Lawinenpiepser
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Chronik

Lawinenlage erfordert Zurückhaltung und Sachkunde

Am Wochenende kamen in Vorarlberg und Tirol acht Menschen bei Lawinenunglücken ums Leben. In Vorarlberg forderten Lawinen ein Todesopfer, außerdem gab es zahlreiche Unfälle mit glimpflicherem Ausgang. Es herrschte große Lawinengefahr (Stufe 4). Abseits der Pisten heißt das: Es braucht unbedingt lawinenkundliches Beurteilungsvermögen.

In St. Anton/Arlberg und in Kaunerberg kamen am Samstag drei Sportler ums Leben, ebenso ein 55-Jähriger im Kleinwalsertal und ein 17-Jähriger im Zillertal. In Osttirol wurde ein Schneepflugfahrer von einer Lawine erfasst und starb. Im Ötztal kam am Sonntag eine Person unter einem Schneebrett ums Leben. Bereits am Freitag war ein chinesischer Freerider im Tiroler Ötztal tödlich verunglückt.

Nicht alle handeln fahrlässig

Nicht alle, die bei Lawinenwarnstufe vier abseits der Pisten unterwegs sind, handeln fahrlässig: Sogar bei jenen, die unter eine Lawine kommen, gebe es eine ganze Bandbreite, meint Herbert Knünz vom Lawinenwarndienst. Bei einer so angespannten Lawinenlage wie am Wochenende allein unterwegs zu sein, wie der Freerider im Kleinwalsertal, das sei nicht gut. Wenn man dann verschüttet wird, und kein Kamerad ist da, um die Rettung einzuleiten – da hat man dann schlechte Karten.

Anders gelagert sieht Knünz den Fall in Warth: dort habe der Tourenführer mit seinem Gast alles richtig gemacht, die Lawinensprengung abgewartet und erst dann den steilen Hang gequert. Dass vom anfliegenden Hubschrauber nochmals eine Lawine ausgelöst wurde, sei laut Knünz „einfach Pech“ gewesen.

„Lawinenkundliches Beurteilungsvermögen“ notwendig

Um bei Warnstufe vier abseits der Pisten unterwegs zu sein, brauche es unbedingt „lawinenkundliches Beurteilungsvermögen“, sagt Knünz. Darüber müsse man verfügen, sonst bleibe man besser auf der Piste oder im Tal. Gemieden werden müssen Hänge, die steiler als 30 Grad sind.

Dazu müssen Tourengeherinnen und Tourengeher zunächst überhaupt einmal wissen, wie steil der Hang ist, den sie befahren wollen. Und: Wie es weiter unten weitergeht, bzw. ob es weiter oberhalb noch steile Hänge gibt. Diese Fragen sind aber nur ein kleiner Ausschnitt der zu beachtenden Faktoren. Aber mit der Kenntnis der Hangsteilheiten einer Tour geht es los, sagen Experten. Einfach drauflos zu marschieren oder zu fahren bringe einen schnell in des Teufels Küche.

Rettungskosten tragen oft Versicherungen

Abgesehen von der Gefahr, in die sich die Lawinen-Rettungskräfte mitunter selbst bringen müssen, um andere zu retten, entstehen durch solche Einsätze natürlich auch Kosten. Diese werden an sich aus dem Rettungsfonds bestritten – es zahlen also Land und Gemeinden. Die Bergrettung ist aber angehalten, jenen eine Rechnung zu stellen, denen sie zur Hilfe geeilt ist. Diese Kosten seien aber vielfach durch eine Versicherung gedeckt – meist zahle das Unfallopfer also nicht.

Mehr zur aktuellen Lage immer auf unserer Lawinen- und Schnee-Übersichtsseite des ORF Vorarlberg.

Schon vor dem Wochenende „Bauchweh“

Man habe vor dem Wochenende schon „Bauchweh“ gehabt ob der „einfachen Wahrscheinlichkeitsrechnung“, so Patrick Nairz vom Tiroler Lawinenwarndienst: Gefährliche Verhältnisse und gleichzeitig – nicht zuletzt wegen Ferienbeginn im Osten – viele Menschen, die trotzdem nicht auf Skifahren im freien Skiraum verzichten wollen. Es sei ganz einfach eine Tatsache, dass man trotz wiederholter und ständiger Warnungen, „nicht alle erreichen kann“, zeigte sich der Experte illusionslos über Leichtsinn und Selbstüberschätzung nicht weniger. Obwohl man „nicht alle in einen Topf werfen“ könne.

Lawinendienste warnten frühzeitig

Der Vorarlberger Lawinenlagebericht hatte bereits am Freitagabend appelliert: „Kritische Verhältnisse erfordern Zurückhaltung“. Die Tiroler Kollegen hatten ebenfalls gebeten, sich kurzfristig einfach in „Verzicht zu üben“ und von Skitouren und Abfahrten vor allem im steilen Gelände abzusehen, so Nairz: „Dann sollte man einfach mal eine Woche lang verzichten können“, unterstrich Nairz.

Risikobereitschaft eher männliches Phänomen

„Eine erhöhte Bereitschaft zum Verzicht würde mangelndes Wissen kompensieren“, adressierte Nairz so manchen Wintersportler. Es handle sich im übrigen Großteils um ein „männliches Phänomen“, warf Nairz einen weiteren Aspekt auf. Frauen würden offenbar mehr „auf ihr Gefühl hören“ und verzichten können.