Grünen-Abgeordnete Nina Tomaselli im Landtag
Maurice Shourot
Maurice Shourot
Politik

Finanzausgleich: Grüne für verpflichtende Klimaziele

Der Finanzausgleich läuft heuer aus. Bund, Länder und Gemeinden verhandeln deshalb die neue Verteilung des österreichischen Steuerkuchens. Finanzsprecherin und Nationalratsabgeordnete der Grünen, Nina Tomaselli, fordert verbindliche Klimaschutzziele für alle Gebietskörperschaften. Im Interview spricht sie außerdem über den Untersuchungsausschuss, die Maklerprovision und die ÖVP.

ORF Vorarlberg: Sie haben Politik in der Gemeindestube gelernt. Gerade für Ministerposten werden aber auch immer wieder Quereinsteiger nominiert. Der frühere grüne Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein zum Beispiel, oder die Grüne Klimaschutzministerin Leonore Gewessler. Sind Quereinsteiger oder erfahrene Politiker die besseren Politiker?

Tomaselli: Beides hat Vor- und Nachteile. Ich profitiere gerade jetzt bei meiner Arbeit im Untersuchungsausschuss davon, dass ich ganz unten angefangen habe. Denn man lernt da ganz schnell, sich ein dickeres Fell zuzulegen. Man lernt, die Funktion und die eigene Persönlichkeit zu trennen. Damit ich weiß: Mein Gegenüber attackiert mich aufgrund meiner Funktion, die ich gerade ausübe.

ORF Vorarlberg: Sie sind im Nationalrat Teil einer Fraktion in Regierungsverantwortung. Fühlen Sie sich auch als Teil der Regierungsfraktion?

Tomaselli: Ja, selbstverständlich. Aber zuallererst bin ich Parlamentarierin. Ich bin stolze Parlamentarierin. Und als solche habe ich zwei Aufgaben: Ich führe Beschlüsse herbei. Und das andere ist die Kontrollarbeit.

ORF Vorarlberg: Die Stimmung in der Koalition gilt als abgekühlt. Es gibt Stimmen, die Sie dafür mitverantwortlich machen, weil Sie im Untersuchungsausschuss oft die ÖVP attackieren. Fühlen Sie sich für die Stimmung in der Koalition verantwortlich?

Tomaselli: Kontrollarbeit ist ja alternativlos. Das was wir im Untersuchungsausschuss tun ist kein Wellnessurlaub. Wir versuchen, das Vertrauen in die Politik und die Institutionen der Republik wieder zurückzugewinnen. Der türkise Machtzirkel rund um Sebastian Kurz hat sich da viel zu Schulden kommen lassen. Die Aufarbeitung ist der erste Schritt zur Besserung.

ORF Vorarlberg: Wie würden Sie denn Ihr Verhältnis zur ÖVP beschreiben?

Tomaselli: Als pragmatisch. Das ist unser Regierungspartner. Ich muss oft mit Vertretern der ÖVP eine gute Lösung herbeiführen. Zuletzt ist es uns mit der Abschaffung der Maklerprovision gelungen. Sie wurde im Ministerrat beschlossen und kommt am 1. Juli. Das andere ist eben meine verfassungsmäßige Aufgabe im Untersuchungsausschuss. Da müssen Aufräumarbeiten durchgeführt werden. Es ist ja klar, dass es für die ÖVP nicht gerade bequem ist, wenn man im Fokus der Aufklärungsarbeit steht.

ORF Vorarlberg: Wäre das als Oppositionspolitikerin nicht einfacher?

Tomaselli: Kontrolle ist unabhängig von Regierungsarbeit und Oppositionsarbeit zu sehen. Wir Grüne können keine Rücksicht darauf nehmen, in welcher Konstellation wir gerade arbeiten, ob wir in der Regierung oder der Opposition sind. Aufklärung und Kontrolle gehört einfach dazu, das ist ja kein Selbstzweck.

ORF Vorarlberg: Wie kann der Untersuchungsausschuss zur Aufklärung beitragen?

Tomaselli: Was wir im Untersuchungsausschuss tun ist einerseits, die Akten zu lesen. Das ist die Hauptarbeit und macht circa 80 Prozent der Untersuchungsausschuss-Arbeit aus. Wir haben 24 Millionen Aktenseiten durchgeackert. Andererseits befragen wir Auskunftspersonen. Sie werden auch mit den Erkenntnissen aus den Akten konfrontiert. In der Wirtschaftsbund-Causa hat uns der Ausschuss die Möglichkeit gegeben, Einblicke in dieses System zu bekommen. Jetzt kommt im Bund und im Land ein neues Parteiengesetz. Wir Grüne fordern auch Informationsfreiheit statt Amtsgeheimnis. Transparenz ist das beste Präventionsmittel gegen Korruption.

ORF Vorarlberg: Warum geht beim Informationsfreiheitsgesetz nichts weiter?

