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Chronik

Diskussion: Finanzieller Druck bei assistiertem Suizid?

Seit einem Jahr ist der assistierte Suizid in Österreich erlaubt. Die Sorge von der Palliativmedizin, dass Patienten so unter Druck geraten könnten, wird vom Vorarlberger Patientenanwalt Alexander Wolf nicht geteilt. Das sei bisher in keinem Beratungsgespräch ein Thema gewesen.

Seit 1. Jänner 2022 ist es in Österreich unter bestimmten Voraussetzungen nicht mehr strafbar, sterbenskranken Menschen bei ihrer Selbsttötung zu helfen. Beim assistierten Suizid müssen die Menschen das tödliche Mittel selbst einnehmen oder das Rad für die Infusion selbst aufdrehen.

Palliativ-Mediziner Otto Gehmacher vom Landeskrankenhaus Hohenems sieht den assistierten Suizid kritisch. Im ORF Vorarlberg-Interview sagte er: „ Ich habe die Sorge, dass durch die Legalisierung des assistierten Suizids, vielleicht auch in weiterer Folge der aktiven Sterbehilfe, diese Sterbehilfe etwas Normales wird, mit dem Menschen aus dem Leben scheiden. Und das hat dann schon Auswirkungen auf eine Gesellschaft. Wie geht sie mit dem Sterben um? Der Druck auf alte und kranke Menschen wird größer werden, vielleicht auch, wenn finanziell die Engpässe mehr werden.“

„Finanzieller Druck war nie ein Thema“

Dieses Argument teilt Patientenwalt Wolf im ORF Vorarlberg-Interview nicht. In den Beratungsgesprächen sei ein finanzieller Engpass oder Druck weder bei den Patienten noch bei den Angehörigen ein Thema gewesen. Für Wolf ist das Selbstbestimmungsrecht der Patientinnen und Patienten entscheidend: „Wenn ein Patient keinen anderen Ausweg mehr sieht, wenn keine Therapie mehr schlagend wird, wenn es ein wohlüberlegter Weg für den Patienten ist und er im Sinne eines Selbstbestimmungsrechts sagt, dass er diesen Weg nimmt, kann ich da mitgehen.“

Im Vorjahr haben sich in Vorarlberg ein chronisch Kranker und ein Krebskranker für den assistierten Suizid entschieden. Elf Frauen und Männer haben sich unter anderem vom Patientenanwalt beraten lassen, den Suizid aber nicht durchgeführt. Ein Grund sei ein Gespräch mit Angehörigen und Palliativmedizinern gewesen, bei dem Alternativen aufgezeigt werden konnten. In einem Fall sei der Patient auch vorzeitig gestorben, so Wolf, andere würden sich noch im Überlegungsprozess befinden.

Unterstützung für Hilfestellende gefordert

Hürden zum assistierten Suizid sind für Wolf notwendig. Es braucht mehrere Beratungsgespräche mit Ärztinnen und Ärzten, eine gültige Sterbeverfügung und es müssen vor dem tödlichen Präparat auch andere Medikamente eingenommen werden.

Der Patientenanwalt wünscht sich aber eine Änderung des Gesetzes. Jeder sterbewillige Patient habe die Möglichkeit, eine hilfestellende Person auszuwählen, die ihn unterstützt, so Wolf: „Diese werden aber komplett im Regen stehen gelassen.“ Die Betroffenen seien psychisch belastet, würden aber keine Unterstützung erhalten. Hier sei es wichtig, dass sie eine Therapie oder eine andere Hilfestellung bekommen. Spätestens kommendes Jahr sollte das Gesetz nochmals überarbeitet werden, fordert der Patientenanwalt.

Hilfe im Krisenfall

Berichte über (mögliche) Suizide und Suizidversuche können bei Personen, die sich in einer Krise befinden, die Situation verschlimmern. Die Psychiatrische Soforthilfe bietet unter 01/313 30 rund um die Uhr Rat und Unterstützung im Krisenfall. Die österreichweite Telefonseelsorge ist ebenfalls jederzeit unter 142 gratis zu erreichen.