Eva Pinkelnig im Interview an der Dornbirner Ach
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Eva Pinkelnig über das Geheimnis ihres Erfolges

Mitte 20 erst mit einem Sport anzufangen und es dann zur absoluten Weltspitze zu schaffen – damit ist Eva Pinkelnig eine Ausnahmeerscheinung. Die gebürtige Dornbirnerin sammelt in dieser Saison Weltcupsiege und Podestplätze wie keine andere Skispringerin. Über das Geheimnis dieses Erfolges, über weitere Ziele und darüber, wie sie diesen Weg überhaupt schaffen konnte, spricht sie im ORF-Interview.

ORF: 13 Podestplätze in 15 Einzelbewerben, das ist weit weg von dem, was Ihnen viele zugetraut hätten. Wie weit ist das weg von dem, was sie sich selbst zugetraut hätten?

Pinkelnig: Mindestens genau so weit, es ist völlig wahnsinnig. Ich genieße es einfach unglaublich. Es steckt sehr, sehr viel Teamarbeit dahinter. Klar, ich bin diejenige, die am Balken sitzt und es vollendet. Aber es passiert unglaublich viel, bis ich da oben sitze, dass ich gesund da oben sitze, das ist sehr vielen Menschen zu verdanken. Es ist auch ein kleiner Teil ein Wunder dabei, denn mit dem Milzriss, das hätte auch ganz anders ausgehen können und auch die Folgen dieses Sturzes hätten auch ganz anders sein können. Ich bin einfach unglaublich dankbar, dass ich die Glücksmomente erleben dar.

Skispringerin Eva Pinkelnig im Interview

Sie surft derzeit auf der Erfolgswelle wie keine andere – Eva Pinkelnig. Die Dornbirnerin dominiert aktuell den Skisprung-Weltcup und führt überlegen die Gesamtwertung an. Andreas Blum hat Eva Pinkelnig getroffen.

ORF: Mit Mitte 20 in eine Sportart einzusteigen und dann an die Weltspitze zu kommen, ich habe vergeblich Vergleichbares gesucht. Was sind die Gründe, warum das so gelungen ist?

Pinkelnig: Einer der Gründe ist sicher die polysportive Ausbildung, die ich als Kind genossen habe. Ich habe nicht ruhig sitzen können und meine Eltern haben einfach alles getan, haben mir viele Möglichkeiten aufgezeigt. Es hat mit Kinderturnen angefangen – ganz klassisch, das war eine total schöne Zeit. Dann Skifahren, wir haben Langlaufen probiert, wir haben Fußball gespielt, wir haben Eishockey probiert, wir haben Tennis gespielt. Es war einfach sehr breit und ich bin dann über den Skiverein SK Kehlegg, auch ein paarmal über die Schanze am Bödele „gehupft“. Das war eine super coole Zeit und das Herz war immer schon beim Skispringen. Das war der Traum, von dem ich immer schon als Kind geredet habe: 100 Meter auf Ski zu springen, das muss das coolste Gefühl überhaupt sein. Es hat halt einfach wegen mehrerer Hintergründe lange gedauert, bis ich dann die Chance gekriegt hab, die 100 Meter zu springen. Und was sich darauf entwickelt hat, das ist schon crazy.

Eva Pinkelnig im Interview an der Dornbirner Ach
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Interview an der Dornbirner Ach: Eva Pinkelnig im Gespräch mit ORF-Sportredakteur Andreas Blum

ORF: Was waren vor dieser Saison die entscheidenden Verbesserungen oder Umstellungen, dass Sie die beste Skispringerin der Welt sind?

Pinkelnig: Ja, wenn man das so genau wüsste, dann würde das jeder machen. Auch da hat es wieder mehrere Faktoren. Ein Faktor ist sicher auch die verbesserte Kommunikation im Team generell. Was mich betrifft, ich habe einfach sehr daran gearbeitet: Warum werden manche Dinge missverstanden? Wie versteht das gegenüber, was ich wirklich brauche? Bei uns im Betreuerteam ist der Hauptteil männlich, die Kommunikation zwischen Mann und Frau – ich glaube das kennt jeder aus dem privaten und dem beruflichen Umfeld, die ist manchmal spannend. Und Kommunikation ist ja schlussendlich auch nicht das, was ich sag, sondern das, was bei Dir ankommt. Und da habe ich einfach selber dran gearbeitet. Und die Gegenüber sind auch bereit, den Schritt auf mich zuzumachen und mir auch die Unterstützung zu geben, die ich brauche.

Und dann haben wir einfach das Athletiktraining nochmal auf neue Beine gestellt. Das ist eine unglaublich gute Zusammenarbeit zwischen dem ÖSV und dem Olympiazentrum. Ich mache da alle zwei Wochen den sogenannten Plattentest, das sind zwei Messplatten, wo ich Sprünge mache. Anhand dieser Werte werden die weiteren Kraftprogramme, Athletikprogramme erstellt. Ich mache montags und freitags die Programme im Olympiazentrum, das ist mein Zuhause, da fühle ich mich wohl. Dienstag bis Donnerstag habe ich im Stützpunkt Innsbruck trainiert, und da sind wir viel Ski gesprungen und haben sehr viel alternativ gemacht.

