Martina Rüscher ÖVP
ORF Vorarlberg
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Politik

Abtreibungspraxis: Standort für Rüscher optimal

In Bregenz soll heuer eine neue Arztpraxis entstehen, in der auch Abtreibungen angeboten werden. Ein zwei- bis dreiköpfiges Ärzteteam soll die Abbrüche durchführen. Unterstützung für Frauen in finanziellen Notlagen könnte es in Form einer Vorfinanzierung über die Sozialhilfe geben.

Das Problem ist inzwischen bekannt. Jahrelang hat nur ein Arzt in Vorarlberg Abtreibungen durchgeführt, durchschnittlich 300 pro Jahr. Doch Benedikt Hostenkamp wird im August 71 Jahre alt und will in Pension gehen. Das Land bemüht sich deshalb um eine Nachfolgelösung. Im Personalwohnheim der Krankenhausbetriebsgesellschaft neben dem LKH Bregenz soll, wie berichtet, eine Ordination entstehen, in der auch Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden können. Am neuen Standort hat es allerdings auch Kritik gegeben.

ORF Vorarlberg: Benedikt Hostenkamp hat am neuen Standort zur Durchführung von Abtreibungen in Vorarlberg bemängelt, dass sich dort auch das Stillcafé und die Babyklappe befinden. Frauen, die abtreiben wollen, müssten dann auf dem Weg in die Praxis an stillenden Müttern vorbeilaufen. Klingt nicht gerade nach dem besten Standort?

Martina Rüscher: Das habe ich mit ihm persönlich schon besprochen. Er hat das Modell nicht näher gekannt und ich habe mich vor Weihnachten noch mit ihm persönlich getroffen, um es ihm genauer zu skizzieren. Wir werden die Öffnungszeiten voneinander trennen, sodass eine Frau, die abtreiben will, nicht an einer stillenden Mutter vorbeigehen muss. Im Haus befindet sich auch die Anlaufstelle für die anonyme Geburt und die Babyklappe. Ich finde, dass das ein sehr gutes Ambiente ist.

ORF Vorarlberg: Warum hat man sich eigentlich nicht für die bereits bestehende Praxis von Benedikt Hostenkamp in Bregenz entschieden? Da wäre schon alles vorhanden gewesen und es wäre, sagt Benedikt Hostenkamp, auch die günstigere Variante.

Martina Rüscher: Ich verstehe natürlich auch seine persönliche Motivation. Er braucht auch eine Nachfolge für seine Räumlichkeiten. Die befinden sich ja in einer sehr guten städtischen Lage, da findet er sicher eine gute Nachnutzung. Die Räumlichkeiten von Hostenkamp bieten Vorteile, aber eben auch Nachteile. Ein öffentlicher Gang trennt dort die Räumlichkeiten voneinander. Frauen müssen dort also, wenn sie vom einen Raum zum anderen wechseln, das über einen öffentlichen Gang hinweg tun. Dabei haben sie dann schon einen Bademantel mit Kapuze an – nicht ideal, wenn man sich in so eine Situation hineinversetzt. Und wir haben auch keinen Arzt gefunden, der unter diesen Bedingungen bereit wäre, mitzuarbeiten. Und das ist ja für uns das Wichtigste.

ORF Vorarlberg: Jetzt haben sich ja 15 Ärztinnen und Ärzte bei Ihnen gemeldet, um in der neuen Praxis zu arbeiten. Wie viele werden denn wirklich gebraucht und wie werden die ausgewählt?

Martina Rüscher: Wir sind jetzt so verblieben, dass alle 15, die sich gemeldet haben, eingeladen werden. Dann wird ihnen das Modell vorgestellt und dann wird man schauen, mit wem man wirklich ins Tun kommt. Tatsächlich werden es wohl nur zwei oder drei sein können, mehr ist gar nicht möglich. Denn so viele Schwangerschaftsabbrüche sind in Vorarlberg gar nicht durchzuführen und wir müssen dabei auch auf die Qualität schauen. Das ist auch eine gute Empfehlung von Benedikt Hostenkamp. Es braucht ein kleines Team, das gut eingespielt ist und die Abbrüche dann aber auch häufig durchführt.