Tomaselli: Das Thema begleitet mich, seit ich vor über zehn Jahren in die Politik gegangen bin. So nah wie jetzt waren wir einem Beschluss noch nie. Es gibt halt viele Gegner von Transparenz. Keine Ahnung, was sie befürchten. Die Bevölkerung erwartet sich Transparenz, die Politik muss das leisten. Wir müssen Rechenschaft ablegen. Und das geht am besten, wenn wir unser Handeln offenlegen.

ORF Vorarlberg: Warum passiert das noch nicht?

Tomaselli: Es gibt viele Blockierer. Die sind nicht unbedingt beim Bund anzusiedeln, sondern auch in den Ländern. Man denke an die Aussagen von Landtagspräsident Harald Sonderegger, der von einer Belastung für die Verwaltung spricht. Aber das Gegenteil ist der Fall. Die Informationsfreiheit wäre ein Befreiungsschlag für die Verwaltung und die Politik. Wer gute Arbeit leistet, kann ja kein Problem damit haben, sie offenzulegen.

ORF Vorarlberg: Wir haben jetzt viel über den Untersuchungsausschuss gesprochen. Sie sind aber auch Sprecherin für Finanzen und Wohnen. Als solche haben Sie das Bestellerprinzip bei der Maklerprovision für Mieter mitverhandelt. Eigentlich sollte das neue Gesetz seit 1. Jänner gelten, jetzt ist es für 1. Juli geplant. Warum die Verspätung?

Tomaselli: Das Beispiel zeigt: Verschoben ist nicht aufgehoben. Die Verhandlungen mit der ÖVP waren nicht immer einfach. Sie hat nach der Begutachtung überraschenderweise neue Forderungen eingebracht, die für uns nicht in Frage gekommen sind. Letztendlich haben wir uns und die Justizministerin durchgesetzt. Das Bestellerprinzip kommt. Und damit auch ein Schutz vor Umgehungskonstruktionen.

ORF Vorarlberg: Das Bestellerprinzip besagt, dass der Auftraggeber allein die volle Maklerprovision bezahlt. Wer garantiert mir, dass der Vermieter diese Ausgaben nicht auf die Miete draufschlägt?

Tomaselli: Im Gesetz ist ein umfassender Umgehungsschutz integriert. Wenn sich ein Wohnungssuchender auf ein Inserat meldet, muss keine Maklerprovision bezahlt werden. Man muss sie auch nicht zahlen, wenn man einen Makler beauftragt, die Wohnung aber schon inseriert ist. Der Mieter kann auch Transparenz vom Makler fordern und ihn jederzeit überprüfen. Und Makler, die es dann trotzdem nicht glauben wollen, müssen eine Verwaltungsstrafe bezahlen.

ORF Vorarlberg: Und der Vermieter, der die Provision zahlt, holt sich das Geld wieder über die Miete?

Tomaselli: Bezahlen muss derjenige, der die Leistung bestellt.

ORF Vorarlberg: Das heißt, Sie haben keine Angst, dass die Mieten dadurch steigen?

Tomaselli: Das kann man nie wissen. Uns war es wichtig, einen umfassenden Umgehungsschutz zu integrieren, damit Mieter nicht erpressbar werden. Das ist uns gelungen. Vermieter müssen sogar mit Verwaltungsstrafen rechnen.

ORF Vorarlberg: Eine kurze Zwischenfrage an Sie als grüne Wohnbausprecherin. Verländerung des Mietrechts: Ja oder Nein?

Tomaselli: Ein ganz klares Nein.

ORF Vorarlberg: Sie sind ja auch Finanzsprecherin der Grünen. Werden Sie beim Finanzausgleich einfach zusehen, wie der Finanzminister und die Länder den Finanzausgleich verhandeln und das Ergebnis dann abnicken? Oder schalten Sie sich auch ein?

Tomaselli: Alle Jahre wieder kommt der Finanzausgleich. Die Forderungslisten auf allen Seiten sind lang. Wir Grüne stellen vor allem die soziale Gerechtigkeit in den Mittelpunkt. Da geht es um den Sozialbereich, als auch den Pflegebereich. Es braucht eine effizientere Aufteilung der Mittel für den ÖPNV und die Wohnbauförderung soll auf gute, neue ökologische Beine gestellt werden. Außerdem sollen die Rückflüsse der Wohnbauförderung wieder vollständig zweckgewidmet werden. Und wir fordern die Ökologisierung des Finanzausgleichs.

ORF Vorarlberg: Was bedeutet das?

Tomaselli: Finanzausgleich ist ja nicht nur das Verschieben von Geld. Es geht auch darum, Verantwortung für das eigene Tun zu übernehmen. Da würden wir uns verpflichtende Klimaziele für alle Gebietskörperschaften wünschen. Klimaschutz kann ja nicht nur von der Klimaschutzministerin allein gemacht werden. Alle müssen mithelfen.

ORF Vorarlberg: Das heißt, der Finanzausgleich wäre ein geeignetes Instrument, um verpflichtende Klimaziele für alle Stufen einzuführen?

Tomaselli: Ja.