  Eva Pinkelnig
GEPA pictures/ Matic Klansek
Der Kindheitstraum waren 100 Meter, den hat sie sich schon lange erfüllt. Heuer steht für die Skisprung-Damen erstmals ein Skifliegen auf dem Programm.

Materialtechnisch ist natürlich auch was weitergegangen, ich habe ein geniales Setup. Das besteht im Skispringen aus Ski, Bindung, Schuhen und Anzug – der Anzug ist keine Bekleidung, sondern ein Sportgerät. Die Skier sind einfach qualitativ noch besser und passen noch besser zu mir. Bindung und Schuhe haben wir sehr gut herausgetestet, was da für mich passt. Und auch die Anzüge entsprechen dem, wie ich Skispringen kann und wie ich Skispringen will.

Die alten Verletzungen sind zudem sehr gut therapiert. Die Kopfverletzungen sind noch tägliches Thema, aber auch Rumpf und Milz. Das geht Hand in Hand mit den Physiotherapeuten im Olympiazentrum, aber auch mit der Therapeutin im ÖSV-Team. Da sitze ich dann am Balken und grinse und kann Gas geben.

pinkelnig
Barbara Gindl/APA
Bekannt für ihren emotionalen Jubel: Eva Pinkelnig

ORF: Angefangen hat alles mit dem Traum, 100 Meter zu springen. Jetzt werden Frauen im März das erste Mal Skifliegen. Das wird definitiv ein neuer Meilenstein. Ist eigentlich der neue Traum, 200 Meter zu fliegen?

Pinkelnig: Also wenn ich wirklich 200 Meter fliege, dann hörst Du mich schreien von Vikersund bis daher. Es ist noch ein weiter Weg und davor gibt es noch einige andere Highlights. Ich bin überzeugt, dass Frauen sehr weit und sehr gut fliegen können. Es sind da einige Faktoren, die keiner von uns im Griff hat, die wir Athletinnen nicht in Griff haben, die auch die Organisatoren nicht im Griff haben – wie Wind und Wetter. Aber wenn es dann wirklich stattfindet, dann bin ich überzeugt, dass wir sehr weite und sehr lässige Flüge sehen werden. Ob ich dabei bin, wird sich dann zeigen.

ORF: Es geht im Sport ja auch darum, sich immer wieder neue Ziele zu setzen, Visionen zu haben. Wie schaut es da aktuell aus? Gibt es die Gedanken, ich will Weltmeisterin oder Olympiasiegerin werden – nachdem die 100 Meter ja schon lange Geschichte sind?

Pinkelnig: Das Ziel ist weiterhin, weit springen und laut jubeln. Egal auf welcher Schanze, egal, wie klein oder groß sie ist. Einfach mich gut einzustellen auf die verschiedenen Charaktere, die die verschiedenen Schanzen haben und das bis Ende der Saison so durchzuziehen. Ende März werde ich das dann nochmal eruieren, jetzt ist gar keine Zeit. Ich bin eineinhalb, zwei Tage daheim zwischen den Wettkämpfen. Da passiert dann sehr viel: Training, Physiotherapie, Materialchecks, neues Material testen und Medientermine. Einfach weiterhin im Moment leben, jeden einzelnen Sprung genießen – und am Ende der Saison schauen wir dann mal, was da alles passiert ist.

Eva Pinkelnig im Interview an der Dornbirner Ach
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Ruhige Minuten sind derzeit selten: Eva Pinkelnig an der Dornbiner Ach

ORF: Heuer gibt es noch ein weiteres Highlight mit der Weltmeisterschaft in Planica. Sie haben nicht nur gute Erfahrungen mit Großveranstaltungen gemacht. Inwiefern gibt es da vielleicht dieses Mal eine andere Herangehensweise oder ergibt sich das eh automatisch aus dem Saisonverlauf?

Pinkelnig: Das ergibt sich automatisch aus dem Saisonverlauf. Egal ob das Weltcup, Skifliegen, oder ob das WM ist – das Ziel ist: am Balken sitzen, grinsen, weit springen, jubeln. Natürlich hat eine Weltmeisterschaft einen unglaublichen Reiz, die Aufmerksamkeit ist nochmal größer. Ich freue mich richtig darauf – in Planica mit der Großschanze. Und das Mixed-Team, da ist noch eine offene Rechnung. Im Weltcup haben wir die eine offene Rechnung beglichen. Das wäre natürlich super cool, wenn wir die Rechnung bei der WM endlich begleichen und Österreich endlich einmal Mixed-Team-Weltmeister ist.