Dr. Martin Purtscher
Christian Jungwirth
Christian Jungwirth
Chronik

Altlandeshauptmann Martin Purtscher verstorben

Vorarlbergs Altlandeshauptmann Martin Purtscher ist tot. Der dritte Landeschef Vorarlbergs nach dem Zweiten Weltkrieg starb am Freitag im Alter von 94 Jahren. Als Regierungschef lenkte Purtscher die Geschicke des Landes zwischen 1987 und 1997. Der ÖVP-Politiker war Verfechter und Mitverhandler des EU-Beitritts Österreichs.

Das Weihnachtsfest hatte der im November 94 Jahre alt gewordene Purtscher noch gemeinsam mit seiner Frau Gretl und seiner Familie gefeiert – zum ersten Mal auch mit der Urenkelin, die erst drei Monate zuvor auf die Welt gekommen war. „Wir haben schon gedacht, das erleben wir nicht mehr. Aber jetzt ist es doch Realität geworden“, erzählte das Ehepaar Purtscher glücklich wenige Tage vor Weihnachten der „Kronenzeitung“.

Altlandeshauptmann Martin Purtscher verstorben

Vorarlbergs Altlandeshauptmann Martin Purtscher ist tot. Der dritte Landeschef Vorarlbergs nach dem Zweiten Weltkrieg starb am Freitag im Alter von 94 Jahren.

Politik würdigt den Verstorbenen

Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP): „Martin Purtscher war ein überzeugter Europäer, der in staatsmännischer Manier den Weg Österreichs in die Europäische Union stark mitgeprägt hat. Zudem hat Martin Purtscher große Verdienste um die heimische Energiewirtschaft erworben und maßgeblich am soliden Fundament mitgebaut, auf das sich Vorarlbergs heutiger Erfolg stützt. Das politische Handeln war von vorausschauender Weitsicht und kreativer Gestaltungskraft geprägt. Purtscher hat sich unter der Devise ‚mit Herz und Verstand für unser Land‘ stets verantwortungsvoll und engagiert in den Dienst der Vorarlberger Bevölkerung gestellt.“

Martin Ohneberg, Präsident Industriellen Vereinigung Vorarlberg: „Martin Purtscher war ein konsequenter und mutiger Gestalter Vorarlbergs und hatte darüber hinaus auch eine wesentliche Rolle darin, Österreich in die EU zu begleiten. Er war zudem großer Unterstützer der Vorarlberger Industrie und Wirtschaft und hat einen Anteil am großen wirtschaftlichen Erfolg und Wohlstand unseres Bundeslands. Er war und ist ein Vorbild für viele und geht mit seinem Lebenswerk als echter Sir in die Geschichte Vorarlbergs ein.“

NEOS-Landessprecherin und Klubobfrau Sabine Scheffknecht: „Martin Purtscher war ein visionärer Politiker mit Weitblick. Er brachte seine Führungsqualitäten aus der Wirtschaft auch politisch für die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen sowie die Förderung von Bildung ein und setzte mit der Entwicklung von Infrastrukturprojekten Meilensteine. Besonders beeindruckend war, dass er noch im hohen Alter mit einer unglaublichen Leidenschaft über die Europäische Union sprach. Er wird uns allen als glühender Europäer, mutiger Politiker und warmherziger Mensch in Erinnerung bleiben.“

Landtagspräsident Harald Sonderegger (ÖVP): „Während seiner Zeit als Landtagspräsident stellte er stets das Verbindende vor das Trennende und förderte ein politisches Klima des gegenseitigen Verständnisses. Höhepunkt seiner Präsidentschaft war fraglos der einstimmige Beschluss zur völlig überarbeiteten Vorarlberger Landesverfassung im Jahre 1984, mit dem die noch heute geltenden Verfassungsprinzipien und Staatsziele verstärkt und neu strukturiert wurden.“

Grünen-Landessprecher Eva Hammerer und Daniel Zadra: „Martin Purtscher wird in die Geschichte eingehen als einer der Wegbereiter des Beitritts Österreichs in die Europäische Union. Mit der Gründung der heutigen Fachhochschule und dem Verkehrsverbund hat er bleibende Meilensteine für das Land erreicht. Neben vielen anderen Themen möchten wir besonders sein Engagement bei den Vorarlberger Illwerken und seinen Einsatz für Kunst und Kultur erwähnen. Er war für kommende Generationen von Politikern und Politikerinnen ein Vorbild, und stellte stets das Wohl des Landes in den Vordergrund seines Handelns.“

Ab 1964 im Landtag

Der Bauernsohn Martin Purtscher begann seine politische Laufbahn als Gemeindevertreter in Thüringen. 1964 errang Purtscher einen Sitz im Landtag und wurde 1974 Landtagspräsident. 1987 löste er schließlich Herbert Keßler als Landeshauptmann ab. In seine zehnjährige Amtszeit fiel unter anderem der Rückkauf der Illwerke-Aktien, die Bildung des Verkehrsverbundes und der Aufbau der Fachhochschule. In Erinnerung bleibt er aber vor allem als unermüdlicher Verfechter des EU-Beitritts, den er selbst als sein größtes politisches Ziel bezeichnete.

