seine Rede zur Lage der Nation gehalten. Diese Hassrede habe in der Ukraine aber niemanden beeindruckt, bekräftigt Bösch. Stattdessen würden alle über den Besuch des amerikanischen Präsidenten Joe Biden reden.