ORF Vorarlberg: Ein Schwangerschaftsabbruch ist nicht günstig, er hat in Vorarlberg bis jetzt zwischen 600 und 700 Euro gekostet. In Österreich werden die Kosten nicht von der Sozialversicherung übernommen, es sei denn, der Abbruch ist medizinisch notwendig. Wird es da in Vorarlberg eine Unterstützung für Frauen geben, die sich so einen Eingriff nicht leisten können?

Martina Rüscher: Aus unserem Gesundheitsressort wird es keine finanzielle Unterstützung für die Durchführung geben. Meine Kollegin, Landesrätin Katharina Wiesflecker, überlegt, ob da vielleicht im Rahmen der Sozialhilfe eine Vorfinanzierung möglich ist. Ich möchte aber nicht vorgreifen. Es gibt dort erste Ansätze, über die man nachdenkt. Das muss aber erst noch entwickelt werden. Erst einmal braucht es ein Konzept. Wenn, dann gibt es aber maximal eine Vorfinanzierung für Frauen, die in sozialen Notlagen sind.

ORF Vorarlberg: Wenn der Staat nicht einspringt, kann das dazu führen, dass Frauen, die sich eine Abtreibung nicht leisten können, die Schwangerschaft gegen ihren Willen fortsetzen müssen. Finden sie das grundsätzlich nicht kritisch?

Martina Rüscher: Wir haben uns sehr intensiv mit Benedikt Hostenkamp unterhalten und die finanzielle Unterstützung ist bislang kein Grund, einen Schwangerschaftsabbruch nicht durchzuführen. Es gibt auch eine klare Grundlage in Österreich, dass Schwangerschaftsabbrüche, die nicht medizinisch begründet sind, nicht von der öffentlichen Hand oder vom Sozialversicherungssystem finanziert werden. Wenn man so etwas ändern wollte, müsste das bundesweit passieren. Wir werden das nicht tun.

ORF Vorarlberg: Die SPÖ hätte gerne eine Bannmeile, also eine Schutzzone um die neue Einrichtung. Auch Hostenkamp hält so eine für wichtig, weil es in der Vergangenheit immer wieder dazu gekommen sei, dass Abtreibungsgegner vor seiner Praxis Frauen belästigt hätten. Geplant ist so eine Bannmeile aber trotzdem nicht. Warum nicht?

Martina Rüscher: Weil wir sie nicht brauchen. Und das ist auch noch einmal ein großer Pluspunkt für den Standort, den wir gefunden haben. Wir haben hier nämlich das Hausrecht. Das sind Flächen des Landes, anders als bei der bestehenden Praxis von Benedikt Hostenkamp. Die Krankenhausbetriebsgesellschaft ist Mieter und hat als solcher das Hausrecht und auch eine Schutzpflicht. Das heißt, man kann die Personen dort verweisen. Wir brauchen dort also keine Bannmeile. Etwas weiter entfernt ist es aus meiner Sicht gut verträglich. Wir können uns ja auch nicht gegen das Demonstrationsrecht stellen. Mir ist es einfach wichtig, dass Frauen nicht dezidiert angesprochen werden können. Und gerade an so einem Standort, wo viel Bewegung herrscht, wo noch ein Krankenhaus daneben steht, wird man nicht erkennen können, mit welchem Anliegen eine Frau wo hingeht.

ORF Vorarlberg: Benedikt Hostenkamp wird im August 71 Jahre alt. Dann will er in Pension gehen. Wird bis dahin die neue Lösung stehen?

Martina Rüscher: Das ist unser Ziel. Wir sind mit Hostenkamp in sehr gutem Austausch. Er ist auch bereit, uns hier zu unterstützen und ich bedanke mich auch sehr dafür bei ihm. Er wird die neuen Ärztinnen und Ärzte auch entsprechend begleiten. Ich bin überzeugt, dass wir eine gute Übergabe finden und ich hoffe, dass es keine zeitliche Lücke gibt. Ich kann es aber aus heutiger Sicht natürlich nicht versprechen. Die Beauftragten arbeiten auf Hochtouren. Es sind alle bemüht, einen reibungslosen Übergang sicherzustellen, es wird sicher dieses Jahr eröffnet werden.

Das Interview mit Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher hat ORF Vorarlberg-Redakteur Emanuel Broger geführt.