Purtscher verteidigte absolute Mehrheit zweimal

Bei Landtagswahlen konnte Purtscher mit der ÖVP zweimal die absolute Mehrheit verteidigen. Die Lockrufe aus der Bundespolitik erhörte er nicht. Er erzählte, dass er mehrfach dazu aufgefordert worden sei, Wirtschaftsminister zu werden. Im Jahr 1995 sei er sogar bekniet worden, die Nachfolge von Vizekanzler Busek anzutreten. Er habe aber abgelehnt und Wolfgang Schüssel dafür vorgeschlagen.

1997 machte Martin Purtscher den Sessel des Landeshauptmannes für Herbert Sausgruber frei und zog sich aus der aktiven Politik zurück.

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Martin Purtscher
ORF
Purtscher bei einer ORF-Sendung zu 25 Jahren EU-Beitritt im Jahre 2020
Purtscher reiste sehr gerne
Purtscher
Purtscher ist leidenschaftlich gerne gereist – unter anderem auf den Spuren des Apostels Paulus
Purtscher Skifahren
Purtscher
Als Skifahrer in jungen Jahren
Purtscher als Suchard-Manager
Landesbibliothek
Purtscher als Manager bei Suchard
Familie von Purtscher
Purtscher
Martin Purtscher mit seiner Familie
Verabschiedung mit Familie 1997
Landesbibliothek
Purtschers Verabschiedung als Landeshautmann
Martin Purtscher, Markus Wallner, Herbert Sausgruber
Dietmar Mathis Fotografenmeiste
Mit seinen Nachfolgern als Landeshauptmänner: Herbert Sausgruber (rechts) und Markus Wallner…
Martin Purtscher und Benno Elbs
Dietmar Mathis Fotografenmeiste
… und mit Bischof Benno Elbs
Sabine Purtscher, Alt-Landeshauptmann Martin Purtscher mit Gretel
Mathis Fotografie
Bei der Eröffnung der Bregenzer Festsspiele 2021 mit Gattin Gretl und Tochter Sabine

„Hatte ein sinnerfülltes, glückliches Leben“

In der ORF Radio Vorarlberg-Sendung „Focus Spezial“ sprach Purtscher im Mai 2021 über sein Leben: „Ich empfinde es als große Gnade, in einer bewegten Zeit gelebt zu haben, das Ende von menschenverachtenden Diktaturen, technischen und medizinischen Fortschritt erlebt zu haben“, so der Altlandeshauptmann. "Ich hatte ein sinnerfülltes, glückliches Leben und mit dem Glück der Liebe. Meine Familie war der Fels in der Brandung. Wir leben sinnerfüllt, wenn wir in anderen und andere in uns Spuren der Erinnerung hinterlassen.“

In der Sendung erzählte Purtscher auch von seiner bescheidenen Kindheit in Thüringen, seinem Wunsch nach Bildung und den Kriegsmonaten in Italien. 1944 musste er als 16-Jähriger in den Krieg ziehen, hinter die Front in Italien, wo er als Kurier eingesetzt wurde. Nach dem Krieg besuchte Purtscher als Siebzehnjähriger die Handelsakademie, der damals in der Mehrerau in Bregenz untergebracht war.

Angelobung: 1. Rede als Landeshauptmann
ORF Vorarlberg
Purtscher bei seiner ersten Rede als Landeshauptmann

„Heimat ist nicht eng, sondern tief"

„Ich hatte 1948 ein wunderbares Jahr, ich habe die Matura geschafft, lernte meine Frau Gretl kennen und bekam meine erste Anstellung bei der Firma Lorünser Leichtmetallwerk. Am 15. September 1948 habe ich mit 650 Schilling pro Monat begonnen.“ Purtscher studierte als Werkstudent Jus und promovierte 1952. Später machte er in der Wirtschaft – bei der Firma Suchard – Karriere.

In seiner politische Karriere war der Tag des EU-Beitritts Österreichs der wichtigste Tag, erinnert sich der Altlandeshauptmann in der „Focus“-Sendung an das Ende der Beitrittsverhandlungen: „Wir haben unter Tränen gefeiert, niemand hat sich der Tränen geschämt.“

Der Politiker, der zwar gern und weit gereist ist, blieb seinem Heimatort Thüringen dabei immer treu: „Heimat ist nicht eng, sondern tief.“ – mehr dazu in Lebenserinnerungen von Altlandeshauptmann Martin Purtscher.